Branche kompakt | Polen | Kfz-Industrie
Branchenstruktur
Das Produktionsende für einige Verbrennerfahrzeuge setzt Zulieferer unter Druck. Insgesamt befindet sich die Branche aber im Aufwind - auch dank internationaler Investoren.
29.05.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Die Automobilkonzerne in Polen stellen ihre Produktion auf Elektrofahrzeuge um. Ein Beispiel hierfür ist Volkswagen Poznań. Ab 2028 wird das Werk des Unternehmens in Września elektrische Nutzfahrzeuge aus einer neuen Modellreihe herstellen. Bereits heute produzieren die Wolfsburger in Polen neben Lieferfahrzeugen mit Verbrennungsmotor auch batteriebetriebene Modellvarianten. Im Laufe des Jahres 2024 kommen neue Plug-In-Hybride dazu.
Voraussichtlich 2027 nimmt eine weitere Fabrik von Mercedes-Benz ihren Betrieb auf. Der Bau der Produktionsstätte für Elektro-Nutzfahrzeuge beginnt 2024 in der Stadt Jawor. Am gleichen Standort gibt es bereits ein Werk des Premiumherstellers. Hier baut das Unternehmen neben Verbrennungsmotoren seit einiger Zeit auch Batteriesysteme für Elektrofahrzeuge.
Stellantis, der Eigentümer von Marken wie Opel, Fiat oder Citroën, produziert seit 2023 in den südpolnischen Städten Tychy und Gliwice mehrere Elektrofahrzeuge. Das Nachsehen haben Benziner oder Dieselbaureihen. Zwischen dem zweiten und dritten Quartal 2024 verschwinden einige Modelle mit Verbrennungsmotor aus dem Produktionsplan.
Strukturwandel unter den Zulieferern
Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Folgen für die Zulieferer. Der italienische Teilebauer Magneti Marelli entlässt im Laufe des Jahres 2024 rund ein Drittel aller Beschäftigten eines Werks in Bielsko-Biała. Damit reagiert der Hersteller auf die rückläufige Verbrennerproduktion von Stellantis. Das Unternehmen FCA Powertrain, eine Tochtergesellschaft von Stellantis, schließt in Bielsko-Biała sogar eine ganze Niederlassung. Die Fabrik produzierte Verbrennungsmotoren. Insgesamt 800 Stellen fallen bei FCA in Bielsko-Biała weg.
Der Automobilverband PZPM (Polski Związek Przemysłu Motoryzacyjnego), rechnet damit, dass die Zahl der Beschäftigten in der Branche weiter sinken wird. Grund ist, dass Elektrofahrzeuge aus weniger Teilen bestehen. Verbandspräsident Jakub Faryś warnte in der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna außerdem vor zunehmender Konkurrenz von außerhalb Europas: "Die chinesische Regierung steckt wie die USA riesige Summen in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen. Wir als Industrie wollen keine Subventionen. Wir brauchen geeignete Rahmenbedingungen für die Forschung und Entwicklung von Technologien für Elektroautos", sagt er.
Die Bushersteller Scania und Volvo haben Werke in Polen geschlossen. Der deutsche Hersteller MAN entließ in seinem Buswerk in Starachowice 900 Personen. Hinzu kommt: wegen einer Auftragsdelle entlässt MAN Zeitarbeiter und befristete Beschäftigte im Lkw-Werk in Niepołomice. "Die Kapazitätsanpassung wird sich nicht auf die Stammbelegschaft auswirken", betonte der Konzern in einem Pressestatement.
Mehr Gewinner als Verlierer
Schließungen und Entlassungen sorgen für großes mediales Aufsehen. Die Gesamtsituation der Branche spiegeln sie nur bedingt wider. Internationale Hersteller in Polen produzieren heute pro Monat fast doppelt so viele leichte Nutzfahrzeuge und LKW wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. So lagen beispielsweise die Fertigungszahlen von Sattelschleppern zwischen Januar und Februar 2024 um rund 20 Prozent über dem Vorjahreswert. Im gleichen Zeitraum stiegen die Pkw-Produktionszahlen sogar um über 40 Prozent.
Die insgesamt positive Lage mag ein Grund dafür sein, warum Teilehersteller in Polen optimistisch in die Zukunft blicken. Laut einer Umfrage der Automobildenkfabrik Samar gehen 58 Prozent der Zulieferer davon aus, dass die Produktion 2024 über dem Vorjahr liegen wird. Nur 21 Prozent rechnen mit einem Rückgang.
Die Unternehmen sehen auch Herausforderungen. Als größte Hürde nennen Firmen die steigenden Kosten für Materialien, Energie und Personal. Außerdem befürchten Zulieferer eine sinkende Nachfrage in Westeuropa, dem wichtigsten Absatzmarkt von Polens Automobilindustrie.
In keinem Land in Mittelosteuropa hat die Zulieferindustrie einen so großen Anteil an den gesamten Branchenumsätzen wie in Polen. Der Wandel hin zur Elektromobilität zieht weitere Hersteller von Komponenten an. Ionway, ein Volkswagen-Joint Venture, nimmt bis 2026 eine neue Fabrik für Batterie-Elementen in Nysa in Betrieb. SK Nexilis, ein koreanischer Hersteller von Kupferfolien für Batterien, wird sein knapp 700 Millionen Euro teures Werk in Stalowa Wola laut Presseberichten im vierten Quartal 2024 fertigstellen. Die Batteriefabrik des polnischen Unternehmens Impact steht kurz vor Produktionsstart.
Ein starker Automobilsektor in Polen hilft auch deutschen Exporteuren. So stiegen beispielsweise die Ausfuhren von Fahrzeugteilen aus Deutschland im Jahr 2023 um über 22 Prozent. Firmen, wie der deutsche Zulieferer Dräxlmaier, bauen in Polen außerdem Forschungs- und Entwicklungszentren auf.
Vorhaben | Investitionssumme (in Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Fabrik für Kathodenaktivmaterial | 1.700 | Projektdurchführung | Ionway |
Bau einer Fabrik für Elektro-Kastenwagen | 1.300 | Planungsstadium | Mercedes-Benz Manufacturing Poland |
Bau einer Fabrik für das polnische Elektroauto Izera | 1.300 | Planungsstadium | ElectroMobility Poland SA |
Bau einer Fabrik für Kupferfolien | 600 | Projektdurchführung | SK Nexilis |
Ausbau des Ladesäulen-Netzes | 200 | Projektdurchführung | Powerdot |
Staatsprojekt auf der Kippe
Die Zukunft des staatlich forcierten Elektroautos Izera bleibt weiter offen. Die mittlerweile abgewählte Regierung der Partei PiS (Prawo i Sprawiedliwość) hatte das Projekt bereits 2019 angeschoben. Eine Projektgesellschaft, ElectroMobility Poland (EMP), sollte in der Woiwodschaft Śląskie ein Werk bauen. Der chinesische Hersteller und Volvo-Eigentümer Geely würde gegen Lizenzgebühren die nötige Fahrzeugtechnik bereitstellen. Laut dem mittlerweile abgesetzten Vorstandsvorsitzenden von EMP Piotr Zaremba wäre es auch möglich, Fahrzeuge mit Geely-Markenaufdruck herzustellen.
Polens neue Regierung sieht das Vorhaben kritisch. Ein Prüfungsverfahren des zuständigen Ministeriums für Staatsunternehmen läuft – Ausgang ungewiss. Zwar gäbe es Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Diese reichen aber nicht aus, um die Baukosten des Werks zu decken. EMP beziffert sie auf 1,2 Milliarden Euro. Die staatliche Projektgesellschaft hat eine Absichtserklärung mit dem Bauunternehmen Mirbud unterschrieben. "Gemäß dem Vertrag wird die Inbetriebnahme der Fabrik 23 Monate nach Beginn der Arbeiten möglich sein", betont EMP. Eine Baugenehmigung lag Anfang April 2024 noch nicht vor.
2023 | Veränderung 2023/2022 | aus Deutschland | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.248,1 | 10,1 | 291,3 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 11.031,4 | 23 | 4.878,4 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 643,1 | 16,5 | 146,1 |
SITC 713.2 Motoren | 1.610,2 | 74,4 | 1.096,7 |
Summe | 14.532,8 | 31% | 6.412,5 |