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Wirtschaftsausblick | Türkei

Türkei zwischen wirtschaftlicher Erholung und Unsicherheiten

Die Inflation geht zurück, und die Geldpolitik greift. Trotzdem herrscht Unsicherheit: Die Wirtschaft bleibt anfällig, und viele Unternehmen sind vorsichtig.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum hält, Stabilität bleibt fragil

Laut Internationalem Währungsfonds dürfte die türkisch Wirtschaft 2026 nach einem geschätzten Plus von 3,5 Prozent im Jahr 2025 auf ähnlichem Niveau ansteigen. Konsum und Exporte bleiben die zentralen Treiber. Die restriktive Wirtschafts- und Geldpolitik zeigt erste Erfolge: Die Inflation sinkt langsam, das Vertrauen in die Lira hat sich verbessert, und die Devisenreserven wurden aufgefüllt.

Doch Risiken bleiben bestehen. Die türkische Wirtschaft ist weiterhin anfällig für externe Schocks wie Energiepreise, Investorenverhalten und geopolitische Krisen. Zwar dürfte die vergleichsweise straffe Wirtschafts- und Geldpolitik noch bis weit in das Jahr 2026 anhalten. Werden die Wahlen vorgezogen (derzeit geplant für Mai 2028), ist eine Lockerung der Fiskal- und Geldpolitik wahrscheinlich. Dies würde den privaten und staatlichen Konsum beleben, zugleich aber die Inflation wieder anheizen, die Lira unter erheblichen Abwertungsdruck setzen und die bislang erzielten Stabilisierungserfolge gefährden.

Ereignisse wie die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters im März 2025 werden von Unternehmen mit Sorge beobachtet: Sie beeinträchtigen das Vertrauen in den Standort und belasten zugleich die positiven Trends bei Inflation und Wechselkurs.

Schwache Währung bringt begrenzte Exportimpulse

Die aktuell schwache Lira verschafft türkischen Exporteuren zwar Vorteile, verteuert jedoch die Einfuhr von Rohstoffen und Vorprodukten und belastet damit die stark importabhängige Industrie. Trotz der Abwertung sehen viele Experten die Lira weiterhin als überbewertet.

Hinzu kommt die schwächere Nachfrage in wichtigen Märkten wie der EU, was die Ausfuhren im Jahr 2026 voraussichtlich bremst. Von Januar bis Oktober 2025 stiegen die Exporte lediglich moderat um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während die Importe um 6 Prozent zulegten. Mit einem EU-Anteil von rund 40 Prozent an den türkischen Ausfuhren bleibt der CO-Grenzausgleich der EU (CBAM) für viele Exporteure ein zentrales Thema.

Konsumieren statt Sparen

Die Inflation hat die reale Kaufkraft der privaten Haushalte geschwächt. Gehaltserhöhungen gleichen Verluste nur kurzfristig aus. Trotz Rückgang bleibt die Teuerung hoch. Dies begünstigt den Konsum, da Sparen für viele Haushalte kaum attraktiv ist. Zum Jahreswechsel wird eine Mindestlohnerhöhung erwartet, die Konsum stützen, aber auch die Inflation erneut anheizen könnte.

Die Inflationsrate sank von 49 Prozent im Oktober 2024 auf 33 Prozent im Oktober 2025. Auch Kennzahlen wie die Produzentenpreise signalisieren weitere Entspannung. Seit Anfang 2025 senkte die Zentralbank die Leitzinsen, um die Inflation weiter zu reduzieren. Die Senkung erfolgte jedoch nur langsam, von 47,5 Prozent auf 39,5 Prozent (Stand: 24. Oktober 2025). Damit blieb die Zentralbank hinter den Erwartungen zurück, die deutlich stärkere Zinssenkungen und günstigere Kredite erhofft hatten.

Top-Thema: Finanzierungsengpässe bremsen wirtschaftliche Aktivitäten

Besonders kleine und mittelständische Unternehmen in der Türkei haben es weiterhin schwer. Neben den hohen Leitzinsen verschärft eine anhaltend restriktive Kreditvergabe die Finanzierungsschwierigkeiten. Hinzu kommt die schwache Lira, die nicht nur Vorprodukte verteuert, sondern auch die Aufnahme und Bedienung von Fremdwährungskrediten belastet. Die hohe Wechselkursvolatilität erschwert langfristige Planungen und verlässliche Kostenkalkulationen. Gleichzeitig sind die Lohnkosten deutlich gestiegen.

Neue Investoren bleiben zurückhaltend 

Einige Unternehmen planen trotz schwieriger Bedingungen Kapazitätserweiterungen, vor allem exportorientierte Firmen. Neue ausländische Investoren bleiben jedoch zurückhaltend. Eine wichtige Ausnahme bildet die Automobilindustrie. Dank der Zollunion mit der EU ist die Türkei ein attraktiver Produktionsstandort für den europäischen Markt. Entsprechend investieren ausländische Konzerne – insbesondere aus China – in der Türkei verstärkt in die Elektromobilität.

Von Januar bis August 2025 meldete die türkische Statistik ausländische Direktinvestitionen in Höhe von 7,5 Milliarden US-Dollar (US$). Die Angaben erfassen gemeldete Vorhaben, nicht immer umgesetzte Projekte. Die größten ausgewiesenen Zuflüsse kamen aus den Niederlanden, Luxemburg, Deutschland, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Deutschland bleibt damit ein bedeutender Investor in der Türkei. Ende August 2025 waren laut türkischer Statistik 8.506 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung im Land registriert. Von Januar bis August 2025 wurde zudem ein Zufluss an Direktinvestitionen aus Deutschland in Höhe von 443 Millionen US$ ausgewiesen (2024: 773 Millionen US$).

Staatliche Investitionen kommen auf den Prüfstand

Finanzminister Şimşek hat den öffentlichen Institutionen ein striktes Sparprogramm auferlegt. In das öffentliche Investitionsprogramm werden nur noch zwingend notwendige Projekte aufgenommen. Auch laufende Vorhaben werden zunehmend auf ihren Bedarf und ihre Priorität hin überprüft.

Deutsche Perspektive: Marktchancen unter Druck

Türkische Importeure reagieren aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten und der schwachen Lira besonders preissensitiv. Dies verschlechtert die Wettbewerbsposition deutscher Anbieter. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen legten die Importe der Türkei aus Deutschland von Januar bis Oktober 2025 um kräftige 11 Prozent im Jahresvergleich auf 25 Milliarden US$ zu, während die türkischen Gesamtimporte nur um 6 Prozent stiegen. Vor allem die Lieferungen von Kfz und Kfz-Teilen legten stark zu. Deutschland belegte damit Rang 3 der wichtigsten Lieferländer, hinter China (+9 Prozent auf 41 Milliarden US$) und dem Energielieferanten Russland (stabil bei 36 Milliarden US$). 

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