Wirtschaftsausblick | Australien
Australiens Wirtschaft stellt sich auf magere Zeiten ein
Durch die andauernde Inflation dürfte es zu weiteren Zinserhöhungen durch die Zentralbank kommen. Das Konsumklima verschlechtert sich deutlich.
29.06.2023
Von Heiko Stumpf | Sydney
Wirtschaftsentwicklung: Konjunkturaussichten trüben sich ein
Das Wirtschaftswachstum in Australien verlangsamt sich deutlich. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schlägt mit einer für 2023 erwarteten Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von real 1,8 Prozent noch optimistische Töne an. Demgegenüber korrigieren die Volkswirte australischer Geschäftsbanken ihre Prognosen deutlich nach unten.
Die National Australia Bank (NAB) und die australische Bank Westpac rechnen für 2023 nur noch mit einem Plus von 1,2 beziehungsweise 1,3 Prozent. Im Jahr 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Ansicht beider Institute um 0,5 Prozent zulegen. Für die erfolgsverwöhnte australische Wirtschaft sind dies schwache Werte. Von 2012 bis 2022 wuchs das BIP in Down Under um durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr.
Bild vergrößernAls hartnäckig erweist sich die Inflation (April 2023: 6,8 Prozent), weshalb mit weiteren Zinserhöhungen durch die Zentralbank zu rechnen ist. Bis Ende 2023 erwarten die Märkte einen Anstieg des Leitzinses von derzeit 4,1 Prozent auf 4,6 Prozent. Dies belastet den privaten Konsum, welcher rund 50 Prozent zur BIP-Entstehung beisteuert. Die NAB befürchtet für 2023 und 2024 eine Stagnation der Verbraucherausgaben.
Vor diesem Hintergrund setzt sich die regierende Labor-Partei für ein höheres Lohnwachstum ein. Die Rolle der Gewerkschaften bei der Lohnfindung wurde bereits dadurch gestärkt, dass seit Juni 2023 wieder Flächentarifverträge abgeschlossen werden können. Mit weiteren Reformen soll unter anderem die gleiche Bezahlung von Leiharbeitnehmern durchgesetzt werden. Der gesetzliche Mindestlohn steigt zum 1. Juli 2023 um 8,6 Prozent.
Eine Lohnspirale manifestiert sich aber bislang nicht. Der Anstieg der Nominallöhne dürfte 2023 mit rund 4 Prozent hinter der Inflationsrate zurückbleiben. Diese soll laut Prognosen über 5 Prozent betragen.
Fortschritte erzielt die Regierung beim Klimaschutz. Mit dem "Safeguard Mechanism" treten zum 1. Juli 2023 neue Emissionsgrenzen für große Industriebetriebe in Kraft. Bis 2030 schreiben diese eine jährliche Emissionsminderung von 4,9 Prozent vor.
Wirtschaftliche Eckdaten Australien
Indikator | 2021 | 2022 | Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 1.646 | 1.702 | 4.075 |
BIP pro Kopf (US$) | 63.896 | 65.526 | 48.630 |
Bevölkerung (Mio.) | 25,8 | 26,0 | 83,4 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = ... Australische Dollar ($A)) | 1,331 | 1,439 | - |
Investitionen: Unternehmen agieren vorsichtiger
Die Bruttoanlageinvestitionen der privaten Unternehmen entwickelten sich zuletzt sehr robust. Im Finanzjahr 2022/2023 (Juli bis Juni) gab es ein nominales Plus von 14,2 Prozent. Maßgeblich war ein Allzeithoch bei der Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen (plus 8,9 Prozent). Umfragen des nationalen Statistikamtes deuten für 2023/2024 auf einen deutlich geringeren Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen hin (circa 5 Prozent).
Die im Rahmen von Corona eingeführte Möglichkeit einer unbegrenzten Sofortabschreibung für bewegliche Anlagegüter fällt ab 1. Juli 2023 als Impulsgeber weg. Durch den "National Reconstruction Fund" stellt die Regierung jedoch rund 11 Milliarden US-Dollar (US$) zur Förderung des verarbeitenden Gewerbes bereit. Die Fördermittel stehen für den Bau und die Modernisierung von Produktionskapazitäten bereit.
Durch die Bundesstaaten gibt es eine Investitionswelle im Infrastrukturausbau. Allein in Victoria befinden über 700 Projekte mit einem Volumen von 140 Milliarden US$ in Bau oder Planung. Queensland will in den kommenden vier Jahren rund 62 Milliarden US$ investieren. Rund 5 Milliarden US$ fließen in den Bau von Sportstätten für die Olympischen Sommerspiele 2032 in Brisbane.
Ausgewählte Großprojekte in Australien (Investitionssumme in Milliarden US-Dollar)
Projektbezeichnung | Investitionssumme1 | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
86,8 | Teilstücke SRL East und North in Bau bis 2035 | ||
21,8 | in Bau bis 2027 | ||
17,62) | in Bau bis 2030 | ||
11,0 | in Bau bis 2028 | ||
Borumba Dam Pumped Hydro | 9,9 | Planung, Investitionsentscheidung soll bis Dezember 2023 fallen | |
Melbourne Airport Rail | 9,02 | in Bau bis 2029 | |
7,6 | in Bau bis 2026 | ||
Western Harbour Tunnel Sydney | 4,7 | in Bau bis 2027 | |
Snowy Hydro 2.0 Pumpspeicherkraftwerk (2 Gigawatt) | 3,92 | in Bau, Fertigstellung verzögert sich bis 2029 | |
3,7 | in Bau bis Ende 2026 |
Aktuelle Ausschreibungen veröffentlicht die australische Bundesregierung auf dem Portal AusTender. Zusätzlich gibt es Portale der Bundesstaaten, wie beispielsweise von New South Wales und Victoria.
Konsum: Die Haushalte schrauben ihre Ausgaben zurück
Die Aussichten für die privaten Konsumausgaben sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erwartet für 2023 einen Anstieg von real 2,1 Prozent. Australische Institute rechnen hingegen mit einer Stagnation des privaten Verbrauchs.
Steigende Zinsen und Reallohnverluste dürften dafür sorgen, dass die Pro-Kopf-Verbraucherausgaben sinken. Rund 2,3 Millionen Haushalte sind mit oft sehr hohen Immobilienkrediten belastet. Da eine lange Zinsbindung unüblich ist, machen sich Zinserhöhungen schnell im Geldbeutel bemerkbar. Der "Consumer Sentiment Index" von Westpac bewegte sich im 1. Halbjahr 2023 auf dem Niveau von 1990, als es die letzte längere Rezession gab.
Für einen Ausgleich des schlechten Konsumklimas sorgt das hohe Bevölkerungswachstum. Die Nettozuwanderung dürfte im Finanzjahr 2022/2023 einen Rekordwert von 400.000 Personen erreichen. Dies umfasst viele Fachkräfte, die sich schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Die Anzahl der Einkommensbezieher kletterte im Mai 2023 auf einen Höchststand von knapp 14 Millionen. Im Zuge der konjunkturellen Abkühlung dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende 2024 jedoch auf über 4,5 Prozent steigen (Mai 2023: 3,6 Prozent).
Außenhandel: Importnachfrage entwickelt sich positiv
Der bilaterale Handel zwischen Deutschland und Australien erlebte 2022 einen Boom. Das bilaterale Handelsvolumen stieg um 36,4 Prozent und erreichte ein Rekordhoch von rund 17,9 Milliarden Euro. Die deutschen Ausfuhren nach Down Under beliefen sich auf 11,8 Milliarden Euro (plus 19,2 Prozent).
Für 2023 zeichnet sich eine Abkühlung der Nachfrage nach wichtigen deutschen Ausfuhrgütern wie Maschinen, Kfz oder chemischen Erzeugnissen ab. Die Bauwirtschaft leidet unter einem Einbruch im Wohnungsbau. Aufgrund des Wetterphänomens El Niño muss sich die Landwirtschaft für 2023/2024 auf schwierigere Anbaubedingungen einstellen. Dies wird den Absatz von Landmaschinen oder Agrarchemie beeinflussen. Der auf Maschinenlieferungen angewiesene Rohstoffsektor tätigt weiter hohe Ausgaben. Für kritische Mineralien befinden sich rund 80 Projekte mit einem Investitionsvolumen von über 14 Milliarden US$ in der Planung.
Die Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien sollen bis Mitte 2023 erfolgreich abgeschlossen werden.
Außenhandel Australiens (in Milliarden US-Dollar; nominale Veränderung in Prozent)
2021 | 2022 | Veränderung | |
---|---|---|---|
Importe | 261,6 | 309,3 | 18,2 |
Exporte | 342,0 | 410,3 | 20,0 |