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Wirtschaftsausblick | Vietnam
Nach der kräftigen Erholung von den Pandemieauswirkungen wird sich das Wachstum 2023 abschwächen. Zwar steigt der Konsum, aber der Export leidet unter der sinkenden Nachfrage.
15.12.2022
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Nach pandemiebedingten, harschen Ausgangssperren und einem schwachen Wachstum im Jahr 2021 hat die vietnamesische Wirtschaft 2022 einen immensen Aufschwung erlebt. Konsum, Investitionen und Industrieproduktion haben sich stark erholt. Seit Mitte 2022 vermelden aber wichtige Exportsektoren einen Rückgang der Auslandsorder durch die sinkende Nachfrage auf den bedeutenden Märkten USA und Europa.
Der PMI Manufacturing Index, der die Geschäftsstimmung in der Industrie erfasst, fiel für Vietnam im November 2022 zum ersten Mal seit 13 Monaten auf 47 Zähler. Werte unter 50 deuten auf eine fallende Produktion hin. Hersteller von Elektronik, Bekleidung und Schuhen sowie Möbeln haben nach Zeitungsmeldungen zuletzt Mitarbeiter entlassen oder beurlaubt und die Produktion gedrosselt.
Die Nachfrageschwäche auf Auslandsmärkten dürfte vor allem das Wachstum im Jahr 2023 dämpfen. Für 2022 hält die Regierung an ihrer Prognose von mindestens 8 Prozent realem Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt fest. Auch Wirtschaftsexperten erwarten mit 7 bis 8 Prozent ähnliche Werte. Durch robuste Konsumausgaben könnte das Wachstum 2023 etwa 5 bis 6 Prozent erreichen. Die Unsicherheiten sind dennoch groß. Stärkere Corona-Einschränkungen in China können den Exportsektoren weitere Probleme bereiten, da viele Vorprodukte aus dem Reich der Mitte kommen. Gleichzeitig ist eine wirtschaftliche Erholung in wichtigen Exportmärkten derzeit nicht absehbar.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat auch in Vietnam zu höheren Rohstoffpreisen geführt. Aber die Inflation scheint vorerst unter Kontrolle zu sein. Für 2022 prognostizieren Experten unter 4 Prozent. Eine stärkere Aufwertung des US-Dollars (US$) gegenüber dem vietnamesischen Dong würde die Importpreise und dadurch die Inflation antreiben. Dies könnte 2023 den Konsum schwächen. Trotzdem fließen weiterhin Auslandsinvestitionen ins Land und die Mittelschicht wird größer. Daher dürfte das Land in den kommenden fünf Jahren weiter Wachstumsraten von 6 bis 7 Prozent pro Jahr erreichen können.
Indikator | 2021 | 2022* | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 362,6 | 404,3 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 3.694 | 4.055 | 51.214 |
Bevölkerung (Jahresdurchschnitt, Mio.) | 98,5 | 99,7 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt 1 US$ = ... Dong) | 23.160 | - | - |
Die staatlichen Investitionen und die Zuflüsse an ausländischen Investitionen haben 2022 kräftig zugelegt. Aber die Finanzierungsbedingungen für inländische Firmen haben sich gleichzeitig verschlechtert. Dies dürfte ihre Investitionstätigkeit im Jahr 2023 bremsen. Umsatzausfälle durch Corona-Lockdowns haben viele Firmen finanziell geschwächt. Hinzu gekommen sind 2022 Zinssteigerungen durch die Zentralbank, die fallende Exportnachfrage und Skandale, die eine Vertrauenskrise auslösten. Zwar betrafen letztere vor allem den Immobiliensektor, strahlten aber auf viele Wirtschaftssektoren aus.
Zudem hat die Regierung im Jahr 2022 als Konjunkturmaßnahme staatliche Infrastrukturinvestitionen erhöht. Die staatlichen Investitionen lagen im Zeitraum Januar bis November 2022 nominal um fast 20 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Von 2021 bis 2025 sind etwa dreimal so hohe staatliche Infrastrukturinvestitionen geplant als im vorangegangenen Fünfjahreszeitraum. Aber die Umsetzung blieb bisher weit hinter den Zielvorgaben zurück.
Die Zuflüsse an Auslandsinvestitionen liegen wieder über dem Vorkrisenniveau von 2019. Mit etwa 20 Milliarden US$ stiegen sie im Jahresverlauf bis zum 20. November 2022 um 15 Prozent gegenüber demselben Vorjahreszeitraum. Die vietnamesischen Behörden registrierten allerdings wertmäßig 5 Prozent weniger geplante ausländische Direktinvestitionsprojekte, Kapitalaufstockungen und Aktienkäufe. Das liegt vor allem daran, dass viele Investoren im Energiesektor auf eine neue Regierungsstrategie warten. Bei Nichtberücksichtigung der Energieprojekte steigen die registrierten Auslandsinvestitionen um über 10 Prozent und die Anzahl der Vorhaben um fast 16 Prozent. Die Investitionen im Energiesektor dürften zwar erst 2024 wieder anziehen, dann aber kräftig.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) * | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Nord-Süd Bahnlinie, 1.545 km; 1. Phase von Hanoi bis Vinh und von Nha Trang bis Ho Chi Minh City bis 2032; 2. Phase von Vinh bis Nha Trang bis 2050 | 58.710 | Vorschlag des Transportministeriums an das Politbüro im November 2022 | Noch unklar |
Nord-Süd Autobahn (North-South Expressway), 2. Phase: 729 km | 6.412 | Baustart der zwölf Projekte der 2. Phase im Dezember 2022; Fünf Teilstrecken der 1. Phase sollen Ende 2022 fertig werden | Finanzierung der 2. Phase: Staatsbudget 5.666 Mio. US$, private Investoren: 746 Mio. US$ |
Long Thanh Internationaler Flughafen, Provinz Dong Nai | 5.450 | Baustart 2020, Fertigstellung der 1. Phase für 25 Millionen Passagiere im Jahr 2025 geplant | Finanzierung durch Staatsbudget; Umsetzung durch ACV und VATM |
Offshore Windkraftwerk, Provinz Binh Dinh | 4.600 | Memorandum of Understanding mit Binh Dinh Committee im November 2022 unterschrieben, Baubeginn geplant: 2024, Kapazität: 2.000 Megawatt | |
Ringstraße 4, Hanoi Stadt, Provinz Bac Ninh und Hung Yen | 3.705 | Investition im Juni 2022 genehmigt, Baustart geplant: Juni 2023, Fertigstellung 2027, Länge: 112,8 km | Finanzierung durch Staatsbudget, verschiedene Lose |
Ringstraße 3, Ho Chi Minh City, Provinz Dong Nai, Binh Duong und Long An | 3.255 | Investition im Juni 2022 genehmigt, Baustart geplant: Juni 2023, Fertigstellung 2026; Länge: 76,3 km in fünf Teilabschnitten | Finanzierung durch Staatsbudget, verschiedene Lose |
Long Son Stahlkomplex (5,4 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr), Provinz Binh Dinh | 2.310 | Investition im November 2022 genehmigt, Fertigstellung für 1. Phase geplant im 1. Quartal 2026 | Long Son Phu My Iron and Steel JSC |
Ausbau der Produktion von Handybildschirmen, Hai Phong | 2.150 | Investitionserweiterung, Lizenz für Erweiterung um 750 Millionen US$ seit Februar 2021, Lizenz für Erweiterung um 1.400 Millionen US$ seit August 2021 | |
Flüssigerdgaskraftwerk Quang Ninh, Provinz Quang Ninh (1.500 Megawatt) | 2.029 | Investition im Oktober 2021 genehmigt, Fertigstellung geplant: 2027 | PV Power (Vietnam), Marubeni Corp. (Japan) und Tokyo Gas Co. Ltd (Japan) |
Samsung Electro-Mechanics Vietnam, Provinz Thai Nguyen | 920 | Investitionserweiterung unter anderem für Halbleiterproduktion, Produktion soll im Juli 2023 starten |
Öffentliche Ausschreibungen werden in vietnamesischer Sprache auf dem Tender-Portal des Ministeriums für Planung und Investitionen veröffentlicht. Germany Trade and Invest informiert regelmäßig über aktuelle geberfinanzierte Entwicklungsprojekte sowie konkrete Ausschreibungen.
Der Konsum hat sich stark erholt. Die vietnamesischen Einzelhandelsumsätze lagen im Zeitraum Januar bis November 2022 nominal um fast 15 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraums – und das bei einer Inflationsrate, die 2022 unter 3,5 Prozent bleiben dürfte. Im Jahr 2023 könnten Entlassungen aufgrund der Nachfrageschwäche auf Exportmärkten den Konsum bremsen. Gleichzeitig werden weiter Fabriken eröffnet und der Zuzug in die Städte hält an. Impulse kommen 2023 wahrscheinlich auch von einer Erholung des Tourismus. Die Rückkehr chinesischer Reisender, die 2019 noch ein Drittel der Auslandstouristen ausmachten, ist ungewiss, aber der Zustrom aus anderen Herkunftsländern soll wieder deutlich zulegen.
Marktforscher prognostizieren eine Verdopplung der Mittelschicht bis 2030 sowie eine Verdopplung besonders wohlhabender Haushalte bis 2026. Gekoppelt mit dem Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und der EU eröffnet dies gute Chancen für deutsche Anbieter hochwertiger Konsumgüter.
Die schwächere Nachfrage aus den USA, China und Europa hat im November 2022 die Ausfuhren zum ersten Mal seit September 2021 zurückgehen lassen. Gleichzeitig sinken in der stark exportorientierten vietnamesischen Wirtschaft, die viele Vorprodukte aus dem Ausland bezieht, auch die Importe. Verbände in Vietnam erwarten keine Erholung der Exportzahlen vor dem 2. Quartal 2023. Neue Fabriken werden die Nachfrageschwäche aber teilweise auffangen.
2019 | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|---|
Importe | 253,7 | 262,8 | 332,8 | 26,6 |
Exporte | 264,3 | 282,6 | 336,2 | 19,0 |