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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Spanien
Spaniens Wirtschaft hat noch nicht wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht. Die Gelder des Aufbau- und Resilienzplans sorgen jedoch für umfangreiche Investitionen.
01.12.2022
Von Oliver Idem | Madrid
Die Erholung der spanischen Volkswirtschaft braucht länger als erwartet. In ihrer aktuellen Herbstprognose geht die EU-Kommission von einem Wachstum von real 4,5 Prozent für 2022 und 1 Prozent für 2023 aus. Dies bedeutet, dass das Vorkrisenniveau nicht vor 2024 erreicht werden kann.
Viele Unternehmen kämpfen mit hohen Energie- und Rohstoffkosten. Mehrere Hersteller von Stahl, Baumaterial und Fahrzeugen reduzierten im Herbst ihre Produktion. Zementhersteller klagen über einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importprodukten. Der Einkaufsmanagerindex von Markit sank im Oktober um 0,4 Punkte auf 48 Zähler.
Erste Indikatoren deuten jedoch auf eine Verbesserung hin. Die Industriepreise wuchsen im Oktober zwar noch um 26,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau. Die Steigerung lag aber rund 20 Prozentpunkte unter dem Spitzenwert von April 2022. Auch die Inflationsrate steigt mittlerweile langsamer. Sie lag im Oktober bei 7,3 Prozent. Allerdings befindet sich die Kerninflation mit 6,2 Prozent weiterhin auf einem hohen Niveau.
Positiv für die wirtschaftliche Entwicklung wirken die 77,2 Milliarden Euro Zuschüsse des Programms Next GenerationEU. Dieses Paket entspricht etwa einem Anteil von 6 Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung.
Die schnelle Umsetzung des Programms ist eine erhebliche Herausforderung. Während sich die Regierung zufrieden zeigt, kommt von Unternehmen und vom Internationalen Währungsfonds Kritik. In deren Fokus stehen das Tempo der Umsetzung und die Transparenz der Informationen.
Mit seinem Potenzial an erneuerbaren Energien kann Spanien in Zeiten der Energiekrise punkten. Auch wenn die jüngsten Auktionen von Wind- und Solarkontingenten hinter den Erwartungen zurückblieben, investieren Unternehmen in neue Anlagen.
Für die Erzeugung von grünem Wasserstoff und alternativen Kraftstoffen aus Biomasse besitzt das Land sehr gute Voraussetzungen. Sechs Regasifizierungsanlagen, große Gasspeicher und die geplante Pipeline nach Frankreich stärken die Rolle Spaniens bei Gas und perspektivisch auch Wasserstoff.
Auch der Wirtschaftsmotor Tourismus läuft wieder rund. Im Sommer 2022 kam die Branche erstmals wieder in die Nähe des Rekordjahres 2019. Noch im September wurden 40 Prozent mehr Hotelübernachtungen gezählt als im Vorjahresmonat. Medien berichten von dem zunehmenden Trend, dass Gäste aus dem Norden in Zeiten hoher Energiekosten die Kanarischen Inseln zum Überwintern nutzen.
Unter anderem der Tourismus sorgt für einen relativ stabilen Arbeitsmarkt. Im 3. Quartal 2022 betrug die Arbeitslosigkeit 12,7 Prozent. Für spanische Verhältnisse seit der Weltfinanzkrise ist das ein solider Wert.
Corona-Altlasten könnten das Staatsbudget belasten. Die Zentralbank wies im Mai 2022 auf Risiken bei der Rückzahlung der Hilfskredite durch Unternehmen hin. Insgesamt flossen 90 Milliarden Euro an staatlicher Unterstützung im Zuge der Coronapandemie und wegen der hohen Energiekosten. Davon könnten laut neuesten Schätzungen bis zu 30 Milliarden Euro nicht zurückgezahlt werden.
Die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank treffen das Land ebenfalls. Die EU-Kommission kritisierte im Mai 2022 ein Ungleichgewicht aus hohen Ausgaben und Schulden. Wegen des strukturellen Defizits forderte sie konkrete Ziele zur Konsolidierung.
Spanien erhält für seinen Aufbau- und Resilienzplan die höchsten Zuschüsse in der EU. Mit 77,2 Milliarden Euro bis 2026 sollen Digitalisierungsprojekte und die nachhaltige Transformation angeschoben werden. Wenn Spanien überdies sämtliche Kreditoptionen ausschöpft, kann das Land weitere etwa 83 Milliarden Euro mobilisieren.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 1.118 | 1.207 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 23.587 | 25.446 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 47,40 | 47,43 | 83,2 |
Die geplanten Projekte versprechen weiterhin günstige Aussichten für den Bausektor und einen erhöhten Ausrüstungsbedarf. Im bisherigen Jahresverlauf erwiesen sich die Investitionen bereits als verlässlicher Wachstumsmotor.
Die Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen beschleunigte sich im 3. Quartal 2022 auf 6,7 Prozent. Die Bauinvestitionen gewannen ebenfalls an Schwung und nahmen um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Neues Stadtviertel im Norden von Madrid Madrid Nuevo Norte | 25.000 (öffentlich und privat) | Das Areal soll ca. 2,7 Mio. qm für gemischte Nutzung haben: 10.500 Wohnungen, Büros, Handel und Dienstleistungen; erste Arbeiten haben im November 2022 begonnen; Bauzeit circa 20 Jahre | Betreibergesellschaft Crea Madrid Nuevo Norte |
Neues Stadtviertel im Süden von Madrid Valdecarros | 7.500 | Im Genehmigungsprozess; Erschließungsarbeiten für die ersten Bauphasen mit 13.500 Wohnungen angefangen; geplanter Beginn der Bauarbeiten für die erste Phase soll das 2. Quartal 2023 und für die zweite und dritte Phase 2024 sein; das gesamte Projekt mit 8 Bauphasen soll über 50.000 Wohnungen umfassen, darunter 25.000 Sozialwohnungen und soll bis 2039 laufen | Wichtigste Immobilienentwickler sind: Zapata, Pryconsa, Oncisa und die Familie Fernández de Córdoba |
Verbindung Schnellzuglinien zwischen Murcia-Almeria und Granada | 6.743 | Ausbau des Mittelmeer-und Atlantik-Bahnkorridors; schrittweise Ausschreibungen | Laufende Aufträge online abrufbar |
Verbindung Schnellzuglinien zwischen Santander und Bilbao | 2.500 | 100 km Strecke zur Verbindung beider Städte mit den Mittelmeer-Korridor; in der Planungsphase. Gemischte Nutzung für den Güter- und Personenverkehr vorgesehen | Laufende Aufträge online abrufbar |
Neues Stadtviertel im Süden von Madrid Los Berrocales | 5.279 | Drittgrößter Städtebauplan Spaniens in sechs Bauphasen bis 2030 aufgeteilt; Erschließungsarbeiten der ersten Wohnsiedlung angefangen. Baugenehmigung der Phase 3 erteilt. Beide umfassen 10.000 neue Wohnungen. Bauzeitspanne von 2023 bis 2025. Geplant sind insgesamt 22.000 neue Wohnungen, Industriegebäude, Logistikzentren und Büros | Erschließungsarbeiten der ersten Bauphase an Baukonzern Fomento de Construcciones y Contratas (FCC) vergeben |
Anlage zur Wasserstoffproduktion | 2.300 | Der Wasserstoff aus der geplanten Fabrik soll einen Hochofen versorgen, um 2 Mio. Tonnen "grünen" Stahl pro Jahr herzustellen; Ankündigung im Dezember 2021; Standort bleibt offen. Geplante Inbetriebnahme 2025 oder 2026 | Konsortium Iberdrola und H2 Green Steel |
Immobilienplan für die Flughäfen Madrid-Barajas und El Prat (Barcelona) | 2.250 | Die Erweiterung der Flughäfen verzögert sich bis 2026 | Flughafen-Betreibergesellschaft AENA |
Espai Barça, Sanierung des Fußballstadions Camp Nou von FC Barcelona | 1.500 | Baugenehmigung ist erteilt; vorgesehener Baubeginn Sommer 2023; das Projekt soll in mehrere Aufträge aufgeteilt werden | Erweiterung des Stadions, Umbau der Umgebung und Neubau einer Sportanlage "Palau Blaugrana". Die Kriterien Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollen im Vordergrund stehen |
Neues Hafenterminal Nord, Puerto de Valencia | 1.100 | Drei Phasen von 2021 bis 2027; Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) gebilligt; Erschließungsprojekt für die Wohnsiedlung Nazaret Este (Plan Especial de la Zona Sur 1) wird vorbereitet | In den Neubau und die Sanierung sollen erneuerbare Energien einbezogen und die intermodalität verbessert werden Hafengesellschaft Valenciaport; TiL Group |
Technologiepark und Logistikplattform Alma Henares in Meco und Azuqueca (Region Madrid/Kastilien-La Mancha) | 1.000 | Erschließungsarbeiten 2023 vorgesehen; für rund die Hälfte der Kapazität haben sich bereits Interessenten gemeldet. Die Supermarktkette Mercadona und der Technologiekonzern Microsoft haben ein Logistik- und ein Rechenzentrum angekündigt | Projektentwickler Dunas Capital; 3,5 Mio. qm Industrieflächen zur Erweiterung des jetzigen Industriegürtels von Meco (Madrid) |
Für Ausschreibungen der öffentlichen Hand existiert eine zentrale Internetplattform, unter der auch eine englische und eine französische Sprachversion verfügbar sind.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Der private Konsum schwächte sich ab, lag jedoch im 3. Quartal 2022 mit einem Wachstum von 1,4 Prozentpunkten (2. Quartal: +2,4 Prozent) immer noch über der von Nachholeffekten geprägten hohen Basis des Vorjahreszeitraums. Im Oktober ging die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 7,3 Prozent zurück.
Durch den Preisauftrieb von 15,4 Prozent bei Nahrungsmitteln und Getränken müssen jedoch viele Haushalte weiter vorsichtig wirtschaften. Anhand der Erfahrungen aus den vergangenen Monaten dürfte im Weihnachtsgeschäft weniger Geld ausgegeben werden als 2021.
Der Auftrieb bei den Zinsen wirkt sich in Spanien besonders stark aus. Viele Immobilien werden mit variabel verzinsten Hypothekendarlehen finanziert. Die Regierung hat für besonders betroffene Haushalte eine Regelung beschlossen, um die Zahlungen zeitlich zu strecken.
Der Außenhandel mit Waren verzeichnete in den ersten drei Quartalen 2022 eine außerordentlich hohe Dynamik. Das Industrieministerium ging jedoch im November davon aus, dass vier Fünftel der Zuwächse auf Preiseffekte entfielen.
Durch die enge weltwirtschaftliche Vernetzung Spaniens hängt die weitere Entwicklung auch von wichtigen Partnerländern ab. Weitere Corona-Lockdowns in China könnten sich negativ auf die Importe von dort auswirken. Zudem beobachten spanische Unternehmen aufmerksam die wirtschaftliche Entwicklung ihrer zentralen Absatzmärkte Frankreich, Deutschland und Italien.
2020 | 2021 2 | 2022 2 | Veränderung 2022/2021 2 | |
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Importe | 276,9 | 243,2 | 340,1 | 39,8 |
Exporte | 316,6 | 230,0 | 286,7 | 24,7 |