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Große Investitionsprojekte laufen in ganz Europa
Europa muss massiv investieren, um mit der Weltspitze bei Halbleitern Schritt zu halten. Die zahlreichen Projekte bieten auch deutschen Unternehmen gute Beteiligungschancen.
07.05.2025
Forschungszentren, Wafer-Fabriken oder Produktionsstätten für effiziente Siliziumkarbid-Chips - europaweit füllt sich die Projektpipeline für Investitionsvorhaben im Halbleitersektor. Die größten Investitionen sind in Deutschland, Frankreich und Italien geplant. Aber auch kleinere EU-Länder wollen vom Boom der Zukunftsbranche profitieren.
Die Investitionen sind wichtig, denn noch fehlen Europa einige Glieder der Mikrochip-Wertschöpfungskette. Das gilt besonders für die Waferproduktion sowie das abschließende Packaging. Doch auch bei den Ausgangsrohstoffen wird mehr Unabhängigkeit angestrebt. Finnland wird zum wichtigen Förderstandort für Germanium. Auf Sizilien laufen Vorhaben zur Siliziumgewinnung. Und bei Gallium will der Athener Konzern Metlen künftig Europas Bedarf dank einer Großinvestition in Zentralgriechenland decken.
Milliardenschwere Förderprogramme der EU
Über das Beihilfeinstrument IPCEI ("Important Projects of Common European Interest") versucht die Europäische Kommission, für die gesamte Bandbreite des Produktionsprozesses innovative Projektideen bis zur Marktreife auf den Weg zu bringen. Damit soll die wirtschaftliche und technologische Souveränität Europas gestärkt werden.
Im Juni 2023 startete das zweite IPCEI-Programm für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie. Daran nehmen 56 Firmen aus 14 Mitgliedstaaten teil. Die beteiligten EU-Staaten stellen 8,1 Milliarden Euro Fördergelder bereit und hoffen auf weitere 13,7 Milliarden Euro private Investitionen.
Leuchtturmvorhaben in Dresden und auf Sizilien
Projektförderung gibt es außerdem im Rahmen des EU Chips Act. Über dieses Instrument werden vor allem die Leuchtturmvorhaben bezuschusst, etwa die Herstellung von Siliziumkarbid-Substraten in Catania auf Sizilien oder der Erweiterungsbau von Infineon in Dresden.
Insgesamt sind in Europa seit der Verabschiedung des EU Chips Act und dem Start des zweiten IPCEI-Programms Investitionspläne für den industriellen Einsatz von Mikroelektronik im Wert von bis zu 100 Milliarden Euro angekündigt worden.
Eine wichtige Säule ist die Initiative "Chips for Europe". Sie soll die technologischen Fähigkeiten Europas stärken, indem sie den Wissenstransfer in die Fabriken erleichtert und so die Lücke zwischen Forschung und industriellen Aktivitäten schließt. Finanziert werden Designplattformen, Pilotlinien und die Einrichtung von Kompetenzzentren in der EU.
Sub-2nm-GAA-Prozesstechnologie | Ermöglicht es, Transistoren mit einer Strukturgröße von weniger als 2 Nanometern (nm) zu produzieren. Arbeitet sehr effizient und verbraucht wenig Energie. |
FD-SOI-Technologie (Fully Depleted Silicon-On-Insulator) bei 10 nm und darunter | Halbleitertechnologie, die ultradünne Schichten verwendet, um das Verhalten von Transistoren besser zu kontrollieren. In Europa kümmert sich vor allem das FAMES-Konsortium um die Entwicklung dieser Technologie. |
Heterogeneous integration | Kombination verschiedener Halbleiterkomponenten und Materialien in einem einzigen System. Die Technologie integriert unterschiedliche Chips, Sensoren und andere elektronische Bauteile, um leistungsfähigere Systeme zu schaffen. In der EU wird diese Technologie zum Beispiel durch die APECS-Pilotlinie gefördert. |
Einer der Erfinder der FD-SOI-Technologie ist das französische Forschungsinstitut CEA-Leti in Grenoble. Dort wird das Projekt im Rahmen einer Pilotlinie koordiniert. Auch solche Testanlagen bieten Geschäftschancen: ASML hatte dorthin im Februar 2025 eine Lithografieanlage neuester Generation geliefert.
In Frankreich entsteht riesige Wafer- und Chipfabrik
Gleich in der Nähe, im französischen Ort Crolles, wollen STMicroelectronics und Global Foundries eine Wafer- und Chipproduktion für 7,5 Milliarden Euro aufbauen. Auch wenn das Vorhaben derzeit stockt, könnte es eines der größten Investitionsprojekte in Europas Halbleiterbranche werden.
Während Frankreich, Deutschland und Italien die größten Produktionsstätten anziehen, laufen in anderen EU-Staaten ebenfalls interessante Projekte. In Finnland errichtet das einheimische Unternehmen Okmetic eine neue Fabrik für Siliziumwafer. Die Universität Tampere spezialisiert sich auf Chipdesign und plant eine Pilotlinie für das Packaging verschiedener Chips zu kompletten Systemen.
Schwerpunkt in Irland liegt auf Forschungszentren
Die Investitionsprojekte in Irland konzentrieren sich auf Entwicklungszentren. Infineon und AMD (Advanced Micro Devices) bauen ihre Standorte in Cork und Dublin aus. In Limerick entsteht unter dem Projektnamen "Fanfare" eine Forschungseinrichtung mit Produktionsanlage für innovative Signalverarbeitung. Qualcomm erweitert seine Entwicklungsabteilung am Penrose Dock Campus in Cork.
In den Niederlanden sollen neue Investitionen die Position des Landes als wichtiger Ausrüster für die Halbleiterindustrie stärken. Ein Konsortium aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen plant dafür in den kommenden sieben Jahren Ausgaben von 735 Millionen Euro. Unter dem Projektnamen "Beethoven“ fördern die niederländische Regierung und regionale Behörden Investitionen in Bildung und Fachkräfte im Großraum Eindhoven. Die als "Brainport" bekannte Region ist Sitz von ASML als führenden Hersteller von Lithografiesystemen sowie von Smart Photonics, das in energieeffiziente Chips investiert.
Große Investitionsvorhaben stehen außerdem auf der Iberischen Halbinsel an. In Spanien summieren sich die angekündigten Investitionen in Forschung und Entwicklung, Pilotlinien und Ausbildungsmaßnahmen im Halbleiterbereich auf mehrere Milliarden Euro. Schwerpunkte sind eine Waferproduktion in der Region Extremadura und ein Entwicklungszentrum für Chips auf 300-mm-Wafern in Andalusien. Außerdem plant Intel ein neues Designlabor in Barcelona.
Auch im Osten Europas viele Projekte
Eines der größten Investitionsvorhaben Europas könnte in Tschechien stattfinden. Dort plant US-Konzern Onsemi eine Milliardeninvestition im Ort Rožnov pod Radhoštěm. Das Unternehmen will dort energiesparende Siliziumkarbid-Chips produzieren, die vor allem in der Automobilindustrie gefragt sind.
Noch viel Nachholbedarf bei der Halbleiterproduktion hat das Nachbarland Polen. Bei der Aufholjagd spielt das Łukasiewicz-Institut für Mikroelektronik und Photonik (IMiF) eine wichtige Rolle. Es soll zum Exzellenzzentrum für Mikroelektronik und Photonik ausgebaut werden und auch eine Pilotlinie für Wide-Bandgap-Halbleiter (WBG) auf den Weg bringen.
Ein wichtiger Akteur ist außerdem Vigo Photonics aus Warschau. Es plant bis 2030 die Entwicklung und Produktion von neuen Infrarot-Chips (HyperPIC) und will dafür 250 Millionen Euro investieren.
Ebenfalls große Pläne hat Rumänien. Dort arbeiten NXP Semiconductors und die Nationale Halbleiter-Technologieplattform an einem integrierten System-on-a-Chip (SoC), das bis 2028 umgesetzt werden und über 300 Millionen Euro kosten soll. Continental Automotive beteiligt sich in dem Land am Aufbau einer Produktion von energieeffizienter Sensortechnik und Chiplets.
Ausführliche Übersicht der Investitionsvorhaben
Hier finden Sie eine umfangreiche Projektliste der Halbleiterindustrie in ganz Europa.