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Wirtschaftsausblick | Brasilien

Wachstum in Brasilien schwächt sich 2026 ab

Hohe Zinsen und die Unsicherheit vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Herbst 2026 bremsen die Wirtschaft. Dazu kommen die Turbulenzen im Welthandel.

Von Gloria Rose | São Paulo

Top-Thema: Wie reagiert Brasilien auf die geopolitischen Änderungen?

Sah es anfangs so aus, als würde Brasilien bei den US-Zöllen glimpflich davon kommen, bekam das Land im August 2025 Zusatzzölle in Höhe von 40 Prozent aufgebrummt. Fast 700 Produkte, deren Importe aus Brasilien besonders wichtig für die Versorgung des US-Marktes sind, wurden dabei aber ausgenommen. Seit November 2025 gilt eine Ausnahme für weitere 248 Warengruppen. Die Regierung unter Präsident Lula da Silva strebt ein Abkommen mit den USA an.

Angesichts der hohen Unsicherheit rund um den Welthandel gewinnt für Brasilien die Diversifizierung der Handelspartner stark an Bedeutung. Oberste Priorität hat die schnellstmögliche Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens. Die Mercosur-Staaten verhandeln zudem Freihandelsabkommen mit Südkorea und Vietnam sowie Kanada, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indonesien und Libanon.

Mit China hat Brasilien 2025 insgesamt 36 bilaterale Vereinbarungen getroffen, darunter zu Themen wie Infrastruktur, Energie, Umweltschutz und Landwirtschaft. Doch Brasiliens Industrie ist stark darauf bedacht, nicht von chinesischen Überkapazitäten überrollt zu werden.

Brasilien – Partnerland der Hannover Messe 2026

Brasilien ist 2026 Partnerland der Hannover Messe, der Weltleitmesse für die produzierende Industrie, die von 20. bis 24. April stattfinden wird. Im Umfeld der Messe ist auch eine Neuauflage der Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen geplant. Unternehmen hoffen auf einen Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommens.

Wirtschaftsentwicklung: Mäßigeres Wachstum im Wahljahr

Im Jahr 2026 dürfte sich das Wachstum der brasilianischen Wirtschaft fortsetzen, wenn auch langsamer als 2025. Denn seit dem 2. Halbjahr 2025 kühlt sich die Konjunktur deutlich ab. Hauptgrund sind die hohen Zinsen: Um die Inflation einzudämmen, hat die Zentralbank den Leitzins Selic seit September 2024 in sieben Schritten um 4,5 Prozentpunkte auf 15 Prozent angehoben. Das ist der höchste Stand seit 20 Jahren.

Von der Zentralbank kam bislang keine klare Aussage, wann sie die Zinswende einleiten will. Doch der Finanzmarkt erwartet, dass ab dem 1. Quartal 2026 erste Zinssenkungen erfolgen werden. Bis Ende 2026 könnte der Selic auf 12 Prozent sinken.

Die hohen Zinsen haben die Talfahrt des Real (R$) gestoppt. Nach der Abwertung 2024 gewann die brasilianische Währung 2025 gegenüber dem US-Dollar (US$) stärker an Wert als die meisten anderen Währungen.

Lula geht mit einem Vorsprung ins Rennen um seine vierte Präsidentschaft

Die dritte Amtszeit von Lula geht 2026 zu Ende. Doch der 80-jährige Politiker kündigte bereits an, sich erneut zur Wahl stellen zu wollen. Auf Seite der Opposition hat Flávio Bolsonaro, der älteste Sohn von Ex-Präsident Jair Bolsonaro, seine Kandidatur angekündigt. Die nächste Regierung steht vor der Herausforderung, die stark steigende Staatsverschuldung einzudämmen. Im Wahljahr kann das fiskalpolitische Risiko zu Verunsicherung am Finanzmarkt und entsprechend hoher Volatilität führen.

Die langfristigen Aussichten bleiben aber gut. Die 2023 beschlossene Steuerreform trägt dazu bei, Bürokratie abzubauen und verbessert die Voraussetzungen für eine grüne Reindustrialisierung. Weitere Impulse hierzu schaffen die neue Industriepolitik, das Förderprogramm für die Kfz-Industrie, das Rahmengesetz für kohlenstoffarmen Wasserstoff sowie für den verpflichtenden Emissionshandel.

Agribusiness und Rohstoffe kurbeln Wachstum an

Das Agribusiness bleibt ein Wachstumstreiber, wenn auch volatil: 2025 bringt ein kräftiges Plus von rund 8 Prozent, gestützt durch eine Rekordernte und wachsende Exporte nach China und in neue Märkte. Für 2026 wird ein moderateres Wachstum von 2 bis 3 Prozent prognostiziert.

Die Industrie hingegen zeigt deutliche Abschwächung. Die Industrieproduktion dürfte 2025 mit 1,5 Prozent nur halb so schnell wachsen wie 2024, auch wegen der hohen Finanzierungskosten. Doch die Sektoren entwickeln sich unterschiedlich. Während die verarbeitende Industrie stagniert, wächst die Rohstoffindustrie kräftig. Öl- und Gassektor, Bergbau, Agribusiness sowie Infrastrukturprojekte sorgen auch 2026 für Impulse.

Der Dienstleistungssektor bleibt robust, getragen von Einkommen und Beschäftigung: Für 2025 und 2026 werden Zuwächse von 1,8 beziehungsweise 1,5 Prozent erwartet. Der Sektor liegt fast 20 Prozent über dem Vorkrisenniveau.

Konsum bleibt relativ stark

Der private Konsum zeigt sich trotz restriktiver Geldpolitik robust, schwächt sich aber auch ab: Nach dem kräftigen Plus von 4,8 Prozent 2024 wird für 2025 und 2026 ein Wachstum von rund 2 Prozent erwartet. Treiber sind die historisch niedrige Arbeitslosigkeit von zuletzt 5,4 Prozent, steigende Realeinkommen sowie höhere Sozialtransfers und die Erhöhung des Mindestlohns. Ab 2026 wird die Einkommensgrenze, ab der Haushalte Einkommensteuern entrichten, um 65 Prozent angehoben. Dadurch könnten 2026 zusätzliche 5 Milliarden US$ in die Wirtschaft fließen und den Konsum beleben.

Hohe Zinsen belasten die Investitionen

Die Investitionen reagieren deutlich sensibler auf die restriktive Geldpolitik: Nach 7,3 Prozent Wachstum 2024 wird für 2025 ein Plus von 3,9 Prozent prognostiziert, bereinigt um Sondereffekte sogar nur 2,1 Prozent. Für 2026 erwarten die Finanzinstitute einen Zuwachs um maximal 1 Prozent. Gründe sind hohe Finanzierungskosten und sinkendes Unternehmervertrauen.

Außenhandel: China ist wichtigster Handelspartner

Angetrieben von Agrargütern steigen die Exporte 2025 stärker als im Vorjahr. Dagegen lässt der Zuwachs bei den Importen seit 2024 deutlich nach. Brasiliens Handelsbilanzüberschuss könnte 2025 einen Wert von 63,5 Milliarden US$ erreichen und dürfte in den kommenden Jahren weiter ansteigen.

Deutsche Perspektive: EU-Mercosur-Abkommen gewinnt an Bedeutung

Deutschland ist Brasiliens drittwichtigstes Lieferland, nach China und den USA. Allerdings ist das Importvolumen aus China heute fünfmal so hoch wie das aus Deutschland. Deutsche Produkte genießen in Brasilien einen hervorragenden Ruf, können auf dem preissensiblen Markt jedoch kaum mit Waren aus der Volksrepublik mithalten.

Für Maschinenbauer wird es schwieriger, Zollerleichterungen über das Regime Ex-Tarifário zu erhalten. Umso wichtiger wird das Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens, das den EU-Staaten auch den Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern soll.

GTAI-Informationsangebote zu Brasilien

Weitere Informationen zu Brasilien bieten unter anderem die Publikationen Wirtschaftsstandort und Wirtschaftsdaten kompakt sowie die Reihe Branche kompakt. Ferner sind auf der GTAI-Länderseite Brasilien zahlreiche weitere Berichte zum Wirtschaftsumfeld, zu Branchen sowie zu Zoll- und Rechtsthemen zu finden. Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bieten die Rubriken "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".

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