Branchen | Brasilien | Chemische Industrie
Markttrends
Hohe Weltmarktpreise treiben den Wert der Chemieimporte und die Produktionskosten in die Höhe. Klimaschutz spielt bei Dünger und Kraftstoffen eine zunehmend wichtige Rolle.
05.05.2023
Von Gloria Rose | São Paulo
Importwert und Umsatz von Industriechemikalien liegen so hoch wie nie
Hohe Weltmarktpreise in Verbindung mit einer stark abgewerteten Währung verteuern Chemikalien auf dem brasilianischen Markt. Seit August 2022 geht die Importmenge von Monat zu Monat zurück. Im Jahr 2022 war die Einfuhrmenge 5 Prozent niedriger als im Vorjahr. Der Importwert hingegen nahm um fast 40 Prozent zu und liegt nun nahezu doppelt so hoch wie in den Jahren 2018 bis 2020. Damit stieg das Handelsbilanzdefizit mit Industriechemikalien um 44 Prozent auf eine neue Rekordmarke von 50,2 Milliarden US-Dollar (US$) an.
Der Umsatz mit Industriechemikalien zog um 25 Prozent an und erreichte einen neuen Rekordwert von 88,3 Milliarden US$. Die Preisentwicklung schlug auch auf chemische Endprodukte durch, sodass der Gesamtumsatz der chemischen Industrie in Brasilien um 27 Prozent auf einen neuen Höchstwert von 187 Milliarden US$ anstieg.
Brasiliens Industrie produzierte 2022 etwas weniger Industriechemikalien als im Vorjahr. Die Produktionskapazitäten werden schon seit langem suboptimal ausgelastet: im Jahresdurchschnitt 2022 nur zu etwa 70 Prozent, und damit deutlich unter der wirtschaftlich sinnvollen Mindestauslastung von 80 Prozent. Um die hohe und stark steigende Importabhängigkeit bei Basischemikalien zu drosseln, muss die Regierung für Vorhersehbarkeit sorgen und Investitionsanreize setzen.
Düngerproduzenten setzen auf Nachhaltigkeit
Für den Düngemittelsektor legte die Regierung im März 2022 ein Förderprogramm auf. Brasiliens Hersteller investieren bereits und achten dabei verstärkt auf den CO₂-Fußabdruck ihrer Düngemittel. Die Petrochemiegruppe Unigel pachtete zwei Stickstoffdünger-Anlagen des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras in Laranjeiras (Sergipe) und in Camaçari (Bahia) und nahm den Betrieb im Jahr 2021 auf. Seit Mitte 2022 errichtet Unigel am Standort Camaçari Brasiliens erste Elektrolyseanlage zur Produktion von Ammoniak aus grünem Wasserstoff im Industriemaßstab. Ab 2024 soll die Anlage 60.000 Tonnen Ammoniak pro Jahr erzeugen. Bis 2025 wird die Kapazität dann vervierfacht. Dagegen setzt der norwegische Konzern Yara auf Biomethan und schloss langfristige Lieferverträge mit dem Bioethanolkonzern Raízen.
Die Zukunft von zwei weiteren Stickstoffdünger-Anlagen von Petrobras ist noch nicht geklärt. Gegebenenfalls wird der Konzern die Anlage UFN III in Três Lagoas (Mato Grosso do Sul) selbst fertigstellen und in Betrieb nehmen. Das Werk in Araucária (Paraná) ist bereits seit dem 1. Halbjahr 2020 außer Betrieb.
Markt für Agrarchemie wird weiter wachsen
Nach zwei schlechteren Erntejahren soll das Jahr 2023 neue Rekordzahlen bringen, was die Gesamtkonjunktur stützen dürfte. Das Wirtschaftsinstitut FGV erwartet, dass die Wertschöpfung des Agrarsektors um 8 Prozent zulegen wird. Sorgen bereiten jedoch die stark gestiegenen Kosten.
Mit bis zu drei Ernten pro Jahr und stets wachsenden Anbauflächen bleibt Brasilien der weltweit wichtigste Markt für Pflanzenschutzmittel. Im Jahr 2022 stieg der Branchenumsatz gerechnet in US-Dollar um 38 Prozent auf 20,7 Milliarden US$ an. Laut Branchenverband Sindiveg führten hohe Preissteigerungen bei den zu 90 Prozent importierten Wirkstoffen zu einer Kostensteigerung pro Hektar um 28 Prozent. Für 2023 prognostizieren Branchenexperten eine erneute Ausweitung der behandelten Agrarflächen und somit eine weiter steigende Nachfrage.
Aufgrund von Lieferkettenstörungen brachen der Import und Verkauf von Düngemitteln 2022 um über 10 Prozent ein. Doch bereits in diesem Jahr soll sich der Absatz erholen und ab 2024 wieder neue Rekordmarken über den 39 Millionen Tonnen aus dem Jahr 2021 aufstellen. Preissenkungen treiben die Nachfrage zum Jahresbeginn 2023 in die Höhe.
Nach dem Rekordjahr für Immobilienfarben, die über 80 Prozent des Verkaufsvolumens des Sektors ausmachen, ging der Absatz von Farben und Lacken 2022 um 4 Prozent zurück. Für 2023 prognostiziert der Branchenverband Abrafati einen leichten Anstieg um 2 Prozent, gefolgt von einem erneuten Rückgang in den Folgejahren 2024 und 2025. Der Markt für Kfz-Reparaturlacke sowie für Industriefarben und -lacke legte um 1,4 respektive 2,2 Prozent zu. Trotz eines Plus von 6,5 Prozent erreichte das Segment Fahrzeuglacke an Original Equipment Manufacturer (OEM-Hersteller) noch lange nicht das Vorkrisenniveau von 2019 und wird voraussichtlich auch 2023 schwächeln.
Wachstumskurs für Biokraftstoffe ist vorgezeichnet
Aufgrund von Steuererleichterungen für Benzin und starker Preisschwankungen bei Bioethanol tankten die Haushalte 2022 mehr Benzin. Der Benzinverbrauch stieg um 9,5 Prozent auf 43 Milliarden Liter, während die Nachfrage nach Bioethanol um 7,5 Prozent auf 15,5 Milliarden Liter zurückging. Für 2023 erwartet die Zucker-Ethanol-Industrie eine günstigere Preisrelation zum Benzin und ein Absatzwachstum von 5,4 Prozent. Angetrieben durch das Agribusiness legte der Dieselkonsum nach dem starken Wachstum im Vorjahr erneut um 2 Prozent zu. Auch für 2023 und 2024 erwartet das Segment Zuwächse von 3,1 beziehungsweise 1,5 Prozent.
Brasilien will seine Vorreiterrolle bei Biokraftstoffen für die Energiewende nutzen. Über den Handel mit den Emissionszertifikaten CBios erwirtschaften die Produzenten von Biokraftstoffen seit 2020 zusätzliche Erlöse. Das gilt nicht nur für die traditionelle Zucker-Ethanol-Industrie, sondern auch für Anlagen, die Mais nutzen. Letztere produzieren mittlerweile fast 20 Prozent des Bioethanols in Brasilien. Bis 2030 soll die jährliche Produktion von Ethanol-Kraftstoff aus Mais auf 10 Milliarden Liter zulegen.
Der Beimischungsanteil von Biodiesel wurde in der Pandemie von 13 auf 10 Prozent gesenkt. Ab April 2023 wird der Anteil auf 12 Prozent angehoben. Danach steigt der Wert pro Jahr um einen Prozentpunkt, bis er im April 2026 das Niveau von 15 Prozent erreicht.
Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Brasilien (Investitionssumme in Millionen US-Dollar)
Akteur / Projekt | Investitionssumme *) | Projektstand |
---|---|---|
Unigel / Werk zur Produktion von Ammoniak aus grünem Wasserstoff in Camaçari (Bahia) | 1.500 | Ankündigung im August 2022; Ausbau in 3 Phasen: bis Ende 2023: 60 MW, bis Ende 2025: 240 MW, bis Ende 2027: 600 MW |
Atlas Agro Brasil Fertilizantes / Bau einer Düngemittelfabrik in Uberaba (Minas Gerais) | 969 | Baubeginn im 1. Halbjahr 2024 |
Petrobras / Investitionspaket zur Steigerung der Produktion und Energieeffizienz in der Raffinerie Paulínia (São Paulo) | 500 | Ankündigung im Mai 2022 |
Oil Group / Raffinerie in Porto do Açu (Rio de Janeiro), Kapazität: 20.000 Barrel pro Tag | 300 | Baubeginn Juli 2021, Inbetriebnahme 2024 |
Mosaic / Abbau von Sylvinit zur Gewinnung von Kalisalzen für die Düngerproduktion im Komplex Taquari-Vassouras in Rosário do Catete (Sergipe) | 155 | Installation der Maschinen für 2024 geplant |
Tiasa / Titandioxid-Fabrik am Petrochemiestandort in Camaçari (Bahia) | 48 (+ weitere 146 in der 2. Phase) | Baubeginn im 1. Halbjahr 2022, Inbetriebnahme 1. Phase: Anfang 2023; Inbetriebnahme der 2. Ausbauphase 2027 |
CAPE Participações (in Kooperation mit Chlorum Solutions) / Bau einer neuen Chlor-Alkali-Anlage in Igarassu bei Recife (Pernambuco) | 56 | Inbetriebnahme 2025 |
Unipar / Installation einer Chloranlage in Camaçari (Bahia) | 27 | Inbetriebnahme 2024 |