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Rumäniens Autoindustrie steht vor Herausforderungen
Der Automarkt in Rumänien wächst langsamer und der lokale Absatz von Elektroautos bricht ein. Aber der Umbau zu alternativen Antrieben lockt Investoren.
22.08.2025
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
setzte die Kfz-Industrie in Rumänien 2024 um.
Die rumänische Automobilindustrie steuert durch ein unsicheres Jahr: Auf dem heimischen Markt sinkt einerseits die Nachfrage nach neuen Autos. Andererseits trübt die US-Zollpolitik die Geschäftsaussichten der Kfz-Zulieferer in Rumänien.
Wenn US-Zölle die deutsche Automobilindustrie belasten, rechnen die in Rumänien tätigen Tochterunternehmen deutscher Kfz-Teilehersteller mit weniger Aufträgen. Bei einem US-Zolltarif von 15 Prozent wird das Exportvolumen innerhalb der Wertschöpfungsketten in ganz Osteuropa um 1 bis 2 Prozent sinken, prognostiziert das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche.
Impulse für Wachstum verspricht dagegen der europäische Automarkt. So zählt der Ford-Puma aus dem rumänischen Werk in Craiova zu den am häufigsten verkauften Pkw in Großbritannien. Das Modell Dacia Sandero aus Rumänien war 2024 in ganz Europa das meistverkaufte Auto mit 268.000 Stück, berichtet Jato, ein Beratungsunternehmen für die Automobilbranche. Insgesamt exportiert die rumänische Automobilindustrie rund 86 Prozent ihrer Erzeugnisse innerhalb des EU-Binnenmarktes.
Rumänen kaufen weniger E-Autos
Der lokale Automarkt wuchs 2024 stark, wird jedoch schrumpfen. Die Anzahl der Neuzulassungen ging im 1. Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,4 Prozent zurück und zählt 64.820 Einheiten, berichtet der europäische Branchenverband ACEA (Association des Constructeurs Européens d'Automobiles).
Auch die Nachfrage nach Elektroautos sank im 1. Halbjahr 2025 im Vorjahresvergleich um 44,3 Prozent, teilt ACEA mit. Eine Trendwende ist nicht in Sicht: Autohändler fürchten, dass die ab August 2025 geltende Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent das Konsumwachstum ausbremst. Dennoch bietet der Staat eine Kaufprämie für batterieelektrische Autos.
Kaufanreize für den Neuwagenkauf
Das Umweltministerium bietet für das Verschrotten von Autos der Schadstoffklassen Euro 2 und 3 eine Abwrackprämie an. Diese beträgt beim Kauf eines neuen
- Verbrenners (ohne Diesel) etwa 2.000 Euro,
- Hybriden (ohne Diesel) etwa 2.500 Euro,
- Elektroautos etwa 7.400 Euro.
Für die Auszahlung der von Autohändlern zu beantragenden Prämien stehen im Zeitraum 16. Juli bis 27. November 2025 insgesamt rund 40 Millionen Euro zur Verfügung.
Ladeinfrastruktur muss ausgebaut werden
Ein weiteres Hindernis sind die bislang nur 1.350 Ladestationen, die sich hauptsächlich in urbanen Gebieten befinden. Damit ist das Land noch weit von der EU-Vorgabe entfernt, bis 2030 einen maximalen Abstand von 60 Kilometern zwischen den Ladesäulen zu erreichen. Die Regierung plant daher den Bau von 6.500 neuen Ladestationen bis 2026 und über 23.500 weiteren in den Folgejahren bis 2030. Bei der Umsetzung sollen unter anderem EU-Fördermittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro helfen.
Der Mineralölkonzern OMV Petrom, der in Rumänien Tankstellen betreibt, kündigte im Juli 2024 an, 300 neue Ladestationen zu errichten. Dafür übernahm der Konzern den rumänischen Ladenetzbetreiber Renovatio Asset Management.
Den Ausbau des Ladenetzes müssen zudem Investitionen ins Stromnetz begleiten. Die aktuellen Kapazitäten sind für die Bedarfe der Elektromobilität zu klein, teilt das Energieministerium mit.
Autoproduktion stagniert
sichert die Kfz-Industrie in Rumänien.
Die Stimmung ist getrübt: "Im 1. Quartal beobachten wir eine rückläufige Fahrzeugproduktion", berichtet Adrian Sandu, Generalsekretär beim Verband der rumänischen Automobilhersteller ACAROM. Ford Otosan und Dacia haben innerhalb der ersten fünf Monate des Jahres 2025 genau 231.181 Autos und damit 6 Prozent weniger produziert als im gleichen Zeitraum 2024.
Im April 2025 brachte Ford eine vollelektrische Version der Modelle Puma, Turneo und Transit auf den Markt. Das rumänische Werk fertigt seit März 2025 alle drei Modelle in Craiova, teilt Ford mit. Dabei stammen die elektrischen Antriebseinheiten aus dem britischen Werk in Halewood. Für die Produktion liefert zudem das Kölner Ford-Werk einzelne Komponenten zu, beispielsweise Druckgussgehäuse für den Antrieb.
Konkurrent Dacia produziert im Werk Mioveni in der Nähe von Pitești bereits die Modelle Jogger Bigster als Verbrenner und mit Hybridmotor. In Mioveni rollen zudem der Kompaktwagen Sandero Stepway, das Modell der unteren Mittelklassewagen Logan sowie der SUV Duster vom Band. Der französische Mutterkonzern Renault kündigte an, ab 2030 in Rumänien ausschließlich vollelektrische Modelle produzieren zu wollen.
Zulieferindustrie baut neue Lieferketten auf
Die Investitionspläne von Dacia und Ford Otosan ziehen neue Zulieferer an. Anfang 2024 eröffnete das türkische Unternehmen UKS Stamping ein neues Karosseriewerk – ebenfalls bei Pitești. Die starke Präsenz deutscher Automobilzulieferer lässt sich unter anderem durch die im europäischen Vergleich wettbewerbsfähigen Lohnkosten erklären. Unter den rund 224 Branchenunternehmen haben mindestens 73 eine deutsche Kapitalbeteiligung. Ein neues Feld für Beteiligungen einzelner Kfz-Teile-Zulieferer bietet zudem die rumänische Verteidigungsindustrie.
So eröffnete Diehl Controls 2024 eine neue Produktionsstätte in Rumänien. Das Unternehmen stellt nach IATF-Norm standardisierte elektronische Komponenten für die Automobilindustrie her. IATF steht für die International Automotive Taskforce, die sich für Standards und Harmonisierung von Produkten der Automobilzulieferer einsetzt.
Rheinmetall wurde 2024 Hauptgesellschafter bei Automecanica Mediaș durch den Erwerb von 72,5 Prozent der Anteile. Der rumänische Hersteller bietet zivile und militärische Spezialfahrzeuge an, produziert Lkw-Aufbauten und Tankwagen, etwa für die städtische Wasserwirtschaft.
Einzelne Unternehmen gelten als Innovationstreiber, denn sie betreiben nicht nur Produktionsstätten, sondern investieren in Forschung und Entwicklung. So beteiligen sich etwa Continental und Bosch mit eigenen Projekten am Ausbau der europäischen Industrie für Halbleiter und Mikroelektronik.
des rumänischen BIP generierte die Kfz-Industrie im Jahr 2024.
Der rumänische Branchenverband ACAROM unterstreicht die Bedeutung der Automobilindustrie für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt des Landes. Erstausrüster (Original Equipment Manufacturer; OEM) sowie Lieferanten von Komponenten und Systemmodulen produzieren in Rumänien für die gesamte europäische Automobilindustrie. Etwa 90 Prozent der Erzeugnisse gehen in den Export, darunter Kabelbäume (Eberspächer), Lichtanlagen (Hella), Reifen (Continental), elektronische Steuerungskomponenten (Bosch) und Sensortechnik (Huf).