Wirtschaftsausblick | Tunesien
Tunesische Wirtschaft wächst nur moderat
Die Wirtschaftsentwicklung Tunesiens bleibt schwach. Aufgrund der angespannten Haushaltslage hat die Regierung kaum finanzielle Spielräume.
07.05.2025
Von Verena Matschoß | Tunis
Top-Thema: Chinesisches Interesse an Tunesien steigt
Aufkauf einer Zementfabrik, Projekte in der Kfz-Zulieferindustrie und im Infrastrukturbereich: Im Frühjahr 2025 war die tunesische Presse gefüllt mit Meldungen zu chinesischen Investitionsplänen in Tunesien. Die Foreign Investment Promotion Agency (FIPA) empfing im März und April Delegationen chinesischer Kfz-Zulieferer und des Staatsunternehmens NORINCO, das sich vor allem für den Infrastrukturbereich interessiere. Zudem könnte China Projekte im Sport- und Gesundheitsbereich finanzieren.
Am 15. April 2025 wurde das Zementwerk Djebel Oust im Gebiet Zaghouan an Sinoma Cement übergeben. Sinoma Cement ist ein Tochterunternehmen der chinesischen Gruppe CNBM. Unternehmen aus Fernost sind bisher in Tunesien vor allem als Auftragnehmer bei Infrastrukturprojekten involviert. Als Handelspartner gewinnt die Volksrepublik immer mehr an Bedeutung: Im Jahr 2024 war China zweitwichtigstes Lieferland. Als Investor spielt China allerdings noch eine untergeordnete Rolle.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum bleibt unter 2 Prozent
Die wirtschaftlichen Aussichten für Tunesien bleiben getrübt. So gehen die Analysten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Economist Intelligence Unit (EIU) von einem realen Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von lediglich rund 1,5 Prozent im Jahr 2025 aus. Die Weltbank ist etwas optimistischer und prognostiziert einen Anstieg um 1,9 Prozent, getragen von einer weiter steigenden Agrarproduktion und dem Tourismussektor.
Nach einem Wachstum von 1,4 Prozent im Jahr 2024 und einem Nullwachstum im Jahr 2023 ist dies jedoch zu wenig. Laut Weltbank wurde im Jahr 2024 das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder erreicht. Auch im Vergleich zu anderen Ländern der Region hinkt die wirtschaftliche Entwicklung hinterher. Für die Folgejahre gehen die meisten internationalen Institute weiterhin von einem Wachstum unter 2 Prozent aus.
Die Risiken für die Wirtschaftsentwicklung bleiben hoch. Tunesien kann externe Schocks kaum abfedern, nötige Wirtschaftsreformen lassen auf sich warten und die finanziellen Spielräume sind begrenzt. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels auf das wasserarme Land.
Inländische Finanzierung des Staatshaushalts nimmt zu
Die Situation im Staatshaushalt ist angespannt. Wie schon 2024 wird die tunesische Zentralbank dieses Jahr rund 2 Milliarden Euro für dessen Finanzierung zur Verfügung stellen. Das Institut Arabe des Chefs d'Entreprises gab im vergangenen Jahr zu bedenken, dass damit auch die Devisenreserven unter Druck gesetzt würden. Das scheint sich zu bewahrheiten: Ende April 2025 lagen diese bei unter 100 Tagen Importdeckung, der schlechteste Wert seit fast zwei Jahren.
Die Zusammenarbeit mit dem IWF ist vollkommen zum Erliegen gekommen. Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Kreditprogramm ist unwahrscheinlich. Dies hält unter anderem auch die EU davon ab, Kredite für den tunesischen Staatshaushalt zu vergeben. Die Regierung greift immer mehr auf lokale Finanzierungsquellen zurück. Im Finanzgesetz für das Jahr 2025 wird mit einem Anteil der internen Verschuldung von 58 Prozent an der gesamten Staatsschuld gerechnet.
Schwache Konjunktur in Europa dämpft Exporte
Tunesien ist abhängig von der Konjunktur in der EU, denn rund 70 Prozent der Ausfuhren gehen in europäische Länder. Die EIU geht davon aus, dass die Ausfuhren der exportorientierten Unternehmen, des sogenannten Offshore-Sektors, wieder zunehmen werden. Das betrifft vor allem die Hersteller von Komponenten für die Kfz- und Luftfahrtindustrie, die Textilbranche und die Agrarindustrie.
Das schwache Wirtschaftswachstum in der EU dämpft derzeit die tunesischen Exporte. Im Jahr 2024 gingen die Ausfuhren des Offshore-Sektors laut tunesischem Statistikinstitut auf Dinar-Basis um 1,3 Prozent zurück, insgesamt stagnierten die Exporte. Derzeit leiden die tunesischen Produzenten von Olivenöl, dem wichtigsten Exportprodukt in der Agrarindustrie, unter gesunkenen Weltmarktpreisen. Umgekehrt profitiert Tunesien bei der Einfuhr von Energieträgern und Weizen von sinkenden Preisen.
Ausländische Unternehmen erweitern ihre Präsenz
Nach vorläufigen Angaben der FIPA kamen im Jahr 2024 ausländische Direktinvestitionen von umgerechnet rund 865 Millionen Euro nach Tunesien. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein Anstieg um gut ein Fünftel.
Die mit Abstand meisten Vorhaben waren Erweiterungsinvestitionen. Vor allem die zahlreichen ausländischen Automobilzulieferer im Land stärken derzeit den Standort Tunesien. Nachdem in den vergangenen Jahren nur wenig beim Ausbau der erneuerbaren Energien passiert ist, kam 2024 viel Bewegung in den Sektor. Zudem steigt das Interesse internationaler Firmen an der Produktion von grünem Wasserstoff im Land.
Deutsche Perspektive: Deutschland auf Rang 2 der Investoren
Für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Tunesien war 2024 ein sehr gutes Jahr. Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes legten die deutschen Exporte um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Die deutschen Ausfuhren auf den afrikanischen Kontinent gingen dagegen um über 8 Prozent zurück.
Die deutschen Importe aus Tunesien sanken hingegen leicht um 0,7 Prozent. Deutschland ist drittwichtigster Abnehmer von tunesischen Waren. Traditionell übersteigen die deutschen Importe die Exporte. Das liegt daran, dass Tunesien stark in die deutschen Lieferketten einbezogen ist, vor allem im Bereich der Kfz-Industrie und der Bekleidungsproduktion. Fast alle deutschen Kfz-Zulieferer im Land erweitern derzeit ihre Produktion. Daneben investieren die Hersteller auch in die Forschung und Entwicklung vor Ort.
Laut FIPA waren Unternehmen aus Deutschland im Jahr 2024 die zweitwichtigsten Investoren im Land. Gemessen an der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze stand Deutschland sogar auf Rang 1. Die Dynamik hält an: Im April 2025 machten zwei deutsche Kfz-Zulieferer ihre Investitionspläne in Tunesien bekannt.
Weitere Informationen zu Tunesien bieten unter anderem unsere Reihen Wirtschaftsdaten kompakt und Wirtschaftsstandort.
Ferner sind auf der GTAI-Länderseite weitere Berichte (zum Beispiel Zoll- und Rechtsinformationen sowie Branchenberichte) zu finden sowie Meldungen zu Entwicklungsprojekten und Ausschreibungen.