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Polens Weltraumindustrie spezialisiert sich auf Erdbeobachtung
Ein eigenes Netz von Satelliten - dieses Ziel verfolgt Polen. Die heimischen Produzenten aus der Raumfahrt entwickeln sich dynamisch, auch dank Projekten mit deutschen Partnern.
05.09.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Polen baut eigene Kapazitäten zur Erdbeobachtung (EO) auf. Geplant sind mehrere Satellitenstarts im Rahmen nationaler und europäischer Programme. Die gewonnenen Daten sollen sowohl für zivile Anwendungen, als auch für militärische Zwecke genutzt werden. Ziel ist, die technologische Souveränität des Landes zu stärken.
Je nach Satellitenprogramm sind das Verteidigungsministerium oder das Wirtschaftsministerium verantwortlich für die Umsetzung. Der erste Satellit aus den Vorhaben startet im November 2025, wie Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz bei der Eröffnung eines Kontrollzentrums für Satelliten an der Warschauer Militärakademie (WAT) mitteilte.
Deutsche Unternehmen interessiert an Technologiepartnerschaften
Eines der zentralen Programme heißt MicroSAR. Der finnisch-polnische Satellitenhersteller ICEYE und der staatliche polnische Rüstungskonzern PGZ wollen mindestens drei Satelliten ins All schicken. Das Besondere: Die Satelliten nutzen die sogenannte SAR-Technologie (Synthetic Aperture Radar). Sie arbeitet mit elektromagnetischen Wellen und ermöglicht hochauflösende Bilder, unabhängig von Wetterbedingungen und Tageslicht.
Der Vertrag mit der polnischen Rüstungsagentur (Agencja Uzbrojenia) umfasst zudem eine Option auf drei weitere Satelliten sowie auf eine mobile Bodenstation. Laut ICEYE liegt der Auftragswert bei über 200 Millionen Euro. Der erste MicroSAR-Satellit soll im 4. Quartal 2025 starten.
Nicht erst seit diesem Vorhaben gehört das 2014 im finnischen Espoo gegründete Unternehmen ICEYE zu den Überfliegern der Raumfahrtindustrie. Im August 2025 investierte Polens staatliche Förderbank BGK rund 10 Millionen Euro in das Unternehmen. Auch der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall zeigt Interesse an ICEYE.
Beide Firmen arbeiten an einem Joint Venture. Rheinmetall könnte ab 2026 die Satelliten des polnisch-finnischen Unternehmens fertigen - in Neuss bei Düsseldorf. Schon jetzt besitzt Rheinmetall die exklusiven Vertriebsrechte für das System in Deutschland und Ungarn.
Polnischer Anbieter entwickelt Dual-Use-Plattform
Ein weiteres Programm aus Polens Satellitenoffensive heißt Mikroglob. Der polnische Hersteller Creotech wird bis 2027 vier Mikrosatelliten an die polnischen Streitkräfte liefern. Die Flugkörper arbeiten nicht mit SAR-Technologie, sondern ermöglichen Bildaufnahmen im sichtbaren und infraroten Spektrum. Die Gesamtkosten inklusive Bodenstation liegen bei über 130 Millionen Euro. Zum Einsatz kommt die von Creotechs entwickelte HyperSat-Plattform.
Satelliten derselben Baureihe produziert Creotech auch für das Projekt PIAST. Hierbei geht es um drei optoelektronische Beobachtungssatelliten für die polnischen Streitkräfte. Der deutsche Dienstleister Exolaunch aus Berlin koordiniert den Start der Satelliten, der im Laufe des Jahres 2025 erfolgt.
Creotech kooperiert auch mit heimischen polnischen Partnern, zum Beispiel beim Programm CAMILA. Hier will das polnische Wirtschaftsministerium zusammen mit der Europäischen Weltraumagentur (ESA) drei Beobachtungssatelliten ins All bringen. Sie sammeln Daten für zivile Anwendungen wie die Landwirtschaft, den Katastrophenschutz und die Stadtplanung. Das Projektvolumen beträgt rund 52 Millionen Euro.
Polen bestellt auch Satelliten aus dem Ausland. Ende 2022 kaufte das Verteidigungsministerium zwei Satelliten des Typs S950 VHR vom europäischen Airbus-Konzern für 575 Millionen Euro. Mit dem Kauf erhält Polen Zugang zu Daten des französischen Erdbeobachtungssystems Pléiades Neo. Der Start beider Satelliten erfolgt 2027.
IT-Lösungen und optische Systeme sind besonders gefragt
Zu den polnischen Partnern von CAMILA gehören unter anderem der Cloud-Anbieter CloudFerro, der Hersteller von Weltraumcomputern und Flugsoftware KP Labs sowie der Hersteller von Kamerasystemen Scanway. Alle drei sind eng mit deutschen Partnern vernetzt.
So betreibt CloudFerro nicht nur die Datenplattform CODE-DE des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), sondern entwickelt darüber hinaus mit der Telekom-Tochter T-Systems das Copernicus Data Space Ecosystem (CDSE). Hierbei handelt es sich um eine der weltweit größten Datenbanken frei zugänglicher EO-Daten.
KP Labs wiederum entwickelt Algorithmen, um mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) große Datenmengen aus der EO auszuwerten. Solche automatisierten Analysen reduzieren Kosten in datengetriebenen Geschäftsbereichen. KP Labs arbeitet bei der Entwicklung der KI-Algorithmen mit DLR und dem Forschungszentrum Jülich zusammen.
Scanway konstruiert Satelliten gemeinsam mit den deutschen Unternehmen Marble Imaging aus Bremen. Die Flugkörper sollen Bilder mit sehr hoher Auflösung (VHR) liefern. Bei der Finanzierung helfen Förderprogramme des DLR und der ESA. Marble Imaging bezeichnet Scanway in Pressemeldungen mittlerweile als "entscheidenden Partner".
Fördergelder und neue Rahmenbedingungen stützen die Entwicklung
Die Dynamik in Polens Weltraumindustrie hat mehrere Gründe. Paweł Wojtkiewicz, Leiter des polnischen Arbeitgeberverbands der Raumfahrtindustrie SpacePL verweist während einer Branchenkonferenz auf Polens gestiegene Beiträge an die ESA. Das Land nimmt heute an mehr Projekten teil und schafft so Absatzchancen für heimische Firmen. Laut dem Thinktank Polityka Insight übersteigen die Aufträge im Bereich Erdbeobachtung inzwischen die Höhe der polnischen ESA-Beiträge.
Ein weiterer Wachstumstreiber sind EU-Fördergelder. Zuschüsse aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds decken beispielsweise rund 80 Prozent des Mikroglob Programms.
Nicht zuletzt hat Russlands Krieg gegen die Ukraine die strategische Bedeutung von Satellitentechnologie unterstrichen. ICEYE-Satellitenbilder halfen der Ukraine, innerhalb von fünf Monaten über 1.000 russische Stellungen zu identifizieren.
Tipp zur Geschäftsanbahnung
Polens Weltraumagentur POLSA listet einen Großteil der Unternehmen der polnischen Weltraumindustrie auf ihrer Internetseite.
Um weiter zu wachsen braucht Polens Weltraumbranche aber auch verlässliche Rahmenbedingungen. Die Regierung will bis November 2025 ein Gesetz über Weltraumaktivitäten auf den Weg bringen. Laut einem Entwurf werden Satellitenhersteller in Polen zukünftig eine Lizenz der polnischen Weltraumbehörde POLSA benötigen.
Außerdem regelt die Reform Haftungsfragen, falls ein Weltraumobjekt abstürzen solle. Darüber hinaus sieht das Gesetz ein Satelliteninformationssystem vor, das als eine Art zentrale Sammelstelle für Satellitendaten dienen wird.