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Wirtschaftsausblick | Tschechische Republik
Die Wirtschaftsleistung wird 2023 im besten Fall stagnieren. Trotz staatlicher Hilfen belasten hohe Energiepreise, Inflation und Zinsen Bürger wie Unternehmen.
01.12.2022
Von Miriam Neubert | Prag
Die Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine setzen die Konjunktur in Tschechien unter Druck. Zwar ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auch im 3. Quartal im Vorjahresvergleich noch einmal gestiegen, wodurch die Wirtschaft im Gesamtjahr 2022 um real 2,5 Prozent wachsen könnte. Im Vergleich zum Vorquartal aber ging die Dynamik erstmals zurück, weil die privaten Haushalte weniger konsumierten.
Dies gilt als Vorbote einer Rezession, die sich mit flachem Verlauf ins neue Jahr ziehen wird. Dass Tschechien im Jahresdurchschnitt 2023 noch haarscharf die Kurve kriegen könnte, meint die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose. Sie geht von einem Mini-BIP-Plus von real 0,1 Prozent aus, weil sie den privaten Verbrauch optimistischer einschätzt.
Regierung und Zentralbank rechnen dagegen mit Rückgängen um 0,2 bis 0,7 Prozent. Negativer als der geringere Konsum der Privathaushalte fällt dabei der Abbau der Lagerhaltung ins Gewicht. Dem Abwärtstrend entgegen wirken der öffentliche Verbrauch, die Anlageinvestitionen und die Nettoexporte.
Bei Winterbeginn herrscht generell große Unsicherheit. Hoffnung machen die gefüllten Erdgasspeicher, der niedrigere Energieverbrauch und die Aussicht auf den Strom- und Gaspreisdeckel für Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ab Januar 2023. Für Großunternehmen hat die Regierung vorerst nur Ausgleichshilfen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro vorgesehen. Kritisch wird der Jahreswechsel, da viele Firmen für 2023 noch keine neuen Energieverträge abgeschlossen haben.
Das Thema Energiesicherheit dominierte auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft. Diese rückte europäische Antworten auf Knappheiten und hohe Preise in den Vordergrund.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 215,9 | 238,2 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 20.177 | 22.267 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 10,7*) | 10,7*) | 82,3 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = Kč) | 26,44 | 25,65 | - |
Trotz vieler Widrigkeiten hat die Industrie sich 2022 relativ gut geschlagen. Ihre Produktion lag von Januar bis September preis- und kalenderbereinigt um 1,5 Prozent über dem Vorjahreswert. Das verarbeitende Gewerbe war im 4. Quartal zu 80,5 Prozent ausgelastet, geringer als im Vorquartal, aber besser als ein Jahr zuvor. Dennoch verschlechterten sich im November den sechsten Monat in Folge die Geschäftserwartungen.
Um für Stabilität zu sorgen, erhöhte die Tschechische Nationalbank im November den Leitzins nicht weiter. Ungeachtet der zweistelligen Inflation beließ sie den 2-Wochen-Reposatz bei 7 Prozent. Die Krone stärkt sie durch Interventionen.
Um finanzielle Härten für Bevölkerung und Unternehmen zu lindern, bleibt der Staat gefordert. Dadurch steigt der öffentliche Schuldenstand 2023 auf geschätzte 46 Prozent des BIP. Für Entlastungen auf der Einnahmenseite soll die Steuer auf Zufallsgewinne von Energiekonzernen und Banken sorgen, die ab 2023 bis 2025 gilt.
Die Bruttoanlageinvestitionen haben im 1. Halbjahr 2022 mit real über 8 Prozent aus der Pandemieflaute gefunden. Positiv war die Dynamik bei Bauten und Maschinen. Zweistellige Zuwachsraten verzeichneten die Investitionen in Transportmittel. Auch die Investitionen in die Lagerhaltung stützten das Wirtschaftswachstum. Das Bild könnte sich 2023 ändern. Zwar wird erwartet, dass die Anlageinvestitionen mit geringerer Dynamik weiter zunehmen. Doch werden Vorräte erheblich abgebaut.
Umfragen des Industrie- und Verkehrsverbandes ergaben, dass die hohen Kosten Unternehmen zunehmend zwingen, Investitionspläne zu überdenken. Dennoch begünstigt die Energiekrise Projekte für mehr Energieeffizienz und alternative Energiequellen. Fachkräftemangel treibt die Automatisierung in Industrie und Logistik voran. Beide Bereiche werden über neue europäische Fonds gefördert, die staatliche und unternehmerische Investitionen unterstützen. Dem Boom bei Fotovoltaik und Wärmepumpen wird der Markt aktuell kaum Herr.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) *) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Odien Real Estate mit dem Finanzministerium und der Hauptstadt Prag / Modernisierung des Brownfields Avia und Umbau zu einem neuen Stadtteil mit Wohnungen, Parks, Schulen, Dienstleistungen in Prag-Letňany | 2.869 | Vorbereitungsphase; Stadtbauplanänderung notwendig; Auftrag zur Sanierung erteilt; Baubeginn für Frühling 2025 geplant; 4 Etappen innerhalb der nächsten 25 Jahre geplant | |
Hauptstadt Prag, Technische Universität ČVUT, Prusa Research, DLTG / Umbau des Spartakiade-Stadions zum Start-up-Hub in Prag | 485 | Anfangsphase; Memorandum unterschrieben; Baubeginn in ein paar Monaten; 3 Phasen geplant | Hauptstadt Prag, ČVUT, Prusa Research, DLTG |
Amadeus Real Estate / neuer Stadtteil in Plzeň mit Wohnungen, Büros, Läden | 328 | Vorbereitungsphase; Baugenehmigung wird beantragt; Baubeginn für 2023 und Fertigstellung 2027 geplant | |
Crestyl real estate / Dornych-Projekt für Wohnungen, Büros und Einzelhandelsfläche sowie Ladestationen für E-Mobile und -Räder in Brno | 287 | Vorbereitungsphase; Fertigstellung in 4 Jahren geplant | |
Panasonic / Erweiterung der Produktion von Wärmepumpen in Plzeň | 145 | Vorbereitungsphase; Investitionsvorhaben bis 2026 | |
Contera / PV-Anlage und Ladestationen für E-Mobile in Contera Park Ostrava D1 in Ostrava-Hrušov | 119 | Vorbereitungsphase | |
Semperflex Optimit / Erweiterung der Produktion von Schläuchen um eine CO2-neutrale Produktionshalle in Odry | 110 | Startphase; Umweltverträglichkeitsprüfung läuft; Betrieb ab 2025 geplant | |
Hauptstadt Prag / Energieprojekt zur Heizung mit Abwasser in Wärmepumpen in Prag | 94 | Startphase; Betrieb ab 2023 geplant; Zuerst Anbindung des Stadtmagistratsgebäudes, später des neu aufgebauten Stadtteils Bubny-Zátory | |
Fielmann / neues Werk in Chomutov zur Produktion von Brillen und 5 Läden landesweit | 74 | Realisierungsphase; Bau 2022 begonnen; Produktion ab 2024 geplant; Läden werden Ende 2022 geöffnet | |
Daikin / Erweiterung der Produktion von Wärmepumpen in Brno | 50 | Vorbereitungsphase; Fertigstellung für 2025 geplant |
Tschechiens öffentliche Ausschreibungen werden im Amtsanzeiger Věstník veřejných zakázek veröffentlicht. Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Herbe Kaufkraftverluste haben die Konsumlaune der privaten Haushalte ruiniert. Ihr Verbrauch ist schon 2022 kaum über den des Vorjahres hinausgekommen und wird 2023 eher sinken. Die Verbraucherpreise stiegen im Oktober um 15,1 Prozent, wobei staatliche Energiepreishilfen für private Haushalte den Anstieg bremsten. Geht es nach der Zentralbank, kulminiert die Inflation im 4. Quartal bei 18 Prozent. Sie wird 2023 mit durchschnittlich 9 Prozent hoch bleiben. Erst 2024 sind wieder normalere Raten in Sicht.
Günstig in dieser Krise: Der Arbeitsmarkt ist in guter Verfassung mit wenigen Arbeitslosen und vielen freien Stellen. Fachkräftemangel und Inflation treiben die Löhne 2023 nominal um 6 bis 7 Prozent hoch. Real aber werden sie erneut an Wert einbüßen. In diesem Klima setzt der Einzelhandel weniger um. Allein im 3. Quartal 2022 lag das preis- und kalenderbereinigte Minus bei 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Lieferketten- und Energiekrise hat das Gewicht in der Handelsbilanz verlagert. Schon 2021 schloss sie mit einem Defizit. Von Januar bis September 2022 betrug der Passivsaldo umgerechnet 5,9 Milliarden Euro. Die Warenexporte stiegen dem Tschechischen Statistikamt zufolge nominal um 13,4 Prozent, die Importe um 19,2 Prozent. Die Zahlen erfassen Transaktionen, bei denen es zu einem Besitzerwechsel zwischen Residenten und Nichtresidenten kommt und sind nicht mit der Eurostat-Außenhandelsstatistik zu vergleichen.
Die Importdynamik ist auf höhere Preise für mineralische Brennstoffe, die rege Investitionsaktivität und den Lageraufbau zurückzuführen. Das größte Defizit verzeichnet Tschechien im Handel mit Erdöl und Erdgas. Traditionell ausgeprägt ist es auch bei chemischen Erzeugnissen und Arzneimitteln oder Lebensmitteln. Das Einfuhrtempo wird 2023 nachlassen, da Lager abgebaut werden, die Anlageinvestitionen abbremsen und der Konsum sinkt.
2020 | 2021 | Januar bis August 2022 | Veränderung2) | |
---|---|---|---|---|
Importe (cif)1) | 149,6 | 179,3 | 144,8 | 25,9 |
Exporte (fob)1) | 167,6 | 191,6 | 147,1 | 18,4 |