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SlowakeiKonjunktur / Investitionsklima / Kaufkraft, Konsumverhalten / Außenhandel, Struktur
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick | Slowakei
Die exportorientierte Volkswirtschaft hat gelernt, unter Pandemiebedingungen zu produzieren. Aufbaumittel der Europäischen Union sollen die Erholung stützen.
05.01.2021
Von Miriam Neubert | Bratislava
Nach einer zehnjährigen Wachstumsphase ist die slowakische Wirtschaft 2020 durch das Coronavirus und seine Implikationen zurückgeworfen worden. In der Summe der ersten drei Quartale ließ der inländische Verbrauch real aber nur um 1,3 Prozent nach. Bruttoanlageinvestitionen und Exporte brachen um je 10 Prozent ein.
Die Slowakische Nationalbank hat ihre Mitte Dezember 2020 veröffentlichte Prognose deutlich nach oben korrigiert. Demzufolge dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 5,7 Prozent zurückgegangen sein. Mit einem Plus von 5,6 Prozent 2021 könnte es bereits an den Vor-Corona-Stand anschließen. Die Europäische Kommission war in ihrer Novemberprognose mit einem Minus von 7,5 Prozent für das Jahr 2020 und einem Plus von 4,6 Prozent 2021 weniger optimistisch.
In der kleinen und extrem exportorientierten Volkswirtschaft, die von der prozyklischen Autoindustrie abhängt, schlagen sich äußere Einflüsse sehr schnell nieder - im Guten wie im Schlechten. Sehr negativ reagierte sie zu Beginn der Krise, als die Grenzen schlossen und die Nachfrage einbrach; erstaunlich positiv im Sommer, als der Exportmotor wieder ins Laufen kam. Im 3. Quartal lag das BIP nur noch um 2,4 Prozent unter dem Vorjahresquartal, weil neben der Auslandsnachfrage auch der private Verbrauch zunahm. Die ungünstige Infektionslage führte im Oktober jedoch zu neuen Einschränkungen, die besonders den Dienstleistungssektor trafen und im Dezember in einen Lockdown mündeten. Die Industrie war zu keiner Zeit von Verboten direkt betroffen.
Der Wirtschaftsrückgang, beschäftigungserhaltende und andere Stützungsmaßnahmen belasten den Haushalt des Eurolandes. Das Defizit könnte 2020 auf 6,6 Prozent des BIP steigen, schätzt die Slowakische Nationalbank. Die Schuldenstandquote wird an die kritische Grenze von 60 Prozent des BIP heranwachsen.
Indikator | 2018 | 2019 | Vergleichsdaten Deutschland 2019 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 89,5 | 93,9 | 3.449,1 |
BIP pro Kopf (Euro) | 16.440 | 17.210 | 41.508 |
Bevölkerung (Mio., im Jahresdurchschnitt) | 5,4 | 5,5 | 83,1 |
Nachfrageschock und Unsicherheit in Folge der Pandemie haben 2020 viele Investitionen zurückgehalten. Besonders betroffen waren die Anlagen in Transportmittel, gefolgt von Maschinen, aber auch Tiefbauten. Die Wohnungsinvestitionen könnten sich positiv gehalten haben, weil der Bedarf ungestillt ist. Die Nationalbank sieht die Bruttoanlageinvestitionen real um 10,9 Prozent zurückgehen, aber 2021 um 9,3 Prozent dynamisch wachsen. Zwar begann 2021 durch den anlaufenden Impfprozess mit einer optimistischen Note. Doch ehe dieser breiter greift, wird die Ungewissheit auf den Investitionen lasten.
Das Erneuerungspaket der Europäischen Union (EU) könnte ab dem 2. Halbjahr 2021 das investive Geschehen unterstützen. Der Slowakei stehen allein aus der Aufbaufazilität 5,8 Milliarden Euro zu, die bis 2026 abzurufen sind. Dem damit verbundenen Programm "Moderne und erfolgreiche Slowakei" zufolge könnten allein in die grüne und saubere Zukunft 1,9 Milliarden Euro fließen - besonders in den Ausbau des Schienenverkehrs und die Senkung der Gebäudeemissionen. Die Digitalisierung der Verwaltung und der Krankenhäuser ist ein weiterer Schwerpunkt.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
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Black Horse – Wasserstoffinfrastruktur in Košice und generell in den vier Visegrad-Staaten | 6.000 insgesamt | Fertigstellung bis 2030 | |
Erweiterung der Kfz-Produktion um neue Modelle | 1.000 | Vorbereitungen; Produktion ab 2023 | |
740 | Machbarkeitsstudie | ||
Modernisierung des Flusshafens Komárno | 310 | Erste Überlegungen und Vorbereitungsplanungen | |
Modernisierung der Eisenbahnstrecke Devínska Nová Ves – Staatsgrenze Slowakei/Tschechien | 275 | Vertrag unterschrieben | Železnice Slovenskej republiky |
New Istropolis - Bau eines Kultur- und Kongresszentrums in Bratislava | 250 | Investitionsabsicht veröffentlicht | |
Werk zur Produktion von Karosserien in der Region Pováží | 250 | Baugenehmigung beantragt; Produktion ab 2027 | |
Modernisierung, Elektrifizierung und Erhöhung der Geschwindigkeit der Eisenbahnstrecke Zvolen-Fiľakovo | 235 | Baubeginn 2025; Fertigstellung 2029 | Železnice Slovenskej republiky |
Multimodal-Logistikzentrum und Gewerbepark in Holíč, Bestandteil der Seidenstraße | 200 | Vorbereitungsphase; Baubeginn 2022 | |
Straßenbauprojekte, Abschnitte von Straßen der 1. Klasse | 167 insgesamt | Baubeginn im Frühling 2021 |
Auf der Internetseite des Amtes für öffentliche Ausschreibungen der Slowakei können aktuelle Beschaffungsvorgänge recherchiert werden.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Sechs Jahre lang hat der private Verbrauch das Wirtschaftswachstum zuverlässig gestützt. Selbst durch die Pandemie ließen sich die Haushalte nur kurzfristig abschrecken. Sie weiteten ihren Konsum im Sommer 2020 wieder aus, ohne viel stärker zu sparen. In den ersten drei Quartalen gab ihr Verbrauch gegenüber dem Vorjahreszeitraum real nur um 0,7 Prozent nach. Die öffentliche Hand war da mit -3,3 Prozent sparsamer. Sobald die winterliche Infektionswelle überwunden ist und die Beschränkungen zurückgenommen werden, wird die Konsumstimmung merklich aufhellen.
Die Einzelhandelsumsätze gaben in den ersten zehn Monaten 2020 um 1,2 Prozent nach. Im Kfz-Handel war es ein Absturz um 17,8 Prozent. Das verfügbare Einkommen hat durch Rezession und Kurzarbeit kurzfristig abgenommen. Der Staat kompensiert Unternehmen bei Lohnzahlungen, was den Beschäftigungsabbau bremst. Die durch das Statistikamt erhobene Erwerbslosenrate stieg im 3. Quartal weiter auf 7,2 Prozent und könnte 2021 rund 8 Prozent erreichen.
Die Rezession hat die Lohndynamik gedämpft. Im 3. Quartal 2020 erreichte der durchschnittliche Bruttomonatslohn 1.113 Euro. Das waren 45 Euro mehr als im 3. Quartal 2019. Die Nationalbank rechnet damit, dass die Löhne 2020 nominal um 3 Prozent zunehmen, 2021 um 4,8 Prozent.
Nach schweren zweistelligen Einbrüchen im März, April und Mai 2020 erholten sich die slowakischen Warenexporte vergleichsweise rasch und überstiegen seit Juni nominal erneut ihr jeweiliges Vorjahresniveau. Aufwind brachte das wichtigste Segment, der Handel mit Kraftfahrzeugen und Teilen. Auch die Erholung in Asien half mit. Die Importe hingegen blieben selbst im Oktober den achten Monat in Folge unter ihrem Vorjahreswert. Dem Slowakischen Statistikamt zufolge war der Warenausfuhrwert von Januar bis Oktober nominal um fast 9 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Bei den Einfuhren war es ein Minus von 11 Prozent.
Die Nationalbank rechnet damit, dass der Außenhandel mit Waren und Dienstleistungen 2021 dynamisch zunimmt - bei den Exporten um circa 10 Prozent und bei den Importen um 9 Prozent.
Haupthandelspartner der Slowakei bleibt in beide Richtungen Deutschland, gefolgt von Tschechien. Als Ursprungsland der Importe kam an dritter Stelle China vor Polen und Vietnam. Die Einfuhren aus Deutschland gingen weniger stark zurück als im Durchschnitt. Dadurch steigerte sich ihr Anteil an den Einfuhren auf 17,4 Prozent. Nach Deutschland wiederum gingen stabil 22 Prozent der slowakischen Ausfuhren.
2018 | 2019 | 2020 2) | Veränderung 2020/2019 2) | |
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Importe | 78,7 | 80,4 | 52,7 | -11,7 |
Exporte | 79,1 | 80,0 | 53,2 | -10,1 |
Handelsbilanzsaldo | 0,4 | -0,4 | 0,5 | - |