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Personalsuche und Personalmanagement
Unternehmen in der Slowakei müssen sich mehr anstrengen, um die Personallücken zu füllen. Doch am Markt gibt es viele Angebote für die Suche nach den richtigen Kandidaten.
24.05.2024
Von Gerit Schulze | Bratislava
Die Suche nach neuen Mitarbeitenden in der Slowakei ist unkompliziert. Es gibt leistungsfähige Webportale zur Jobvermittlung. Namhafte internationale Personalvermittler und Headhunter haben Niederlassungen im Land. Große deutsche Unternehmen setzen deshalb oft auf ihre angestammten Partner, um Spezialisten für ihre slowakischen Werke suchen zu lassen.
Kleinere Firmen wenden sich häufig zunächst an die Deutsch-Slowakische Industrie- und Handelskammer (AHK Slowakei). Diese berät zur Lage und zum Personalangebot am Markt, empfiehlt Personalagenturen und schaltet Stellenanzeigen auf ihrer Webseite oder auf der führenden Plattform Profesia.sk. Die Kammer sichtet auf Wunsch Bewerbungsunterlagen, stellt Rückfragen bei Lücken im Lebenslauf und trifft eine Vorauswahl. Auch bei den Vorstellungsgesprächen kann sie hinzugezogen werden.
Ein erfolgreicher Weg, neue Fachkräfte zu finden, ist die Werbung durch die eigenen Beschäftigten. Dabei können auch finanzielle Anreize helfen, sagt Oliver Schmitt, Geschäftsführer des Personalberaters Teamconsult, der in Tschechien und in der Slowakei aktiv ist.
Für die professionelle Vermittlung von Führungskräften und Spezialisten müssen Unternehmen etwa ein Drittel eines Jahresgehalts an Honorar einplanen. Recruitingagenturen, die meist nur ihre Datenbanken nutzen und keine Direktansprache potenzieller Kandidaten durchführen, verlangen zwischen 20 und 25 Prozent eines Jahresgehalts.
Bewerbungen laufen meist online
Die Bewerbungsprozesse sind weniger formalisiert als in Deutschland. Motivationsschreiben und Referenzen spielen kaum noch eine Rolle. Häufig verschicken Kandidaten lediglich ihr LinkedIn-Profil, um auf sich aufmerksam zu machen. Soziale Medien sind wichtige Kanäle für Stellenangebote. Auch Jobmessen können zum Recruiting genutzt werden.
Größere Industrieunternehmen, die laufend Bedarf an neuen Beschäftigten haben, kooperieren eng mit Bildungseinrichtungen, um Nachwuchs zu finden. Kia zum Beispiel arbeitet mit drei Hochschulen in Bratislava, Žilina und Košice zusammen und versucht dort frühzeitig, Spezialisten für das Unternehmen zu interessieren. Die Koreaner vergeben Stipendien, spendeten Industrieroboter für die Ausbildung und lassen von den Studierenden Motoren in speziell eingerichteten Labors prüfen.
Auch in anderen Branchen sind enge Verbindungen zu Gymnasien, Berufsschulen und Universitäten zur Fachkräftegewinnung wichtig. Firmen bieten außerdem Tage der offenen Tür, Praktika und die Betreuung von Diplomarbeiten an.
Duale Ausbildung macht Fortschritte
Nach einer Gesetzesnovelle im Jahr 2018 nimmt die duale Berufsausbildung an Fahrt auf. Laut Arbeitgeberrat für berufliche Aus- und Weiterbildung (RZOVP) bieten über 1.000 Unternehmen und Organisationen im Land diese Form der Berufsvorbereitung an. Derzeit durchlaufen rund 9.000 Schülerinnen und Schüler die Ausbildung.
Deutsche Firmen in der Slowakei wie Brose, Schaeffler oder Scheidt & Bachmann gehören zu den Vorreitern. Volkswagen betreibt in Bratislava mit einigen Zulieferern eine Duale Akademie. Dort werden Mechatroniker, Automatisierungstechniker, Industrie- und Werkzeugmechaniker ausgebildet.
Die AHK Slowakei hilft deutschen Unternehmen beim Aufbau einer dualen Berufsausbildung. Sie können sich auf diese Weise als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Die betriebliche Ausbildung orientiert sich dabei an deutschen Standards. Die Auszubildenden absolvieren deutsche Facharbeiterprüfungen und erwerben ein deutsch-slowakisches Zertifikat.
Regierung will ungenutzte Potenziale heben
Trotz sinkender Arbeitslosigkeit sind einige Bevölkerungsgruppen bisher nur schwer in Arbeit zu bringen. Für junge Arbeitssuchende, die noch keine feste Beschäftigung hatten, startete das Arbeitsministerium Anfang 2024 das Projekt "Právo na prvé zamestnanie" (Recht auf den ersten Arbeitsplatz). Arbeitgeber bekommen Zuschüsse, wenn sie jugendliche Arbeitslose für mindestens zwölf Monate beschäftigen.
Mit dem nationalen Projekt "Finanzielle Anreize für Beschäftigung" und einem Budget von fast 340 Millionen Euro werden Langzeitarbeitslose, niedrig Qualifizierte, junge Arbeitslose bis 30 Jahre und Menschen mit Behinderungen gefördert. Arbeitgeber können unter anderem einen Zuschuss in Höhe des Existenzminimums (rund 269 Euro) bekommen, wenn sie Arbeitskräfte aus diesen Personengruppen einstellen. Auch Fördermittel für die Einrichtung von barrierefreien Arbeitsplätzen sind geplant.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat der Slowakei empfohlen, mehr Mütter mit kleinen Kindern, Angehörige der Roma-Minderheit, ältere Arbeitskräfte und Geringqualifizierte in Arbeit zu bringen.
Mütter und ältere Menschen ließen sich zum Beispiel über Teilzeitangebote stärker einbinden. Bislang kommen solche Modelle in Stellenausschreibungen kaum vor. Im 4. Quartal 2023 arbeiteten nur 3,9 Prozent der slowakischen Beschäftigten in Teilzeit. Das war hinter Bulgarien, Rumänien und Kroatien der viertniedrigste Wert in der EU.
Beschäftigte wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten
Eine weitere Form der flexiblen Arbeitsgestaltung wäre die Telearbeit, die in der Slowakei aber vergleichsweise wenig verbreitet ist. Nach Angaben von Eurostat arbeiteten 2023 knapp 5 Prozent der Beschäftigten "gewöhnlich" von zu Hause aus. Das war der schlechteste Wert unter den vier Visegrád-Ländern. Der EU-Durchschnitt lag bei 9 Prozent. Bei Frauen ist die Quote mit 4,5 Prozent sogar noch niedriger. Das bietet Arbeitgebern einen guten Hebel, entsprechende Arbeitsplatzangebote zu machen und so neues Personal zu rekrutieren.
Die jüngere Generation legt mehr Wert auf die Work-Life-Balance. Unternehmen mit flexibleren Arbeitszeitangeboten können im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs punkten. Allerdings verhindert der hohe Industrieanteil an der Wertschöpfung in der Slowakei, dass Homeoffice und Teilzeitarbeit sich ähnlich stark durchsetzen wie in Ländern mit höherem Dienstleistungsanteil.