Wirtschaftsausblick | Kanada
Kanada sucht neue Handelspartner
Kanadas Wirtschaft wird 2025 voraussichtlich leicht wachsen. Impulse kommen von den gesunkenen Zinsen. Doch vieles bleibt ungewiss angesichts der US-Handelspolitik.
16.06.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
Top-Thema: US-Handelspolitik kann deutsch-kanadischen Außenhandel beleben
Die Unsicherheit rund um die bislang eingeführten Zölle belasten den Außenhandel zwischen den USA und Kanada stark. Zudem sind sie ein Schlag ins Gesicht insbesondere für Unternehmen, die auf USMCA vertraut und nach dessen Inkrafttreten im Juli 2020 ihre Produktionsverbünde in ganz Nordamerika ausgebaut haben. Sie zahlen einen hohen Preis.
VW zum Beispiel will seine Autowerke in Nordamerika, vor allem aber die in den USA, künftig mit Batterien "made in Canada" beliefern, wo die Konzerntochter Powerco eine Batteriezellenfabrik plant. Das Projekt wird fortgeführt, aber der Ausbau erfolgt langsamer als geplant. Honda und Stellantis haben ihre Pläne in Kanada für Batteriewerke und umgerüstete Fahrzeugmontagen vorerst auf Eis gelegt. Allerdings hat Siemens parallel zur Hannover Messe ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum für Batterien in Kanada angekündigt.
Andererseits könnte der Handelskonflikt den Handel zwischen Deutschland und Kanada beleben. Das gilt besonders für die Bereiche Energie und Rohstoffe. Dabei könnte Kanada anstreben, künftig mehr nach Deutschland zu exportieren. Gleichzeitig könnte das Land künftig mehr deutsche Produkte importieren, darunter Kfz-Teile und elektronische Geräte – insbesondere aber Maschinen, die bisher aus den USA kamen. Etwa die Hälfte ihrer Maschinen und Ausrüstungen haben kanadische Unternehmen bislang in den USA eingekauft.
Vor allem Kanadas Kfz-Industrie ist von den US-Zöllen betroffen
In Reaktion auf die trumpsche Handelspolitik hat der kanadische Premierminister Carney einen "Strategic Response Fund" angekündigt, um die kanadische Automobilindustrie zu stützen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von grenzüberschreitenden Lieferketten zu reduzieren sowie mehr Autoteile und Fahrzeuge vollständig in Kanada zu produzieren. Dafür will Carney etwa 1,5 Milliarden US-Dollar (US$) bereitstellen.
Seit Februar 2025 erheben die USA einen Zoll von 25 Prozent auf kanadische Stahl- und Aluminiumprodukte. Im Juni wurde dieser Satz auf 50 Prozent erhöht. In Kanadas Stahl- und Aluminiumindustrie sind davon mehr als 30.000 Arbeitsplätze direkt betroffen. Die Zölle sind auch für die Autoproduktion essenziell.
Hinzu kommt seit Mitte März ein Zoll in Höhe von 25 Prozent auf Fahrzeuge und Teile aus Kanada, die nicht den USMCA-Ursprungsregeln entsprechen. Für USMCA-konforme Produkte wird US-Zoll auf den kanadischen Wertschöpfungsanteil erhoben. Unter Einbeziehung kanadischer Gegenzölle kann dies schnell zu einer Preisexplosion führen, da Autoteile vor der Endmontage im Schnitt sechs Mal die Grenze zwischen Kanada und den USA passieren.
Wirtschaftsentwicklung: Leichtes Wachstum trotz Unsicherheit
Nach einem Plus von 1,5 Prozent 2024 wird Kanadas Wirtschaft laut Prognosen 2025 voraussichtlich um 1 bis 1,5 Prozent und 2026 zwischen 1,5 und 1,9 Prozent wachsen. Die Vorhersagen sind derzeit aber sehr unsicher: Denn die US-Zölle treffen Kanadas Wirtschaft zu einer Zeit, in der sie sich erst zaghaft vom Zinsschock der vergangenen zweieinhalb Jahre wieder erholt.
Aktuell liegt der Leitzins bei 2,75 Prozent. In den Jahren 2023 und 2024 hatte er zeitweise bei 5 Prozent gelegen, was private Haushalte mit variablen Hypotheken sowie Unternehmensinvestitionen stark belastete. Die weitere Aussicht auf die Entwicklung ist unklar. Sollten die US-Zölle die Realwirtschaft nach unten ziehen und die Inflation anheizen, könnte die Zentralbank den Lockerungskurs aussetzen, mit möglichen Negativfolgen für das Wachstum.
Zuletzt hat die Inflation aber nachgelassen. Für 2025 wird eine Teuerung von etwa 2,1 Prozent erwartet, nahe dem Zielwert der Bank of Canada (2 Prozent). Die Arbeitslosenquote bewegte sich im März 2025 bei 6,7 Prozent und könnte, falls der Handelsstreit mit den USA anhält, bis Sommer 2025 auf über 7 Prozent steigen. Gleichzeitig verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum, was negative Folgen für Konsum und Arbeitskräfteangebot hat.
Kanada investiert in Rohstoffe, Batterien und Wohnungsbau
Nach mehreren Jahren wird der Wohnbau 2025 vermutlich wieder leicht positiv zum Wachstum beitragen. Nach ihrem Wahlprogramm will die Liberale Partei, die die vorgezogenen Parlamentswahlen im April 2025 gewann, unter anderem 500.000 Wohneinheiten pro Jahr bauen.
Zudem will die Regierung für bessere Straßen, Stromleitungen und Häfen in abgelegenen Regionen sorgen, in denen kritische Rohstoffe abgebaut werden sollen. Die geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben dürfte zudem eine stärkere Nachfrage nach Ausrüstung, Bauleistungen und IT nach sich ziehen.
Abbau kritischer Rohstoffe soll beschleunigt werden
Auch Transport- und Stromnetze will Kanada ausbauen, um Rohstoffe wie Stahl, Aluminium und kritische Mineralien effizienter zu verarbeiten und zu transportieren. Um die Exploration von kritischen Mineralien voranzutreiben, will Kanadas Regierung die Steuergutschriften für Investitionen in eine saubere Wirtschaft ausweiten. Ein neuer Fonds soll den Infrastrukturausbau in abgelegenen Regionen fördern, in denen künftig mehr kritische Rohstoffe abgebaut werden sollen. Geplant ist zudem, dass die Genehmigung und Umsetzung solcher Projekte schneller vonstattengehen.
Die Kreditvergabebedingungen haben sich laut Unternehmensberichten verbessert. Geschäftsbanken würden nur noch geringe Aufschläge auf den Leitzins verlangen.
Kanada will Handel mit EU und Asien stärken
Die Handelsbilanz bleibt aufgrund der Unsicherheiten im Außenhandel mit den USA und der Diversifizierung der Exportmärkte volatil. Die neuen US- und die kanadischen Gegenzölle dürften den Außenhandel mit der EU und Asien ankurbeln, insbesondere bei Rohstoffen und Batteriematerialien. Trumpsche Zölle dämpfen hingegen Investitionen und Exporte in die USA.
Deutsche Perspektive: Grüne Technologien und Digitalwirtschaft im Aufwind
Kanada und Mexiko sind von der protektionistischen US-Handelspolitik besonders betroffen. Diese Entwicklung hat nicht nur bilaterale Auswirkungen, sondern beeinflusst auch Drittstaaten wie Deutschland, die enge wirtschaftliche Beziehungen zu Kanada pflegen.
Das nordamerikanische Land will seine Handelsbeziehungen neu ausrichten, wodurch sich neue Märkte eröffnen, insbesondere in technologieintensiven und nachhaltigen Sektoren. Da die USA dort nicht mehr als berechenbarer und langfristig orientierter Handelspartner wahrgenommen werden, könnten deutsche Unternehmen durch gezielte Investitionen sowie Lieferangebote ihre Position als verlässlicher Partner Kanadas stärken und langfristig davon profitieren.
Die US-Zölle und Gegenreaktionen Kanadas treffen vor allem folgende kanadische Sektoren:
- Energie (Öl, Gas, Elektrizität)
- Rohstoffe (zum Beispiel Kalium für Düngemittel)
- Maschinen- und Fahrzeugteile
- landwirtschaftliche Produkte
Für deutsche Unternehmen können sich Zulieferchancen in den Bereichen Maschinenbau und Industrieanlagen ergeben, als Ersatz für US-Zulieferer. Dort machen sich nicht nur die direkten Zölle bemerkbar, sondern besonders auch die auf Stahl und Aluminium.
Außerdem kann die Einhaltung der USMCA-Vorschriften für Teile und Komponenten kompliziert sein, denn um eine Vorzugsbehandlung zu beantragen, müssen Hersteller eine Ursprungsbescheinigung vorlegen. Viele Teile sind indes nicht USMCA-konform, da neue Maschinen oft elektrische Bauteile, darunter Halbleiter, sowie Hydrauliksysteme, Riemen und Lager enthalten. Sie müssen importiert werden, zum Beispiel aus China. Der Handelskrieg auch zwischen den USA und China hat diese Komponenten teurer gemacht.
Auch in den Bereichen Pharma und Medizintechnik sucht Kanada nach neuen Partnern außerhalb der USA. Deutschland und Kanada kooperieren bereits eng bei Forschung und Entwicklung.
Da Kanada verstärkt in klimafreundliche Technologien investiert, können deutsche Unternehmen auch mit IT- und Softwarelösungen punkten.
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