Mehr zu:
SlowakeiKonjunktur / Investitionsklima / Kaufkraft, Konsumverhalten / Außenhandel, Struktur
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Wirtschaftsausblick | Slowakei
Im 30. Jahr des Bestehens als eigenständiger Staat ringt das Land 2023 mit anhaltender Teuerung und muss eine neue Regierung finden. Die Wirtschaftsdynamik lässt nach.
23.01.2023
Von Miriam Neubert | Bratislava
Trotz des Krieges im Nachbarland, trotz Energiekrise und Materialmangel ist die slowakische Wirtschaft 2022 gewachsen und hat an ihr Niveau vor der Pandemie angeknüpft. In den ersten drei Quartalen nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preisbereinigt um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu und lag um 1 Prozent über dem von 2019. Von den Pandemiefesseln befreit, konsumierten die privaten Haushalte kräftig. Die Bruttoanlageinvestitionen begannen sich zu erholen. Geringfügig stützte auch die Auslandsnachfrage das Wachstum, da sie sich im 3. Quartal nachdrücklich zurückmeldete.
Das Jahr 2023 bleibt schwer und ungewiss. In ihrer Winterprognose sieht die Slowakische Nationalbank das Bruttoinalndsprodukt real nicht mehr schrumpfen, sondern um 1,6 Prozent zunehmen, weil der private Verbrauch dank stabilisierender Staatshilfen nicht abnimmt. Europäische Kommission und Regierung sind mit Wachstumserwartungen um die 0,5 Prozent vorsichtiger. Sie gehen davon aus, dass weniger konsumiert wird.
Baugewerbe, Handel und Dienstleister waren Ende 2022 zuversichtlicher. In der Industrie nahm der Pessimismus zu, belastet durch hohe Unsicherheit und das flaue Neugeschäft. Ihre Produktion ist von Januar bis November 2022 um 4 Prozent gesunken. Ganz besonders der Energiesektor, aber auch energieintensive Branchen wie Chemie oder Metall haben ihren Ausstoß zurückgefahren.
Anfang 2023 legte das Aluminiumunternehmen Slovalco auch seine letzten zehn Hochöfen still, da der Staat Ausgleichszahlungen für energieintensive Betriebe nicht anpasste. Während Elektrotechnik, Pharma- und Textilindustrie 2022 mehr produzierten, blieb die Kraftfahrzeugbranche um 2 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Der Staat steht Bevölkerung und kleinen Firmen 2023 bei der Bewältigung der hohen Energiepreise bei. Für Großunternehmen soll das Hilfsschema des Vorjahres übernommen werden. Demzufolge könnten sie die Erstattung von 80 Prozent der Kosten beantragen, die ein bestimmtes Preisniveau übersteigen. Bei Gas liegt der Deckel bei 99 Euro pro Megawattstunde, bei Strom sind es 199 Euro. Mehr wird im Februar bekannt, wenn die neue Beihilferunde ausgerufen wird.
Nach einem Misstrauensvotum im Dezember führt die Regierung unter Ministerpräsident Eduard Heger weiterhin die Geschäfte. Findet sie keine neue Mehrheit im Parlament, werden Neuwahlen stattfinden, für die sich Populisten bereits warmlaufen.
In dieser Regierungskrise gelang es, den Staatshaushalt 2023 zu verabschieden. Durch die ausgleichenden Energie- und Sozialmaßnahmen verdoppelt sich das Defizit auf 6,5 Prozent des BIP. Die Staatsschuldenquote soll unter 60 Prozent des BIP sinken.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 93,4 | 98,5 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 17.110 | 18.110 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio., im Jahresdurchschnitt) | 5,46 | 5,44 | 83,2 |
Ungeachtet der Widrigkeiten nahmen die Bruttoanlageinvestitionen in den ersten drei Quartalen 2022 um preisbereinigte 5 Prozent zu. Besonders in Maschinen und Wohnungen wurde mehr investiert. Gegenüber 2019 aber sind noch 6,6 Prozent aufzuholen.
Das könnte 2023 gelingen. Nicht nur werden die Mittel aus dem Aufbauplan mit über 1,4 Milliarden Euro dreimal stärker ins Gewicht fallen. Es ist auch das letzte Jahr, in dem europäische Gelder der abgelaufenen Förderperiode geschöpft werden können. Parallel läuft die neue an.
Mit 330 Millionen Euro aus dem Aufbauplan startet das Gesundheitsministerium 2023 den Bau eines Universitätskrankenhauses in der Stadt Martin. Nach umfangreichen Investitionen wird Volkswagen Slovakia in Bratislava den VW Passat und Škoda Superb herstellen. Siemens Healthineers nimmt in Košice die Produktion von Ultraschallgeräten in Betrieb. IT-Sicherheitsspezialist ESET plant ein Innovationszentrum für 200 Millionen Euro. Stiebel Eltron erweitert in Poprad die Produktion von Heizgeräten und Wärmepumpen. Für den Industriepark Valaliky laufen die Grundstückkäufe, da sich dort als fünfter Autohersteller Volvo Cars ansiedeln wird.
Projektbezeichnung | Investition | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Eisenbahngesellschaft ŽSR / Modernisierung und technischer Umbau von 14 Kilometern der Eisenbahnstrecke Poprad-Tatry - Vydrník | 221 | Startphase; Ausschreibung der Bauarbeiten im August 2022 veröffentlicht und läuft | |
Bosch / Produktion von Motoren für E-Bikes und Aufbau des Gewerbeparks in Záborské | 200 | Startphase; Investitionsanreize beantragt; Betrieb Ende 2023 geplant | |
Duslo Šaľa / Grüne Kraftwerke - Solarkraftwerk und Windpark in Šaľa | 100 | Anfangsphase; Umweltverträglichkeitsprüfung für den Windpark läuft | |
Bratislava Region / Umgehung Bratislava | 100 | Vorbereitungsphase; Förderung aus EU-Fonds wird beantragt | |
Evonik Fermas / Produktion bio-basierter Rhamnolipide für Unilever in Slovenská Lupča | 100 | Planungsphase | |
Energienetzbetreiber SEPS / Modernisierungsprojekte der Stromleitung von Varín zur tschechischen Grenze und nach Nošovice in Tschechien, Podunajské Biskupice - Gabčíkovo und Moldava - Veľké Kapušany | 58 | Leitung von Varín nach Nošovice in Vorbereitung, Baubeginn 2025, Fertigstellung 2026 geplant; bei den anderen Abschnitten wurde der Bau begonnen, Fertigstellung 2023 geplant | |
Knauf Insulation / Erweiterung der Produktion von Dämmstoffen um eine neue Produktionslinie in Nová Baňa | 50 | Anfangsphase; Umweltverträglichkeitsprüfung; Baubeginn für März 2023, Fertigstellung August 2023 und Betrieb ab Mai 2024 geplant | |
Mubea / neues Werk zur Produktion von Kühlungsteilen für E-Autos in Veľká Ida | 50 | Bau begonnen; Betrieb im 3. Quartal 2023 geplant | |
Hoval / Erweiterung der Produktion um ein neues Werk für Wärmepumpen in Istebné | 40 | Anfangsphase; Bekanntgabe Sommer 2022; Fertigstellung 2024 geplant | |
DA Agency / Gewerbepark mit 5 Hallen für Industrie und Logistik in Nové Mesto nad Váhom | 30 | Anfangsphase; Umweltverträglichkeitsprüfung läuft; Fertigstellung 2025 geplant | DA Agency |
Auf der Internetseite des Amts für öffentliche Ausschreibungen der Slowakei können aktuelle Beschaffungsvorgänge recherchiert werden.
Die privaten Haushalte mussten 2022 ihre Ersparnisse erheblich reduzieren, um Reallohnverlusten bei im Schnitt um 12,8 Prozent höheren Verbraucherpreisen zu begegnen. Da die Inflation auch 2023 mit mindestens 10 Prozent sehr hoch bleiben soll, drückt das den Verbrauch. Ob die Lohndynamik, getrieben durch den Arbeitskräftemangel, der Teuerung die Stirn bieten kann - darüber gehen die Prognosen auseinander. Die Regierung sieht den durchschnittlichen Bruttomonatslohn im Privatsektor nominal um 10,5 Prozent auf 1.395 Euro steigen.
Der Staat hält seine Hand über die Bevölkerung, indem er die Energiepreise stabilisiert, Familien unterstützt und Renten anpasst. Die niedrigen Einkommen machen es vielen Menschen schwer genug. Dem Institut für die Forschung sozial-ökonomischer Risiken IVRA zufolge hat die Hälfte der fast 1,9 Millionen Haushalte nur Einkünfte bis 700 Euro im Monat.
Einig sind sich die Vorhersagen darin, dass der Außenhandel mit Waren und Dienstleistungen 2022 real zurückgegangen ist, dies aber 2023 wieder aufholt. Die exportorientierte Volkswirtschaft hängt sehr vom äußeren Umfeld ab. Deutschland steht als Partner an erster Stelle. Auch kommt es auf die Entspannung der Lieferkettenprobleme in der Autoindustrie an. Diese steht dem Branchenverband ZAP SR zufolge hinter 42 Prozent des Exportwerts.
Nominal gesehen lief der Warenaußenhandel 2022 gut. Bis November 2022 stieg der Wert der Exporte nach Informationen des slowakischen Statistikamtes um 17 Prozent auf fast 95 Milliarden Euro. Höher noch war die Dynamik beim Import, der um gut 24 Prozent auf 98 Milliarden Euro anzog. Hinter dem hohen Defizit standen vor allem preisbedingte Zuwächse der Erdgas- und Erdöleinfuhren, aber auch anderer Vorerzeugnisse.
2020 | 2021 | Januar bis September 2022 | Veränderung2) | |
---|---|---|---|---|
Importe (cif)1) | 73,7 | 87,9 | 79,1 | 24,4 |
Exporte (fob)1) | 75,6 | 87,9 | 75,9 | 18,8 |