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Branche kompakt | China | Chemische Industrie

Markttrends

Chinas Chemiebranche spürt die schwache Wirtschaftskonjunktur im In- und Ausland. Viele Hersteller von Basischemikalien plagt eine niedrige Auslastung und die Kosten steigen.

Von Corinne Abele | Shanghai

Als große Querschnittsbranche spiegelt die petrochemische und chemische Industrie wie kaum ein anderer Sektor den schwachen Zustand der chinesischen Wirtschaft wider. Dieser dürfte auch 2024 anhalten, wenngleich es Hoffnung auf eine leichte Erholung im Jahresverlauf 2024 gibt. Doch ob, wie im "Work Plan for Steady Growth of the Petrochemical and Chemical Industry" für 2024 vorgesehen, 5 Prozent Branchenwachstum erreicht werden, bleibt abzuwarten.

44 %

des weltweiten Chemieumsatzes entfielen 2022 auf China.

Denn einigen wichtigen Nachfragebranchen chemischer Produkte wie der Baubranche steht ein weiteres schwieriges Jahr bevor. Die höhere Nachfrage in  "grünen" Geschäftsbereichen – wie bei erneuerbaren Energien oder umweltverträglicheren und recycelbaren Produkten - dürfte dies nicht auffangen können. Zusätzlich leidet die Gesamtbranche unter wachsender Unsicherheit im zunehmend fragmentierten globalen Handel. Der stärkeren Umweltkontrolle gerade entlang der wirtschaftsstarken Ostküste sowie der dort forcierten Relokalisierung in Chemieindustrieparks versuchen lokale Chemiefirmen auch durch Umzug Richtung Westen ins Landesinnere zu entgehen. Darauf weisen Presseberichte über eine anhaltende Zahl von Chemieunfällen hin. 

Schwierige Situation hält 2024 an

Sinkende Preise für chemische Produkte haben bereits 2023 zu einem leichten Umsatzrückgang von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geführt. Dabei stieg die industrielle Wertschöpfung des Sektors im gleichen Zeitraum um 8,4 Prozent. Die Gewinne brachen 2023 im Vergleich zum Vorjahr infolge von Preisrückgängen weiter um 20,7 Prozent ein – im Chemiesektor allein lag der Rückgang bei 31,2 Prozent, im Bereich Basischemikalien bei 50,6 Prozent und in der Düngemittelindustrie bei 60,2 Prozent. Der Preisverfall dürfte sich damit weiter fortsetzen. 

Trotz häufig niedriger Auslastungsgrade der Hersteller beispielsweise von Styrol (Lösungsmittel), PVC oder auch Düngemitteln werden weitere Kapazitäten aufgebaut. Inzwischen verfügt China allein über 60 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für Essigsäure und liegt bei der Herstellung von Terephtalsäure (Rohstoff für die Herstellung von Polyethylenterephthalat (PET)) auf Platz 1. Bei Polycarbonat (thermoplastischer Kunststoff) sowie PA66 (Polyamid) liegt die Auslastung laut CHEManager nur bei etwa 60 Prozent. Tatsächlich übertreffe laut CHEManager inzwischen Chinas Raffineriekapazität die der USA; die verarbeitete Menge liege jedoch darunter. 

Angestrebte Veränderungen in der chemischen Industrie in China gemäß dem 14. Fünfjahresplan 2021 bis 2025
BereichZiele
InnovationBis 2025 sollen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben (FuE) in Großunternehmen mindestens 1,5 Prozent am Umsatz erreichen. Angestrebt wird der Durchbruch bei mehr als 20 Schlüsseltechnologien und mehr als 40 neuen Kernprodukten.
IndustriestrukturDie Branchenkonzentration im Bereich Basischemie soll steigen; angestrebt wird eine Kapazitätsauslastung von 80 Prozent. Bis 2025 soll bei neuen chemischen Materialien die Selbstversorgungsquote 75 Prozent betragen.  
IndustrieparksProduktion von und Umgang mit gefährlichen Chemikalien soll sich künftig in 70 wettbewerbsfähigen Chemie-Industrieparks konzentrieren. Bis 2025 sollen die Unternehmen in diesen Chemieparks mindestens 70 Prozent des gesamten Branchenproduktionswertes erwirtschaften.
DigitalisierungBis 2025 sollen 30 Pilotfabriken sowie 50 Pilotparks für intelligente Fertigung in der Chemiebranche entstehen.
Nachhaltigkeit und KlimaschutzEnergieverbrauch und Kohlendioxidemissionen pro Einheit Schüttgut werden erheblich reduziert. Die Gesamtemissionen flüchtiger organischer Verbindungen sollen bis 2025 im Vergleich zu 2020 um über 10 Prozent sinken. Die Produktionssicherheit wird erheblich verbessert, um das Risiko schwerer Unfälle zu verringern.
Quelle: Leitlinien einer hochwertigen Entwicklung der petrochemischen und chemischen Industrie im Rahmen des 14. Fünfjahresplans vom März 2022

Immobilienmarkt bleibt im Krisenmodus

Dabei rechnen einige Analysten und Branchenunternehmen auch 2024 mit nur verhaltender Chemienachfrage im Binnenmarkt. Die Immobilienkrise ist bei weitem nicht unter Kontrolle und zieht immer wieder weitere Kreise. Inzwischen sind auch Branchenführer wie Gemdale oder Vanke betroffen. Die Fläche neu begonnener Wohnungsbauten für den kommerziellen Verkauf sinkt seit 2020 und gab 2023 erneut um 20,9 Prozent im Vergleich zum bereits katastrophalen Jahr 2022 nach. Ebenfalls geraten aufgrund der schwierigen Finanzsituation einiger Lokalregierungen auch zunehmend Infrastrukturprojekte ins Stocken. 

Für starke Nachfrage sorgt hingegen weiterhin die Elektromobilität. Auch in den ersten zwei Monaten 2024 legte der Verkauf von Pkw mit alternativen Antrieb (NEV) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Angaben der China Passenger Car Association um 37,5 Prozent zu. Doch der Markt ist von extremen Preiskämpfen geprägt, der den finanziellen Druck auf die NEV-Hersteller weiter erhöht. Wie auch bereits in den erneuerbaren Energiebereichen Solar und Wind, hat China auch im NEV-Bereich hohe Überkapazitäten geschaffen, die nun in die Weltmärkte drängen. 

Sicherheit vor Nachhaltigkeit

Zwar setzt China auf Nachhaltigkeit durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien, gleichzeitig erhöht es jedoch die Produktion von Kohle, Gas und Erdöl, um Energiesicherheit und geringere Abhängigkeit von Energieimporten zu erreichen. So stieg die Rohölproduktion 2023 um 2 Prozent auf 209 Millionen Tonnen, die Gasproduktion erreichte mit knapp 230 Milliarden Kubikmetern einen neuen Höchstwert. Auch werde die Erkundung und Erschließung von Öl- und Gasvorkommen intensiviert, erklärte die China Petroleum and Chemical Industry Federation (CPCIP) in einer Pressekonferenz am 1. Februar 2024.

Auch der Ausbau der kohlebasierten Chemieindustrie dient China unter anderem dazu, strategische Abhängigkeiten von Öl und Gas als Ausgangsstoffe für die Chemie zu verringern. Vor allem kohlereiche Provinzen treiben den Sektor als einer der wenigen Kohle nachfragenden Bereiche mit Perspektive voran. Laut einer Studie von Oxfordenergy ist er allein für 5,4 Prozent von Chinas CO2-Emissionen verantwortlich. 

Xinjiang und Geopolitik belasten Branche

Gerade die Provinz Xinjiang verfügt über eine starke Basis auch kohlebasierter organischer Chemie. Die Debatte um Menschenrechtsverletzungen (Zwangsarbeit, Internierungslager) der hauptsächlich in Xinjiang lebenden Uiguren durch China hat inzwischen handelspolitische Konsequenzen. So verbieten die USA mit dem Uyghur Forced Labour Prevention Act den Import von mit uighurischer Zwangsarbeit hergestellten Produkten. Auch stehen inzwischen die großen staatlichen Chemiekonzerne ChemChina sowie China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) in den USA auf der schwarzen Liste mutmaßlicher Militärunternehmen. In der Folge können sie mit Sanktionen bedacht werden. Zudem gilt seit 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Ausländische Chemiefirmen müssen bei ihrem Engagement in China stärker als bislang auf eine neue Dimension geopolitischer Risiken achten und entsprechendes Risikomanagement betreiben. So verkündete China noch 2023 überraschend und mit kurzem Vorlauf, seine Exportkontrollen für die Graphitausfuhr ab 1. Dezember 2023 zu erhöhen. Graphit ist ein wichtiges Ausgangsmaterial unter anderem für die Batterieproduktion. Bereits im Juli 2023 hatte das Land erhöhte Exportkontrollen für Gallium und Germanium verkündet, zwei wichtige technische Metalle für die Halbleiterproduktion.  

Stand: März 2024

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