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Wirtschaftsausblick | Jordanien
Jordaniens Wirtschaft erholt sich langsam von der Coronakrise, Risiken bestehen jedoch fort. Die Bevölkerung wartet weiterhin auf mehr Jobs.
18.01.2022
Von Friedrich Henle | Berlin
Die Economist Intelligence Unit (EIU) sagt für das Jahr 2022 ein mäßiges Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent voraus. Etwas optimistischer gibt sich der Internationale Währungsfonds, der 2,7 Prozent Wachstum erwartet. 2020 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 Prozent zurückgegangen. Damit hatte die jordanische Wirtschaft das erste Pandemiejahr vergleichsweise glimpflich überstanden.
2021 konnte der Staat bereits wieder 12 Prozent mehr Steuern einnehmen als im Vorjahr. Doch trotz dieser Erholung bleibt der Handlungsspielraum der Regierung begrenzt. Die Staatsverschuldung ist auf mittlerweile 108 Prozent des BIP angestiegen. Der Schuldendienst entzieht der öffentlichen Hand erhebliche Mittel, die ansonsten für Investitionen zur Verfügung stehen könnten. Damit bleibt Jordanien abhängig von externer finanzieller Unterstützung, Auslandsüberweisungen und den Einnahmen aus dem Tourismus.
Gerade der Tourismussektor zeigt, wie sich die kleine, aber diversifizierte jordanische Volkswirtschaft nicht von äußeren Einflüssen abkoppeln kann. Sorgten ausländische Gäste im Jahr 2019 noch für Einnahmen von fast 5 Milliarden US-Dollar (US$), so ist dieser Wert im ersten Coronajahr 2020 auf weniger als ein Viertel davon geschrumpft. Große Herausforderungen stellen zudem politische Krisen in der Region dar, wie in Syrien oder Irak. Aktuell sind laut Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) 670.000 syrische Flüchtlinge in Jordanien registriert, wobei die tatsächliche Zahl auf bis zu 1,3 Millionen geschätzt wird.
Indikator | 2019 | 2020 | Vergleichsdaten Deutschland 2020 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 44,6 | 43,8 | 3.847 |
BIP pro Kopf (US$) | 4.426 | 4.286 | 46.252 |
Bevölkerung (Mio.) | 10,6 | 10,8 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = x Jordan-Dinar) | 0,80 | 0,82 | - |
Jordanien hat sich in den letzten zwanzig Jahren wie kaum ein anderes Land in der Region für ausländisches Kapital geöffnet. Dennoch bleiben die Investitionen hinter den Erwartungen zurück. Nach Statistiken der Vereinten Nationen haben die Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Gründe dafür sind unter anderem der relativ kleine Binnenmarkt, die politische Lage in der Region und - trotz aller Liberalisierungen - bürokratische Hürden.
Insbesondere der Energiesektor dürfte in den nächsten Jahren interessant für Investitionen bleiben. Die Regierung möchte durch mehr Wind- und Solarenergie die Importabhängigkeit an Brennstoffen verringern. Zukünftig könnten grün erzeugter Wasserstoff beziehungsweise seine Derivate eine Rolle spielen. Das Land generiert bereits jetzt Stromüberschüsse und sucht dafür Speicher- beziehungsweise Absatzmöglichkeiten.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Anmerkung/Projektträger |
---|---|---|---|
Erweiterung der Ölraffinerie in Zarqa | 2.640 | Angebotsevaluierung; Auftragsvergabe geplant: 1. Quartal 2022 | Kapazitätserweiterung von 60.000 auf 150.000 Barrel pro Tag; Jordan Petroleum Refinery Company |
Meerwasserentsalzungsanlage in Akaba | 2.500 | Studienphase; Auftragsvergabe geplant: 4. Quartal 2022 | Kapazität: 300 Millionen Kubikmeter pro Jahr; Ministry of Water and Irrigation |
Produktionsanlage für grünen Wasserstoff | 500 | Studienphase; Auftragsvergabe geplant: 4. Quartal 2022 | Projekt beinhaltet auch großflächige Solar- und Windparks; Fortescue Future Industries (Australien) |
Neue Pumpanlage für Kaliproduktion am Toten Meer | 450 | Durchführung; Fertigstellung geplant: 4. Quartal 2023 | Arab Potash Company; Hauptauftragnehmer: Ilk Construction (Türkei) |
Kreuzfahrtterminal in Akaba | 70 | Studienphase; Fertigstellung geplant: 4. Quartal 2025 | Absichtserklärung im September 2021 mit Abu Dhabi Ports unterzeichnet; Aqaba Development Corporation |
Internationale Geberinstitutionen spielen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Großprojekten in Jordanien. Für die geplante Meerwasserentsalzungsanlage in Akaba sind unter anderem USAID und die Europäische Investitionsbank als Geldgeber im Gespräch. Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Die Arbeitslosigkeit ist im Zuge der Coronakrise weiter gestiegen und erreichte 2021 den hohen Wert von 25 Prozent. Dies belastet die Haushaltseinkommen enorm. Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegt der Wert sogar bei etwa 40 Prozent. Folglich fehlt vielen Menschen im Land eine wirtschaftliche Perspektive.
Der finanzielle Spielraum eines Großteils der Bevölkerung wird durch die Überweisungen ihrer Familienangehörigen in den Golfstaaten, in Europa und in den USA bestimmt. Diese Transfers beliefen sich 2021 laut einer Schätzung der Weltbank auf 3,6 Milliarden US$, was einem Anteil von 8,4 Prozent am BIP entspricht. Da sich 2022 die Weltwirtschaft weiter erholen und Reisebeschränkungen abnehmen dürften, könnte die Summe der Auslandsüberweisungen wieder ansteigen.
Um den inländischen Konsum zu unterstützen, hat die Regierung eine Zollreform angekündigt. Ab April 2022 soll es nur noch vier anstatt elf Zollkategorien geben und der maximale Zollsatz nur noch 25 Prozent anstatt 40 Prozent betragen. Dies dürfte lokale Hersteller allerdings stärker unter internationalen Wettbewerbsdruck setzen.
Die weitere Entwicklung der stark defizitären Handelsbilanz hängt vor allem von den wichtigen Exportbranchen Düngemittel (Kali und Phosphat) und Bekleidung ab. Zukünftig könnte der (Re-)Export von Energie eine größere Rolle spielen - wenn Jordanien wie geplant seine grenzüberschreitenden Stromtrassen mit Nachbarländern ausbaut oder zukünftig auch grünen Wasserstoff exportiert.
Größter Einfuhrposten im Jahr 2020 waren Nahrungsmittel. Die Importabhängigkeit in diesem Bereich kann nur sinken, wenn die heimische Landwirtschaft über genug Wasser verfügt und effizientere Bewässerungsmethoden zum Einsatz kommen. Jordanien zählt zu den wasserärmsten Ländern der Welt.
Deutsche Unternehmen lieferten laut Statistischem Bundesamt im Zeitraum Januar bis Oktober 2021 Waren im Wert von knapp 500 Millionen Euro nach Jordanien. Damit zeichnet sich für das Gesamtjahr 2021 ein ähnlich hoher Wert wie im Vorjahr ab. Die jordanischen Exporte nach Deutschland dürften 2021 auf etwa 50 Millionen gestiegen sein und setzen damit den Aufwärtstrend der letzten Jahre fort.
2020 | 2021 2) | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe (fob) 1) | 15,3 | 17,6 | 15,0 |
Exporte (fob) 1) | 7,9 | 8,2 | 3,8 |