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Kanadas Dienstleistungsmarkt: Chancen für deutsche Unternehmen

Das Freihandelsabkommen CETA erleichtert den Marktzugang für Waren und Dienstleistungen. Deutsche Anbieter nutzen Chancen in den Bereichen IT-, Ingenieur- und Beratungsservices.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Kanada ist eine der stabilsten Volkswirtschaften der Welt – und ein Dienstleistungsland: Rund 75 Prozent des kanadischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen auf Dienstleistungen. Dies bietet Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Firmen, denn mit dem Freihandelsabkommen CETA zwischen Kanada und der EU hat sich der Marktzugang für europäische Anbieter grundlegend verändert.

Seit dem vorläufigen Inkrafttreten des Abkommens im Jahr 2017 sind Zölle gefallen, wurden Ausschreibungen geöffnet und regulatorische Hürden gesenkt. Für deutsche Unternehmen bedeutet das: Exporte nach Kanada, auch von Dienstleistungen, sind einfacher und attraktiver als je zuvor.

Ausschreibungen öffnen sich für deutsche Firmen

Vor CETA war der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in Kanada für ausländische Anbieter stark eingeschränkt, da viele Vergaben nur Unternehmen mit Präsenz vor Ort offen standen. Mit CETA können deutsche Firmen auch ohne Niederlassung im Land an Ausschreibungen auf Bundes-, Provinz- und kommunaler Ebene teilnehmen – ein klarer Vorteil für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Plattformen wie CanadaBuys bündeln Ausschreibungen und schaffen Transparenz, während lokale Bid-Management-Dienstleister den Einstieg erleichtern.

Auch die Anerkennung von Qualifikationen wurde verbessert: Das Pan-Canadian Framework und Initiativen wie der International Credentials Recognition Act (ICRA) in der Provinz British Columbia erleichtern seit 2024 die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, insbesondere in regulierten Berufen wie Ingenieurwesen, Architektur oder IT-Dienstleistungen. Das reduziert zusätzliche Prüfungen und beschleunigt die Zulassung für projektbezogene Einsätze.

Dennoch gilt: Wer vor Ort tätig werden will – etwa bei Installation oder Bauleitung – braucht weiterhin eine Arbeitserlaubnis. CETA vereinfacht zwar die Verfahren für temporäre Entsendungen und projektbezogene Dienstleistungen. Zudem ermöglicht es schnellere Genehmigungen und vereinfacht die Gründung von Niederlassungen. Ganz ohne Formalitäten geht es aber nicht: Visa und Arbeitsgenehmigungen müssen weiterhin individuell beantragt werden, oft mit Unterstützung eines kanadischen Kunden oder Partners.

IT, Energie, Beratung: Deutsche Anbieter im Aufwind

Profitieren können deutsche KMU vor allem in drei Segmenten:

  • IT und Cybersecurity: Mit der Digitalisierung öffentlicher Dienste steigt der Bedarf an sicheren Cloud-Lösungen und Datenanalyse. Deutsche SaaS-Anbieter (Software as a Service) erbringen Dienstleistungen direkt aus europäischen Rechenzentren. SAP unterstützt Versorger bei der Implementierung von Utility-Network-Systemen, Siemens liefert Automatisierungslösungen für Gebäude und Energie – meist über kanadische Teams, aber mit deutscher Technologie und Architektur.
  • Ingenieur- und Energiedienstleistungen: Die Energiewende in Kanada schafft Chancen für deutsche Spezialisten. Fichtner berät Energieversorger zu Floating-PV-Anlagen, also schwimmenden Solarsystemen, und zu Kreislaufwirtschaft. Die Projektsteuerung erfolgt überwiegend aus Deutschland. Auch die H2Global-Initiative bringt deutsches Know-how in Ausschreibungsmechanismen für grünen Wasserstoff ein.
  • Audit und Beratungsservices: Die Öffnung des öffentlichen Beschaffungsmarktes erlaubt deutschen Beratungsunternehmen die direkte Teilnahme an Ausschreibungen. Beispiele sind Capgemini Invent und SAP Consulting, die Projekte zur digitalen Transformation in Behörden begleiten.

Wachstum hinkt aber den Erwartungen hinterher

Trotz der Vorteile des CETA-Abkommens und erleichterter Regeln für die Entsendung von Fachkräften wachsen die deutschen Dienstleistungsexporte nach Kanada langsamer als die anderer Lieferländer. Im Jahr 2024 importierte Kanada kommerzielle Dienstleistungen aus Deutschland im Wert von rund 44 Milliarden US-Dollar. Damit gehörte Deutschland zwar zu den zehn wichtigsten Lieferländern, steigerte seine Dienstleistungsexporte nach Kanada jedoch nur um 3,8 Prozent – deutlich schwächer als der weltweite Durchschnitt von +7,2 Prozent.

Diese unterdurchschnittliche Entwicklung zeigt sich nicht erst aktuell: Laut einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) legten die deutschen Dienstleistungsexporte nach Kanada zwischen 2016 und 2023 insgesamt nur um etwa 19 Prozent zu, während die Exporte der EU insgesamt dorthin um mehr als 80 Prozent gewachsen sind.

Starke Zuwächse verzeichneten in Kanada zuletzt Vietnam, China und Mexiko – vor allem bei IT-Outsourcing und Engineering sowie bei Business Process Services, also ausgelagerten Geschäftsprozessen wie Buchhaltung, Kundenservice oder IT-Support. Diese Anbieter punkten mit Kosten- und Skalenvorteilen, englischsprachigen Teams und Nähe zum nordamerikanischen Markt.

Premium statt Masse: Wo Deutschland stark bleibt

Deutsche Unternehmen setzen auf Premium-Positionierung: hohe Qualität, Datenschutz und Nachhaltigkeit. Das sichert Chancen in regulierten Branchen, bei Energieprojekten und in Bereichen mit komplexer Governance – also Projekten mit strengen Compliance-Vorgaben, mehreren Entscheidungsebenen und hohen Transparenzanforderungen –, jedoch weniger in volumenstarken Outsourcing-Modellen. 

Kanadas Markt für Dienstleistungen wächst. Deutsche Anbieter sind gut positioniert, wenn sie ihre Stärken ausspielen: Qualität, Nachhaltigkeit und Expertise in regulierten Branchen. Wer zusätzlich in digitale Services investiert und lokale Partnerschaften nutzt, kann die Chancen von CETA noch besser ausschöpfen.

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