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Special | Kanada | Energiesicherheit und -preise

Kanada bietet ein riesiges Potenzial für nachhaltige Energie

Deutschland und Kanada haben eine Allianz gegründet, um die Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln. Denn die Klimaschutzziele stellen enorme Anforderungen an die Energieversorgung.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Sein Reichtum an natürlichen Ressourcen verleiht Kanada einen hohen Grad an Energiesicherheit. Auch verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen tragen dazu bei; zudem gibt es fast keine gewaltsamen Konflikte. Der Energiemix ist breit gefächert übermäßige Abhängigkeiten von einzelnen Energieträgern werden vermieden: Kanada zählt zu den weltweit größten Produzenten und Exporteuren fossiler Brennstoffe, verfügt darüber hinaus aber auch über riesige Ressourcen an Erneuerbaren. Über 80 Prozent des kanadischen Strommix sind bereits CO₂-neutral.

Diversifizierung und Energiepreisentwicklung sind längst nicht so umstrittene Themen wie in Deutschland, wenn es um die Versorgungssicherheit geht. Die Preisanstiege bei Strom und Gas waren in Kanada nicht so stark wie in Europa. In den G7-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien waren die Gaspreise 2022 mehr als doppelt so hoch.

Überblickstabelle zu wichtigen Energiemarktindikatoren (2020) *)
 

Kanada

Deutschland

Bevölkerung (in Mio.)

38,9

83,2

Energieproduktion (PJ)

21.728

4.045

Stromverbrauch (TWh)

561,2

550,7

Nettoenergieimporte (PJ)

-9.539

7.916

Pro-Kopf-Verbrauch (MWh/Kopf)

14,8

6,4

CO2-Emissionen (Mio. T)

498

622

Strompreis Industrie (US$/MWh) *)

94,01

242,22

Strompreis Endverbraucher (US$/MWh) *)

124,92

338,94

* 2022; PJ = Petajoule, GJ = Gigajoule.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; IEA World Statistics 2023

Immenser Bedarf an zusätzlichem Strom durch Netto-Null-Ziel bis 2050

Dennoch steht Kanada in puncto Energieversorgung vor Riesenherausforderungen. Der Strommix soll bereits 2035 völlig CO₂-neutral sein. Dabei könnte sich der Strombedarf des Landes bis 2050 verdoppeln. Zudem will Kanada, ebenso wie die EU, bis 2050 komplett klimaneutral werden. Dieses Ziel wurde bereits im Klimagesetz von 2021 gesetzlich verankert. Laut dem kanadischen Haushaltsplan für 2023 müsste die Erzeugungs- und Netzkapazität um das 2,2- bis 3,4-Fache steigen, um die Nachfrage nachhaltig, sicher und günstig zu decken. Untersuchungen der Canadian Renewable Energy Association zufolge wäre dafür ein Zubau von etwa 4 bis 5 Gigawatt jährlich erforderlich. Da in dem Land weiterhin Erdgas verstromt wird, soll das CO2 abgespalten und gespeichert werden, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Kanada will bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen und die Erneuerbaren ausbauen. Ende des Jahres 2022 verfügte das Land bei Alternativenergien über eine installierte Kapazität von gut 19 Gigawatt. Mit rund 60 Prozent Anteil am Strommix führt die Wasserkraft deutlich vor anderen Technologien. In Manitoba, Québec, Yukon sowie Neufundland und Labrador entfallen jeweils mehr als 90 Prozent auf Wasserkraft. British Columbia liegt nur knapp darunter.

Laut Modellrechnungen der kanadischen Behörde für Energieregulierung (CER) sollen vor allem die Kapazitäten bei Wind- und Solarenergie zunehmen: bis 2050 um 100 bis 150 Gigawatt. Da aber das technische Potenzial neuer Wasserkraftwerke deutlich größer ist als die bereits installierte Kapazität, ist auch mit weiteren Investitionen in die Wasserkraft zu rechnen. Öffentliche Versorgungsunternehmen sowie privatwirtschaftliche und indigene Stromanbieter erhalten mit dem "Clean Electricity Investment Tax Credit" einen Anreiz, emissionsfreien Strom zu produzieren.

Atomkraft soll einen Teil der Lücke schließen

Der Haushaltsplan 2023 sieht für Kernenergie zahlreiche Förderungen und Steueranreize vor. Das Land will seine Reaktoren umfassend modernisieren: Ein Programm sieht vor, dass unter anderem Druckröhren und Dampferzeuger ausgetauscht und Hilfssysteme an die aktuellen Standards angepasst werden.

Im Juli 2023 begann der Ausbau des Kernkraftwerks Pickering nordwestlich von Toronto: Sollten die dortigen Kapazitäten in den nächsten Jahren wie geplant um gut drei Viertel erweitert werden, wäre es das größte AKW der Welt. Doch geht es in Kanada nicht nur um große Atommeiler: Im Februar 2023 startete die Regierung auch ein Förderprogramm für kleine modulare Reaktoren.

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Zusätzlich müssen Speicherkapazitäten, Interkonnektoren und provinzübergreifend Netze ausgebaut werden, um flexibel auf schwankenden Bedarf zu reagieren. So könnten zum Beispiel British Columbia und Manitoba (Wasserkraft) den Provinzen Alberta und Saskatchewan (Erdgas) dabei helfen, fossile Energien aus dem Strommix zu nehmen.

Für die Wärmeversorgung sollen fossile Brennstoffe durch eine stärkere Elektrifizierung ersetzt werden, fürs Heizen und Kühlen von Gebäuden soll geothermische Energie zum Zuge kommen. Bei Industriewärmeanwendungen wiederum könnten Wärmepumpen und Elektrodenkessel den Gasverbrauch deutlich reduzieren. Für die Stahlproduktion wird Wasserstoff künftig eine entscheidende Rolle spielen, da dieser als Alternative zur Kohle eingesetzt werden kann. So werden zum Beispiel erste Hochöfen stillgelegt und durch wasserstoffbetriebene Direktreduktionsanlagen sowie Lichtbogenöfen ersetzt.

Kanada und Deutschland streben transatlantische Lieferkette für grünen Wasserstoff an

Überhaupt spielt Wasserstoff eine Schlüsselrolle für Kanadas Klimaschutzziele. Neben der Elektrifizierung des Verkehrs soll H2 auch künftig bei vielen Anwendungen im Verkehr eingesetzt werden. Die relativ niedrigen Strompreise in Provinzen wie Québec, British Columbia, Manitoba und Ontario (Wasserkraft, Atomkraft) bieten ideale Voraussetzungen für die Produktion von grünem H2

Deutschen Herstellern von Elektrolyseuren könnten sich hieraus gute Marktchancen eröffnen, zumal die Bundesrepublik und Kanada 2022 ein Wasserstoffabkommen geschlossen haben. Im November 2023 kündigten beide Länder zudem eine grüne Allianz an Ziel ist es, die Kooperation im Kampf gegen den Klimawandel zu stärken, vor allem in den Bereichen Kohlenstoffmärkte und grüner Wasserstoff.

Milliardenprogramm für bessere Gebäudeeffizienz

Auch bei der Energieeffizienz in Gebäuden ist noch viel Luft nach oben. Der Sektor ist im Land für 12 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Staat passt deshalb Bauordnungen und Baustandards an. Die im Jahr 2017 gegründete "Canada Infrastructure Bank" wird 2 Milliarden US-Dollar in die Sanierung von Gebäuden investieren. Deutsche Anbieter mit ihrem guten Ruf könnten hier große Stücke vom Kuchen abbekommen, zumal Kanada europäischen Energieeffizienzstandards hinterherhinkt. Das nordamerikanische Land holt aber auf.

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