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Wirtschaftsausblick | Kanada
Steigende Zinsen, Energie- und Konsumgüterpreise verringern die Geschäftschancen von Unternehmen und die Konsumbereitschaft der Haushalte.
09.12.2022
Von Daniel Lenkeit | Toronto
Kanadas reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) verzeichnete im 3. Quartal 2022 ein schmales Wachstum von 0,7 Prozent zum Vorquartal. Auf der einen Seite sank die Binnennachfrage. Der abflachende Konsum und die schwindende Nachfrage im Immobiliensektor gaben dabei den Ausschlag. Auf der Gegenseite drückten steigende Exporte und Investitionen in Lagerbestände das Quartalswachstum noch einmal ins Plus.
Der Großteil der Unternehmen geht für 2023 von deutlich schwächerem Umsatzwachstum aus. Dies betrifft unter anderem Sektoren wie die Bauwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe, auf deren Geschäft Zinsänderungen größeren Einfluss haben. Allein Firmen aus dem Rohstoffsektor sowie Technologieanbieter sind weiterhin zuversichtlich.
Die Geschäftsbanken erwarten im 1. Halbjahr 2023 einen deutlichen Abschwung mit einem schrumpfenden BIP. Dass die kanadische Wirtschaft schwächer als erwartet dasteht, ist eine späte Einsicht. Die Rezession hatte sich bereits vor einem halben Jahr angekündigt - die Prognosen der Banken versprachen damals für den gleichen Zeitraum noch gesundes Wirtschaftswachstum.
Der kanadische Einkaufsmanagerindex ist seit März 2022 in einem Abwärtstrend. Der Index bemisst die monatlich wechselnden Ausgaben einer Auswahl an Einkaufsmanagern im ganzen Land aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor. Er ist ein Barometer für die aktuelle und zukünftige Lage der Wirtschaft. Der Einkaufsmanagerindex sank zuletzt drei Monate in Folge.
Zudem verzeichnete das kanadische Statistikamt einen deutlichen Zuwachs der Lagerbestände im verarbeitenden Gewerbe sowie im Groß- und Einzelhandel. Gleichzeitig steigt das Verhältnis von Lagerbeständen zu Umsätzen in der Gesamtwirtschaft. Dies sind in der Regel Signale für eine abklingende Konjunktur. Mit der steigenden Vorratshaltung reagieren viele Unternehmen zudem auf die noch immer angespannten Lieferketten.
Der für die Wirtschaft wichtige Transportsektor kämpft nach wie vor mit Engpässen bei der Halbleiterversorgung. Der Automobilzulieferverband APMA geht davon aus, dass die Lieferketten für Mikrochips bis Ende 2023 gestört bleiben und damit die Gewinnmargen im Automobilsektor drücken werden.
Die letzte Umfrage der kanadischen Zentralbank Ende Oktober dieses Jahres zeigte, dass die meisten Unternehmen ein fortlaufend höheres Preisniveau für 2023 erwarten.
Sieben Zinserhöhungen verordnete die Zentralbank Bank of Canada (BoC) im Jahr 2022 bereits gegen die hartnäckige Inflation. Im letzten Zinsschritt im Dezember stieg der Leitzins auf 4,25 Prozent. Die bisherigen Zinsschritte hatten nur geringen Erfolg. Im Oktober lag das Preisniveau noch immer rund 7 Prozent über dem Vorjahreswert.
Die Preise vieler Produkte und Dienstleistungen werden aufgrund der schwächeren Konjunktur 2023 wohl langsamer steigen. Die Geschäftsbanken erwarten ein Inflationsniveau von 3,5 bis 4,5 Prozent für 2023.
In diesem Zusammenhang ist es vernünftig, von weiteren Zinserhöhungen der BoC auszugehen. Dies wird trotz des beginnenden Abschwungs geschehen. Wie ihr US-amerikanisches Pendant ist die kanadische Zentralbank entschlossen, die Inflation um jeden Preis zu bekämpfen.
Indikator | 2021 | 2022 1 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 1.988 | 2.200 | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 52.015 | 56.794 | 51.214 |
Bevölkerung (Mio.) | 38,2 | 38,7 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = kan$) | 1,254 | 1,370 2 | - |
Nach einem starken 1. Halbjahr 2022, in dem die Unternehmensinvestitionen im zweistelligen Bereich zulegten, werden viele Firmen in den kommenden Monaten vorsichtiger agieren. Trotz bestehender Investitionsbedarfe in Automatisierung und Digitalisierung planen Unternehmen das dritte Quartal in Folge weniger Ausrüstungsinvestitionen als im Vorquartal.
Die Geschäftsbanken gehen davon aus, dass Unternehmensinvestitionen 2023 insgesamt flach bleiben. Sowohl die Bedingungen am Finanzmarkt als auch der erwartete globale Wirtschaftsabschwung sprechen dafür. Auf der anderen Seite bieten Kanadas Dekarbonisierungspläne und der angespannte Arbeitsmarkt langfristig gute Argumente für weitere Investitionen.
Zudem sollten deutsche Zulieferer beobachten, inwieweit kanadische Firmen versuchen, Lieferketten neu aufzustellen und stärker auf lokale Beschaffung zu setzen. Faktoren wie die Coronapandemie, der Ukrainekrieg oder Chinas Null-Covid-Strategie verleihen derartigen Diskussionen Auftrieb.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mrd. US$) * | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Bau einer neuen Wasseraufbereitungsanlage: Iona Island Wastewater Treatment Plant in Richmond, British Columbia | 7,3 | Planungsphase, Frühbauphase | |
Sanierung des Tunnels George Massey Tunnel in Vancouver, British Columbia | 3,8 | Planungsphase; Fertigstellung 2030 | Ministry of Transportation and Infrastructure, British Columbia |
Ausbau der Highspeed-Internetinfrastruktur: Ontario Connects in Ontario | 2,8 | Planungsphase, Anfrageprozess; geplante Fertigstellung Ende 2025 | |
Eweiterung einer LNG-Pipline: T-South Expansion in British Columbia | 2,6 | Planungsphase, Fertigstellung 2028 | |
Bau eines neuen Krankenhauses: Ottawa Civic Hospital in Ontario | 2,0 | Planungsphase; Fertigstellung 2028 | |
Erweiterungsprojekt für Transitinfrastruktur: SmartTrack Stations Program in Großraum Toronto, Ontario | 1,1 | Planungsphase; Fertigstellung 2026 |
Portale für öffentliche Ausschreibungen: Buyandsell, Merx
Der private Konsum ging im 3. Quartal 2022 erstmals seit dem 2. Quartal 2021 zurück. Vor allem Ausgaben für SUV und Pick-up-Trucks sowie Möbel und Arzneimittel gingen zurück.
Steigende Preise und Zinsen bei gleichzeitig sinkenden Reallöhnen gestatten den Haushalten weniger Spielraum. Sollte das höhere Zinsregime für längere Zeit anhalten, wird es den Haushalten schwerer fallen, ihre Hypotheken attraktiv zu refinanzieren. Die Haushaltsverschuldung in Kanada liegt bei etwa 180 Prozent (Verhältnis von Schulden zu verfügbarem Einkommen).
Die Ausgaben für Hypothekenzinstilgungen und Kreditkartenzinsen steigen kräftig. Das ist mit Blick auf die zukünftige Konsumbereitschaft der Haushalte im Auge zu behalten.
Kanadas Exporte legten zuletzt zwei Quartale in Folge zu. Vor allem die Ausfuhr von Erdöl und Landwirtschaftsgütern begünstigte die Handelsbilanz. Bei den Erdölprodukten gelang dies trotz sinkender Preise über deutlich gestiegene Mengen. Auch Agrargüter wie Weizen konnten zulegen.
Die Einfuhren fielen hingegen im 3. Quartal um ein halbes Prozent. Für 2023 erwartet die BoC einen Rückgang des Handels. Importe dürften ein stärkeres Minus verzeichnen als Exporte, da Kanadas Energiesektor trotz schwächerer Konjunktur ein wichtiger Lieferant für die USA bleibt. Die Zentralbank erwartet erst ab 2024 eine Erholung der restlichen Exportwirtschaft - vor allem des verarbeitenden Gewerbes.
2020 | 2021 | 1. Hj. 2022 | Veränderung 1. Hj 2022/2021 * | |
---|---|---|---|---|
Importe | 404,9 | 489,6 | 280,9 | 21,6 |
Exporte | 389,7 | 503,8 | 301,3 | 27,4 |