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Special | V4-Länder | Überblick

In der nächsten Transformation

Grüner und digitaler in die Zukunft

In den zurückliegenden drei Jahrzehnten haben Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn einen tiefgreifenden sozioökonomischen Wandel gemeistert. Die Aussichten bleiben vielversprechend, der geopolitischen Zeitenwende und den weltwirtschaftlichen Turbulenzen zum Trotz. Im technologischen Übergang zum klimaneutralen Wirtschaften und einer digital vernetzten Produktion liegen für die Region Herausforderung und Perspektive zugleich.

Von Fabian Möpert | Berlin

Der Aufholprozess verlief mit beeindruckender Dynamik. Die Wirtschaftsleistung der vier Länder wuchs abgesehen von einzelnen Dellen über lange Zeiträume hinweg jährlich deutlich schneller als im europäischen Vergleich. Der Lebensstandard gemessen als Bruttoinlandsprodukt pro Kopf steigt und ist höher als in den meisten anderen jüngeren EU-Ländern. In boomenden Metropolen wie Warschau oder Prag liegt er weit über dem EU-Durchschnitt.

Als sogenannte Visegrád-Gruppe (V4) haben die vier Länder in den 90er Jahren gemeinsam auf die Aufnahme in die EU hingearbeitet, der sie 2004 beitraten. Seither sind sie vor allem mit Deutschland ökonomisch immer enger verflochten. Auch bei ihnen trägt das verarbeitende Gewerbe jeweils zu hohen Anteilen zur Bruttowertschöpfung bei. Industrieerzeugnisse spielen daher traditionell eine wichtige Rolle im beiderseitigen Handel.

Schon gewusst?

Im Jahr 1991 verabredeten die heute vier Länder im ungarischen Schloss Visegrád, die Zusammenarbeit in Bereichen wie Wirtschaft, Sicherheit und Kultur zu fördern.

Bilateraler Handel erreicht Rekordniveau

Seit 2004 hat sich der Warenhandel zwischen Deutschland und den V4-Staaten wertmäßig mehr als verdreifacht auf über 380 Milliarden Euro im Jahr 2022. Das macht den V4-Raum zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner, vor Schwergewichten wie China (rund 300 Milliarden Euro) oder den USA (250 Milliarden Euro). Deutschland wiederum ist für jedes der vier Länder Handelspartner Nummer eins. Mit Anteilen zwischen 20 und 30 Prozent an ihren Gesamtausfuhren ist für sie der deutsche Markt entscheidend. Umgekehrt kauften sie 2022 deutsche Waren im Wert von fast 189 Milliarden Euro. Ein nicht geringer Teil dieses Warenaustauschs geht auf Intrafirmenhandel zurück.

Deutsche Unternehmen haben zahlreiche Niederlassungen in der Region aufgebaut, die mit ihren Mutter- und Schwesterunternehmen im Austausch stehen. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen in den V4-Ländern belief sich der Deutschen Bundesbank zufolge 2020 auf knapp 90 Milliarden Euro. Deutschland ist vom Bestand her größter ausländischer Investor in Ungarn, zweitgrößter in Polen, drittgrößter in Tschechien und viertgrößter in der Slowakei. Bei der Zahl der Niederlassungen steht Deutschland als Direktinvestor im gewerblichen Bereich in Polen, Tschechien und Ungarn an 1. Stelle, in der Slowakei auf Rang 2 hinter Tschechien.

V4-Länder behaupten sich in schwierigem Umfeld

Pandemiebedingte Einschränkungen und Lieferkettenprobleme haben die Wachstumsdynamik der Region seit 2020 beeinträchtigt. Dafür hat die Digitalisierung einen Schub erhalten. Staatliche Maßnahmen konnten viele Pandemiefolgen abfedern, ließen aber den öffentlichen Schuldenstand ansteigen. Schwächen in den Gesundheitssystemen, die die Coronakrise offenlegte, begegnen die Länder dank der EU-Aufbaumittel mit kräftigen Investitionen.

Die Folgen von Russlands Krieg dämpfen die Postcorona-Erholung. Als Nachbarländer spielen die V4 eine wichtige Rolle bei der Hilfe für die Ukraine und ihre Menschen. Zusammen haben sie bisher mehr als 1,5 Millionen Geflüchtete aufgenommen, besonders Polen und Tschechien. Kriegsbedingt hohe Energiepreise und die deutlich gestiegene Inflation setzen Unternehmen und Bevölkerung weiterhin zu. Doch erweisen sich die Arbeitsmärkte mit Arbeitslosenquoten zwischen 2,5 Prozent in Tschechien und 6 Prozent in der Slowakei als robust.

Megatrends schaffen Absatzchancen

Wegen des allgegenwärtigen Fachkräftemangels steigen die Lohnkosten in allen vier Ländern seit Jahren. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, automatisieren Unternehmen Arbeitsprozesse und investieren in Roboter. Industrie 4.0 ist ein wichtiges Feld und Deutschland ein gefragter Technologielieferant. Zugleich wachsen in der Region Technologieunternehmen mit eigenen Lösungen heran. Sie streben in westliche Märkte, wobei Deutschland als größter Markt der EU nebenan liegt. Nicht nur der digitale Wandel, auch die Transformation zur Nachhaltigkeit wird als Chance begriffen, um Forschung in konkrete Produkte zu verwandeln und mehr Wertschöpfung im eigenen Land zu generieren.

Die Dekarbonisierung fordert die immer noch sehr kohlenstoffintensiven Volkswirtschaften der V4 besonders. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Als Meilenstein sollen die Mitgliedsstaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent senken. Das erzwingt einen strukturellen Wandel der für die Region wichtigen Automobilindustrie, die sich auf Elektromobilität umstellt. Was das heißt, veranschaulichen die Zahlen: 2022 produzierten die Autohersteller in den vier Ländern über 2,8 Millionen Pkw. Das ist über ein Viertel der Produktion in der EU. Bei der Autoproduktion steht Tschechien auf Rang 3, die Slowakei auf Rang 4 in Europa.

Auswahl zukunftsbezogener Kennzahlen

Indikator

Deutschland

Polen

Tschechien

Slowakei

Ungarn

F&E-Ausgaben (Anteil am BIP* in Prozent)

3,13

1,44

2,00

0,93

1,65

Rang im Global Innovation Index

8

38

30

46

34

Roboter pro 10.000 Beschäftigte (2021 im verarbeitenden Gewerbe)

397

63

169

143

115

Energieintensität (Energieintensität des BIP in Kilogramm Rohöleinheit pro 1.000 Euro, in kettengebundenen Mengen, 2015)

92,2

204,0

224,8

199,4

201,7

CO2-Intensität der Wirtschaft (Tonnen Kohlendioxidäquivalent pro Million Euro BIP

235

748

619

434

497

* BruttoinlandsproduktQuelle: Eurostat 2023, Global Innovation Index 2022, World Intellectual Property Organization WIPO 2022, International Federation of Robotics 2023, Statista 2023, Science Direct 2021, Umweltbundesamt 2020

EU-Gelder unterstützen die Modernisierung

Einer der wichtigsten Treiber bei der wirtschaftlichen Modernisierung und dem Ausbau klimafreundlicher Technologien sind die Fördergelder der EU. Die V4-Länder können bis 2027 auf mindestens 175 Milliarden Euro aus den Struktur- und Kohäsionsfonds sowie dem Wiederaufbaufonds zurückgreifen. Obendrauf kommen Gelder aus weiteren Instrumenten wie dem Modernisierungsfonds. Die Mittel fließen in Programme für den Ausbau erneuerbarer Energien und Verbesserung der Energieeffizienz, unterstützen innovatives Unternehmertum, helfen beim Erneuern der Infrastruktur oder fördern Kooperationen bei Forschung und Entwicklung. Auch für den Kohleausstieg stehen Gelder zur Verfügung.

Auf der Agenda bleibt der Ausbau von Verkehrswegen, stärker als bislang auch auf den Nord-Süd-Achsen europäischer Korridore. Neben Fernstraßen geht es um Hochgeschwindigkeitsstrecken für die Eisenbahn. Luftdrehkreuze und moderne Containerterminals sollen die Region noch besser vernetzen.

In dieser großen Transformation investieren Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn in eine neue technologische Basis. Der Anpassungsbedarf betrifft Gebäude, Maschinen, Energiesysteme, Produktionsprozesse, Infrastrukturen und nicht zuletzt das Bildungswesen. Es ist ein breites Spektrum, in dem deutsche Anbieter von Maschinen, Ausrüstungen, technologischen Lösungen oder Planungsleistungen Geschäft und Kooperationspartner finden können.

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