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USAKonjunktur
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick | USA
Die US-Wirtschaft wächst im 2. Halbjahr 2020. Größte Risikofaktoren bleiben Corona und die kritische Haushaltslage vieler Bundesstaaten und Unternehmen.
25.11.2020
Von Ullrich Umann | Washington, D.C.
Seit Sommer 2020 befindet sich die US-Wirtschaft auf Aufholjagd. Der damit ausgelöste Schwung reicht jedoch nicht aus, um den massiven Einbruch aus dem ersten Halbjahr bis Ende Dezember auszugleichen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird für das Gesamtjahr 2020 laut Konsensprognose der Blue Chip Economic Indicators einen Rückgang von 3,7 Prozent ausweisen.
Das BIP wird aller Voraussicht nach aber im Folgejahr wieder leicht wachsen; die Blue Chip Economic Indicators gehen für 2021 von einer Zunahme von etwa 4 Prozent aus. Zwar dürfte das Wachstum im 1. Quartal 2021 noch verhalten ausfallen, im 2. Quartal sollte es jedoch signifikant anziehen. Mit einer vollständigen Wiederherstellung des Vorkrisenniveaus kann für 2022 gerechnet werden.
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hält angesichts der insgesamt noch fragilen Wirtschaftslage an ihrer Nullzinspolitik fest, zumal seit Ende Juli keine Hilfszahlungen mehr aus dem Bundeshaushalt in die Wirtschaft und Sozialsysteme geleistet wurden. Auf ein dringend benötigtes Nachfolgepaket können sich das Repräsentantenhaus, der Senat und das Weiße Haus aber nicht einigen - Parteienzwist und politisches Kalkül in Wahlkampfzeiten sind die Ursachen. Zusätzlich sieht die Fed in der fortschreitenden Coronapandemie unkalkulierbare Risiken für Bevölkerung und Unternehmen. Der Fed-Chef Jerome Powell warnt bei seinen Auftritten daher auch vor einem zu großen Optimismus.
Indikator | 2019 | 2020 | Vergleichsdaten Deutschland 2019 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 21.433 | 20.807 | 3.854 |
BIP pro Kopf (US$) | 65.254 | 63.051 | 46.385 |
Bevölkerung (Mio.) | 328 | 330 | 83 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro/US$) | 1,296 | 1,177*) | - |
Die niedrigen Durchschnittszinsen, die zu erwartende Wiederaufnahme staatlicher Hilfszahlungen, aber auch die Normalisierung des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens nach Einsatz eines wirksamen Coronaimpfstoffes werden 2021 die Investitionen stimulieren. Auch wird die neue Regierung Joe Bidens über Präsidial- und Behördenerlasse einen schrittweisen Technologiewechsel zur Dekarbonisierung von Verkehr und Wirtschaft einleiten. Einen nicht unerheblichen Beitrag zur Technologieentwicklung leistet außerdem der Verteidigungshaushalt, wodurch zusätzliche staatliche und private Investitionen fließen.
Investiert wird unter anderem in die Bereiche Digitalisierung, Automatisierung, intelligente Stromnetze, alternative Energiegewinnung und -speicherung, Wasserstoffanwendungen, alternative Antriebe, Batterietechnik, neue Werkstoffe und Leichtbau, künstliche Intelligenz, Lasertechnik, 5G sowie Luft- und Raumfahrt.
Über staatliche Investitionen in die Infrastruktur entscheidet überwiegend der Kongress, der in den vergangenen Jahren durch parteipolitische Konflikte an der Verabschiedung umfassender Finanzierungspakete gehindert wurde. Daran dürfte sich 2021 kaum etwas ändern. Bundesstaaten und Kommunen sind in der Folge auf sich selbst gestellt, wenn es um die Durchführung unaufschiebbarer Vorhaben geht, obwohl ihre Kassenlage in Krisenzeiten alles andere als solide ist.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Bau von vier Justizvollzugsanstalten | k.A. | Planung | |
Bau von Flughafenterminals | k.A. | Planung | |
Schulbau | 225 | Planung | |
Bau von Hochspannungsleitungen | k.A. | Genehmigung | |
Bau von Hochwasserschutzeinrichtungen | 863 | Planung | |
Bau von Eisenbahnverbindungen und Brücken | 950 | Planung | |
Hafenausbau | 220 | Planung | |
Bau von PV-Freiflächenanlagen und Speicherfarmen | 218 | Planung |
Der Konsum kann sich auf das Gesamtjahr hochgerechnet vom Lockdown im Frühjahr nicht komplett erholen. Die Blue Chip Economic Indicators gehen für 2020 von einem Rückgang des privaten Konsums um 3,9 Prozent aus. Im Einzelhandel wurde der gravierendste Umsatzeinbruch im April mit einem Minus von 14,7 Prozent gemessen. Seit Verhängung von Ausgangsbeschränkungen verlagerten sich die Konsumausgaben der Privathaushalte vom Präsenz- in den Onlinehandel sowie strukturell von den Dienstleistungen (Restaurants, Vergnügungs- und Freizeiteinrichtungen) zu langlebigen Industriegütern (Inneneinrichtungen, Haushaltselektronik).
Im 2. Halbjahr 2020 erholt sich der Konsum spürbar, begleitet von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit von 16,4 Prozent im Mai auf 6,9 Prozent im Oktober. Für 2021 sagt die Fed eine Arbeitslosenrate von 5,5 Prozent voraus. Die sehr lockere Geldpolitik der Fed stimuliert den Konsum zusätzlich, was insbesondere die stark gestiegene Aufnahme von Hypothekenkrediten für den Bau von Eigenheimen zeigt.
Am 20. Januar 2021 wird Joe Biden als 46. US-Präsident vereidigt. Damit stellen sich insbesondere die handels-, umwelt- und energiepolitischen Weichen neu. Auch dürfte das Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem stärker in den Fokus der amerikanischen Bundespolitik rücken.
Für die deutsche Wirtschaft ergeben sich aus dieser Kursänderung neue und auch erweiterte Geschäftsmöglichkeiten. Zudem darf von einer etappenweisen Entspannung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU ausgegangen werden. Für die deutsche Außenwirtschaft bedeutet das ein Mehr an Planungssicherheit sowie verringerte Risiken bei Exportgeschäften und Direktinvestitionen.
2018 | 2019 | Jan.-Sept. 2019 | Jan.-Sept. 2020 | Veränderung Jan.-Sept. 2019/2020 | |
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Importe | 2.537.729 | 2.497.531 | 1.876.352 | 1.688.861 | -10,1 *) |
Exporte | 1.665.688 | 1.643.161 | 1.228.545 | 1.039.365 | -15,4 |
Handelsbilanzsaldo | -872.041 | -854.370 | -647.807 | -649.496 | -0,3 |