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Wirtschaftsausblick | Brasilien

Brasiliens Wirtschaft wächst weiter

In Brasilien bremsen stark gestiegene Zinsen Investitionen und Konsum im Jahr 2025. Dazu kommen die Spannungen im globalen Handel. Doch das Land bleibt auf Wachstumskurs.

Von Gloria Rose | São Paulo

Top-Thema: Wie wirkt sich die US-Handelspolitik auf Brasilien aus?

Das Hin und Her in der US-Handelspolitik wird auch in Brasilien diskutiert. Doch die direkten Auswirkungen auf das Land und das Konfliktpotenzial sind begrenzt. Im Handel mit den USA weist Brasilien ein hohes Defizit auf. Entsprechend kündigte US-Präsident Donald Trump Anfang April nur einen Zollsatz von 10 Prozent auf Importe aus Brasilien an.

Brasiliens Nationalkongress erließ zwei Wochen darauf ein Gesetz, das die Regierung zu Gegenmaßnahmen bevollmächtigt. Zur Konfrontation mit dem wichtigstem Investor – mehr als ein Viertel der ausländischen Direktinvestitionen stammt aus den USA – kam es bislang aber nicht. Stattdessen verhandeln beide Seiten unter strengster Geheimhaltung. Brasilien gehöre zu den 20 Staaten, die die Priorität der US-Regierung genössen, heißt es inoffiziell.

Die hohe Unsicherheit schwächt die wirtschaftliche Entwicklung weltweit. Doch die brasilianischen Unternehmen kommen glimpflich davon, da sie im Außenhandel weniger mit den USA verflochten sind als die in vielen anderen Ländern. Im Gegenteil: Industriegüter aus Brasilien könnten am US-Markt sogar davon profitieren, dass sie mit geringeren Zöllen belegt werden als Importe aus anderen Staaten. Auch in China bieten sich Chancen. Die Volksrepublik dürfte noch mehr brasilianische Agrargüter beziehen, um Lieferungen aus den USA zu ersetzen.

Seit Jahren strebt Brasilien eine stärkere Einbindung in globale Wertschöpfungsketten an. Die weltweite Neuordnung der Handelsbeziehungen eröffnet dafür gute Möglichkeiten. Präsident Lula da Silva versucht, die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens voranzutreiben. Bei seinem Besuch in Paris Anfang Juni 2025 erklärte er dies zum Ziel der Mercosur-Präsidentschaft, die sein Land im 2. Halbjahr 2025 übernimmt.

Auch mit weiteren Ländern intensiviert Brasilien die Wirtschaftsbeziehungen, allen voran mit China, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner. Dabei ist die Industrie darauf bedacht, nicht von chinesischen Überkapazitäten überrollt zu werden.

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum in Zeiten hoher Unsicherheit

Im Jahr 2025 dürfte sich das Wachstum der brasilianischen Wirtschaft fortsetzen, wenn auch langsamer als 2024. Unter Präsident Lula da Silva schreitet die Steuerreform voran, die den Grundstein für einen anhaltenden Aufschwung legen soll. Mit der Reform will Brasilien Bürokratie abbauen und Anreize für eine grüne Reindustrialisierung schaffen. Diesem Ziel dienen auch die neue Industriepolitik, das Förderprogramm für die Kfz-Industrie, das Rahmengesetz für kohlenstoffarmen Wasserstoff sowie für den verpflichtenden Emissionshandel.

Leitzins auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren

Neben der schwachen Weltkonjunktur dämpft auch die Unsicherheit über die Fiskalpolitik der Regierung das Wachstum. Mit den näher rückenden Präsidentschaftswahlen 2026 könnten die Sorgen des Finanzmarktes weiter zunehmen. Aufgrund steigender Inflationserwartungen hob die Zentralbank den Leitzins seit August 2024 in sechs Schritten um 4,25 Prozentpunkte auf 14,75 Prozent an, den höchsten Stand seit 20 Jahren. Die hohen Zinsen dürften die Konjunktur im 2. Halbjahr 2025 schwächen.

Industrie und Dienstleistungen wachsen langsamer

Laut dem Agrarverband CNA könnte die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft 2025 um 7,4 Prozent steigen. Auch die Aussichten für die Industrie sind positiv. Allerdings prognostiziert der Verband CNI für 2025 nur noch ein Wachstum von 2 Prozent (2024: +3,3 Prozent).

Nur die Rohstoffindustrie soll stärker wachsen als im Vorjahr. Dagegen erwarten die Bauwirtschaft sowie wichtige Zweige des verarbeitenden Gewerbes wie die Pharmaindustrie und die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie geringere Zuwächse als 2024. Auch der Dienstleistungssektor wird 2025 voraussichtlich schwächer zulegen. Das Wirtschaftsinstitut FGV Ibre geht von einem Plus von 1,5 Prozent aus (2024: +3,1 Prozent).

Investitionen und Konsum: Höhere Zinsen hinterlassen Bremsspuren

Nach der deutlichen Erholung 2024 steigen die Bruttoanlageinvestitionen 2025 weniger stark an. Für Impulse bei den Bauinvestitionen sorgen höhere Zuwendungen für den Sozialwohnungsbau sowie die Vergabe von Infrastrukturprojekten an private Betreiber im Rahmen der Initiatives Initiative "Programa de Aceleração do Crescimento". Investitionen in Maschinen und Anlagen fördert die Regierung über eine beschleunigte Abschreibung.

Der private Verbrauch legte 2024 kräftig zu. Die Reallöhne steigen. Die Regierung hat den Mindestlohn Anfang 2025 deutlich angehoben. Außerdem hält sich die Arbeitslosigkeit auch im 1. Quartal 2025 auf einem Rekordtief von 6,5 Prozent. Im Vorjahr kurbelten bessere Kreditmöglichkeiten den Kauf langlebiger Konsumgüter an. Im Jahr 2025 dürfte sich die angeheizte Nachfrage angesichts der höheren Inflation und steigenden Zinsen allmählich abkühlen.

Außenhandel: China ist wichtigster Handelspartner

Infolge der erwarteten Rekordernte dürften die Exporte Brasiliens 2025 stärker steigen als im Vorjahr. Dagegen ist beim Import mit einem geringeren Zuwachs zu rechnen als im Vorjahr. Der Finanzmarkt geht davon aus, dass Brasilien 2025 einen Handelsbilanzüberschuss von rund 75 Milliarden US-Dollar erzielen wird.

Deutsche Perspektive: Hoffnung auf baldiges Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens wächst

Seit 2023 ist Deutschland Brasiliens drittwichtigstes Lieferland, nach China und den USA. Allerdings ist das Importvolumen aus China heute fünfmal so hoch wie das aus Deutschland. Deutsche Produkte genießen in Brasilien einen hervorragenden Ruf, können auf dem preissensiblen Markt jedoch kaum mit Waren aus der Volksrepublik mithalten. Deutsche Maschinenbauer gewinnen ihre Kunden durch einen zuverlässigen After-Sales-Service. Jetzt strömen immer mehr chinesische E-Autos auf Brasiliens Fahrzeugmarkt. Umso wichtiger wird das Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens, das den EU-Staaten auch den Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern soll.

GTAI-Informationsangebote zu Brasilien

Weitere Informationen zu Brasilien bieten unter anderem die Publikationen Wirtschaftsstandort und Wirtschaftsdaten kompakt sowie die Reihe Branche kompakt. Ferner sind auf der GTAI-Länderseite Brasilien zahlreiche weitere Berichte zum Wirtschaftsumfeld, zu Branchen sowie zu Zoll- und Rechtsthemen zu finden. Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bieten die Rubriken "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".

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