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Special | Deutsche Wettbewerbsposition | Maschinenbau

"Allein über den Export lassen sich Marktanteile nicht halten"

Trotz Konkurrenz aus China schneidet der deutsche Maschinenbau global gut ab. Daneben reagieren deutsche Anbieter mit einer höheren Lokalisierung ihrer Produktion im Ausland.

Von Katharina Viklenko, Benedict Hartmann | Bonn

Mit rund 3.500 Mitgliedern ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) das wichtigste Sprachrohr der Branche. Dr. Ralph Wiechers, Chefvolkswirt und Mitglied der Hauptgeschäftsführung, erläutert im Interview die künftige Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus.

Dr. Ralph Wiechers Chefvolkswirt und Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) Dr. Ralph Wiechers Chefvolkswirt und Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) | © Sarah Kastner; VDMA

Herr Wiechers, Deutschland hat sich beim Weltexport von Maschinen und Anlagen im Zeitraum 2000 bis 2020 mit dem Anteilsverlust von 0,8 Prozentpunkten vergleichsweise gut behauptet. Dagegen haben Wettbewerber wie die USA und Japan höhere Einbußen verzeichnet. Welche Gründe sehen Sie dafür?

Es freut mich natürlich, aber es überrascht nicht. Die deutsche Maschinenindustrie ist fachlich breit aufgestellt und liefert kundenspezifische Problemlösungen im High-End-Bereich in herausragender Qualität, gepaart mit sehr gutem Service. Dadurch verfügen die Unternehmen über langjährig stabile Kundenbeziehungen. Hinzu kommt eine regional breite Aufstellung. Last, but not least sind sie immer bereit, neue Märkte zu erschließen und den technologischen Wandel voranzutreiben.

Deutschland wurde 2020 erstmals von China als Exportweltmeister im Maschinenbau abgelöst. Wie schätzen Sie die Konkurrenzsituation ein?

Für den Maschinenbau kommen die größten Wettbewerber seit jeher aus China, Japan, den USA und Italien. China ist ein riesiges Land mit den meisten Industriearbeitsplätzen weltweit und staatlich massiv geförderten Ausbauprogrammen. Nun als Vize dazustehen, ist für Deutschland insofern keine Schande. In einigen Teilbranchen finden sich aber auch andere ernstzunehmende Konkurrenten wieder: Südkorea ist ein bedeutender Hersteller von verfahrenstechnischen Maschinen und Apparaten sowie Präzisionswerkzeugen. In der Schweiz und Taiwan werden viele Werkzeugmaschinen hergestellt. In Österreich befinden sich große Hersteller von Kunststoff- und Gummi- sowie Holzbearbeitungsmaschinen.

Ist der chinesische Erfolg auf Standardprodukte zurückzuführen? Oder stoßen die Unternehmen in Kernkompetenzen der deutschen Maschinenbauer vor?

China ist strategisch zunehmend breiter aufgestellt. Mittlerweile werden im verarbeitenden Gewerbe nicht nur Standardprodukte, sondern auch innovative Lösungen angeboten. Gefördert wird diese Entwicklung durch die chinesische Industriepolitik. So verfolgt die "Made in China 2025"-Strategie im Wesentlichen drei Ziele: Modernisierung der Fertigung, Förderung eigenständiger Innovationen und Aufbau nationaler Champions.

Es war absehbar, dass uns China irgendwann den Rang als Exportweltmeister ablaufen würde.

Im Maschinenbau haben chinesische Firmen mit staatlicher Hilfe die Technologielücke zu ausländischen Wettbewerbern verringert, etwa bei Werkzeugmaschinen oder Kunststoff- und Gummimaschinen. In vielen Fällen bestimmen führende chinesische Unternehmen mindestens im heimischen Markt das untere und zunehmend das mittlere Marktsegment. Ausländische, vor allem europäische Anbieter sind hingegen weiterhin im Premiumsegment tonangebend, wenn auch nicht mehr unangefochten.

Zugleich fertigen deutsche Produzenten stärker im Ausland. Laut VDMA-Analyse entfällt rund ein Drittel der chinesischen Maschinenexporte auf ausländische Firmen. Wie wichtig sind ausländische Standorte deutscher Maschinenbauer für ihren Erfolg?

"Made in Germany" rechtfertigt schon lange nicht mehr jeden Preis. Zentraler Erfolgsfaktor ist ein enger, regionaler Kontakt zum Kunden mit Vertrieb und Service, teils Produktion vor Ort. Hinzu kommt immer öfter eine lokale Forschung und Entwicklung. Maschinen für den Export allein in Deutschland und Europa zu entwickeln, stößt schon aufgrund wachsender Ansprüche an die Benutzerfreundlichkeit (User Experience) und das Design von Benutzeroberflächen (User Interface) an Grenzen.

Die Strategie "Local for Local" ist deshalb nicht nur eine Folge von Protektionismus und Decoupling, sondern logische Konsequenz, um mit Kunden vor Ort eng am Produkt zu arbeiten.

In welchen Untersegmenten haben deutsche Maschinenbauer gegenüber Wettbewerbern nach wie vor die Nase vorn?

In einigen Teilbranchen sind deutsche Unternehmen gemessen am weltweiten Handel nach wie vor führend. So kommt bei Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, Landtechnik, Reinigungssystemen, Druck- und Papiertechnik sowie Holzbearbeitungsmaschinen jede dritte weltweit exportierte Anlage aus Deutschland. Die Gründe sind vielschichtig. Allen gemein ist, dass die Hersteller oft über Jahrzehnte den hohen und stetig wechselnden Anforderungen der Kunden gerecht werden und innovative Komplettlösungen liefern.

Bei den Zielregionen deutscher Maschinen hat es Verschiebungen nach Asien sowie Mittel- und Osteuropa gegeben. Welche Märkte dürften künftig bedeutender werden?

Deutsche Maschinenbauer werden dem Anspruch als größte Ausrüster der europäischen Industrie weiterhin gerecht, mit Verschiebungen innerhalb Europas zugunsten der mittel- und osteuropäischen Länder. Der gestiegene Absatz in Asien-Pazifik wurde wesentlich von China getragen. Außerdem konnten sich Industrieländer wie Südkorea oder Taiwan dem Trend entwickelter Länder zur De-Industrialisierung weitgehend entziehen, sind also nach wie vor gut im Portfolio des deutschen Maschinenbaus vertreten. Schließlich erleben wir seit einigen Jahren eine sprunghaft steigende Nachfrage aus den USA.

Die Musik spielt jetzt und auch künftig in der "Neuen Triade", also in Nordamerika, Europa und Asien – China einschließlich der ASEAN-Staaten.

Welche Märkte für deutsche Anbieter bedeutender werden, hängt davon ab, wie sich Länder oder ganze Regionen künftig arbeitsteilig aufstellen, und welchen Offenheitsgrad ihrer Wirtschaft sie anstreben. Entscheidend für den Maschinenbau ist das Ausmaß des fortschreitenden Decoupling zwischen den USA und China sowie die strategische Antwort Europas darauf.

Welche globalen Trends müssen deutsche Maschinenexporteure im Blick behalten, wenn sie weiterhin erfolgreich sein wollen?

Megatrends wie Dekarbonisierung, Automatisierung, Digitalisierung und der Aufbau von resilienten Lieferketten sind vorherrschende Themen. Der deutsche Maschinenbau ist dabei gut aufgestellt. Eine riesige Herausforderung ist jedoch der Fachkräftemangel. Hier bedarf es einer zielgerichteten Einwanderung von kreativen und gut ausgebildeten Köpfen.

Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) ist das größte Netzwerk und Sprachrohr des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland und Europa. Die Exportquote von gut 80 Prozent verdeutlicht den globalen Erfolg seiner Mitgliedsunternehmen. Mit 1 Million Beschäftigten in Deutschland ist die Branche der größte industrielle Arbeitgeber. Im Jahr 2021 erzielten Maschinen- und Anlagenbauer allein in ihren deutschen Werken einen Umsatz von 220 Milliarden Euro.

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