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Investitionen ins Schienennetz rufen viele Bewerber auf den Plan
Polen erneuert das Bahnnetz. Deutsche Firmen wollen bei den Projekten mitmischen. Die Unternehmen müssen sich gegen Konkurrenz durchsetzen. Die kommt zunehmend auch aus Fernost.
28.08.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Polen verfügt nach Deutschland und Frankreich über das drittlängste Bahnnetz in der EU. Immer mehr Menschen nutzen die Bahn: Zwischen 2015 und 2024 stieg die Zahl der jährlichen Fahrgäste in Polen um 45,4 Prozent auf 407,5 Millionen Passagiere.
Um das wachsende Interesse bedienen zu können, braucht das Land ein modernes Schienennetz. EU-Gelder spielen dabei eine entscheidende Rolle: Je nach Projekt decken die Zuschüsse bis zu 90 Prozent der Investitionskosten.
Diese Abhängigkeit hat Folgen: Gegen Ende einer EU-Haushaltsperiode kommt es in Polens Bahnindustrie zu Auftragsspitzen, gefolgt von einem deutlichen Rückgang der Projekte. Die Bauunternehmen wünschen sich daher eine stabilere Finanzierung.
Branchenverbände setzen sich dafür ein, dass sich der staatliche Schieneninvestitionsfonds (Fundusz Kolejowy) künftig verschulden und vor allem umschulden kann – ähnlich wie der Straßeninvestitionsfonds (Krajowy Fundusz Drogowy).
Strecken für Schnellzüge gehen spätestens 2035 in Betrieb
Die Grundlage für die Modernisierung des Schienennetzes bilden die mehrjährigen Investitionspläne des staatlichen Infrastrukturbetreibers PKP PLK. Das wichtigste Dokument ist der nationale Schienenplan KPK (Krajowy Program Kolejowy). Die Projekte im KPK 2023-2030 haben ein Volumen von rund 20 Milliarden Euro.
Parallel zum KPK existiert das Programm Schiene Plus (Kolej Plus). Es läuft bis 2029 und hat ein Volumen von rund 3,2 Milliarden Euro. Ein Ziel von Schiene Plus ist es, stillgelegte oder marode Strecken in ländlichen Regionen zu sanieren.
Darüber hinaus will Polen ein Gleisnetz für Hochgeschwindigkeitszüge verlegen. Die Strecken sollen Ballungsräume mit dem geplanten Großflughafen CPK bei Warschau verbinden. Zuständig für den Bau der Hochgeschwindigkeitsverbindungen ist die staatliche Projektgesellschaft des CPK.
Bis 2035 soll eine 480 Kilometer lange Strecke von Warschau über den CPK bis nach Łódź führen. Sie verläuft anschließend weiter nach Poznań im Westen und Wrocław im Süden.
Konkurrenz für deutsche Zulieferer wächst
Eines der größten Projekte im Rahmen des KPK ist der Umbau und Neubau der Bahnstrecke Podłęże-Piekiełko südlich von Krakau. Das Vorhaben mit einem Volumen von rund 3,3 Milliarden Euro ist in elf Abschnitte unterteilt. Einige Teilstrecken hat PKP PLK bereits an Auftragnehmer vergeben.
Das Vorhaben Podłęże-Piekiełko gilt als besonders anspruchsvoll, da mehrere Tunnel nötig sind. Einen davon bohrt das polnisch-spanische Bauunternehmen Budimex zusammen mit der türkischen Firma Gülermak zwischen den Ortschaften Limanowa und Klęczany. Während bei früheren Tunnelbohrungen auch Maschinen vom deutschen Hersteller Herrenknecht zum Einsatz kamen, setzte sich diesmal ein chinesischer Maschinenbauer durch.
Ein weiteres Vorhaben plant PKP PLK zwischen den nordöstlichen Städten Białystok und Ełk. Der Schienenbetreiber sucht ein Bauunternehmen, das die existierende Bahnstrecke saniert. Nach dem Umbau verdoppelt sich die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 auf 200 Kilometer pro Stunde. PKP PLK schätzt den Auftragswert auf rund 1,4 Milliarden Euro. Das Besondere: Bauunternehmen aus der Türkei und China dürfen nicht an der Ausschreibung teilnehmen.
Der Abschnitt zwischen Białystok und Ełk gehört zum Bahngroßprojekt Rail Baltica. Es wird die baltischen Staaten mit Polen verbinden. Die Zukunft des letzten Abschnitts der Rail Baltica auf polnischer Seite - von Ełk bis zur litauischen Grenze - bleibt weiter offen. Der Grund: PKP PLK hat kein Geld für die letzten Kilometer.
Noch vor Ende 2025 will PKP PLK den Umbau des Warschauer Ostbahnhofes ausschreiben. Das Vorhaben wird voraussichtlich rund 790 Millionen Euro kosten. PKP PLK rechnet mit einem Abschluss der Bauarbeiten bis 2029. Danach will das Staatsunternehmen die sogenannte Durchgangslinie erneuern. Gemeint ist die Verbindung zwischen Ost- und Westbahnhof der polnischen Hauptstadt.
Die Projektgesellschaft des Großflughafens CPK hat bereits erste Schienenprojekte vergeben. Die österreichische Baufirma Porr wird einen Tunnel unter der Stadt Łódź bohren. Im 4. Quartal 2025 veröffentlicht die CPK-Gesellschaft voraussichtlich eine Ausschreibung über den Bau der Strecke ab Warschau. An anderen Abschnitten laufen Planungsarbeiten. Deutsche Ingenieursunternehmen sind an den Projekten beteiligt, zum Beispiel Voessing Polska.
Neuer Impuls für die Digitalisierung
Große Verzögerungen gibt es bei der Einführung von digitalen Technologien. Das europäische Zugsicherungssystem ETCS deckt laut Eurostat bislang nur bis zu 3 Prozent des Streckennetzes in Polen ab. Dank des Systems könnten mehr Züge gleichzeitig über das Gleisnetz fahren.
Immerhin startete PKP PLK im Juni 2025 einen Wettbewerblichen Dialog für die Einführung von ETCS in der Version Level 1 entlang von 500 Kilometern Gleisstrecke. Noch im 3. Quartal 2025 will PKP PLK Firmen auswählen, die am Dialog teilnehmen. Bis 2026 wird der Betreiber einen Auftragnehmer bestimmen. Zu den Unternehmen, die das ETCS-System in Polen ausbauen wollen, gehört Siemens Mobility.
Polnische Hersteller liefern die meisten Gleisanlagen
PKP PLK vergibt viele Aufträge an eigene Tochterunternehmen. Das größte von ihnen ist die Gesellschaft Trakcja. Auch CPK hat mit Torpol eine Tochtergesellschaft für den Schienenbau. Hinzu kommen unabhängige Auftragnehmer wie Mirbud oder Budimex. Auch internationale Bauriesen wie Strabag und Porr setzen Projekte um.
Zu den größten Schienenbauunternehmen in Polen mit deutscher Muttergesellschaft gehört Infra Silesia, eine Tochter der DB-Cargo. Deutsche Unternehmen sind darüber hinaus als Zulieferer von Maschinen und Bahntechnik aktiv, zum Beispiel Vossloh und Zöllner.
Der größte polnische Zulieferer ist das Unternehmen Track Tec. Rund die Hälfte aller Gleisschwellen und jede zweite Weiche im polnischen Eisenbahnnetz kommt von Track Tec.