Wirtschaftsumfeld | Kanada | Wirtschaftsstruktur
Industrie hat tragende Rolle in Kanadas Wirtschaftsstruktur
Der Umbau des Sektors schreitet dank aktiver Klimapolitik voran.
23.06.2023
Von Daniel Lenkeit | Toronto
Kanada hat sich einer grüneren, emissionsarmen Wirtschaft verschrieben. Der kanadische Klimaschutzplan setzt dafür klare Vorgaben, etwa das Ziel für Netto-Nullemissionen bis zum Jahr 2050. Öffentliche Investitionen fließen in den nächsten Jahren verstärkt in grüne Technologien.
Der Aufbau einer eigenen Wasserstoffwirtschaft sowie der Ausbau von Elektromobilität und Batterietechnik mit regionalen Wertschöpfungsketten und die allgemeine Förderung von Umwelttechnologien sind wichtige Regierungsziele. Die Klimaschutzpolitik spielt damit unter der liberalen Trudeau-Regierung eine zentrale Rolle und bietet Unternehmen eine breite Palette an staatlichen Förderungen.
Gute Ausgangslage für deutsche Firmen
Deutschland verfolgt ähnliche Ziele wie Kanada. Beide Länder wollen in Zukunft stärker kooperieren. Auch deshalb nehmen die Besuche deutscher Interessensvertreter merklich zu. Beide Länder pflegen eine langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit - etwa bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Ebenso verlässlich sind die Handelsbeziehungen, die mit dem Freihandelsabkommen CETA weiter ausgebaut werden sollen. Und ebenso wichtig, Kanada hat was Deutschland braucht: Rohstoffe und Energie. Die Bedeutung des Landes als Absatz- und Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen sollte künftig also steigen.
Schwachstelle und Chance zugleich: Kanadas einseitige Abhängigkeit von der US-Wirtschaft
Mit einer Außenhandelsquote von über 60 Prozent gehört Kanada zu den klassischen Handelsnationen. Wichtigster Handelspartner sind die USA, die 50 Prozent aller Importe liefern und 75 Prozent der Exporte abnehmen. Seit Jahren versucht das Land seine Handelspartner zu diversifizieren. Bisher ist dies der Politik allerdings nicht geglückt.
Die Strategie zielt meist darauf ab, die Exportabhängigkeit von der Nachfrage im US-Markt zu reduzieren. Dazu gehört der Plan, Überseeexporte mit neuen Außenwirtschaftsförderungsinstrumenten bis 2025 um 50 Prozent zu steigern. Der Handel mit Deutschland konnte zuletzt zulegen und soll zukünftig eine größere Rolle spielen.
Auf dem Papier ist Kanada in puncto Freihandelsabkommen bereits sehr gut in die Weltmärkte eingebunden. Mit 15 Freihandelsabkommen, darunter CETA (Europäische Union) und CPTPP (Asien-Pazifik), soll kanadischen Unternehmen der Schritt in Überseemärkte erleichtert werden. Realistisch werden die Abhängigkeiten zu den USA vorerst nicht geringer. Der Nafta-Nachfolger "CUSMA" sowie der 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act der USA sorgen für eine fortgeführte Integration Kanadas in den nordamerikanischen Markt.
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Hoffen auf wachsenden Rohstoff- und Transportsektor
Kanada ist auf dem Papier eine Dienstleistungsökonomie. Der Einzelhandel, der Gesundheitssektor sowie die Finanz- und Immobilienwirtschaft sind prägende Wirtschaftszweige.
Gleichzeitig beschäftigt das produzierende Gewerbe noch immer über ein Fünftel aller Arbeitnehmer. Im verarbeitenden Gewerbe sind der Transportsektor mit der ausgeprägten Kfz- und Luftfahrtbranche international bedeutend. Die Integration der kanadischen Automobilindustrie in den gesamten nordamerikanischen Markt ist stark.
Auch das Baugewerbe sowie der gesamte Primärsektor inklusive des Bergbaus und der Öl- und Gasindustrie sind wichtige Wirtschaftszweige. Letztere geben - aufgrund ihrer Bedeutung für den Export - oft den Puls der kanadischen Konjunktur wieder. Die Förderung kritischer Mineralien für die Energiewende soll schnell ausgebaut werden.
Neue Strategie für kritische Mineralien soll Kanada als globalen Rohstoffproduzenten und EV-Standort etablieren
Die im Dezember 2022 veröffentlichte Strategie ist eine Roadmap zum Ausbau der nachhaltigen Förderung und Verarbeitung kritischer Mineralien. Sowohl die lokalen als auch globalen Lieferketten für diese Rohstoffe will Kanada in Zukunft stärker bedienen.
Die Strategie umfasst den kompletten Bergbau bis hin zum Recyclingsektor. Genauer sollen fünf Segmente der Wertschöpfungskette für kritische Mineralien gefördert werden: Geowissenschaft und Exploration, Mineralgewinnung, Aufbereitung, fortgeschrittene Fertigung und Recycling.
Doch gerade die Finanzierung neuer Bergbauoperationen ist hier aufgrund hoher regulatorischer Hürden und der oft fehlenden Infrastruktur in den abgelegenen Gebieten der Rohstoffvorkommen nicht einfach. Nun will die Regierung mit der Privatwirtschaft in Zukunft gemeinsam ins Risiko gehen, um die Projekte voran zu treiben. Vor allem bei der Finanzierung, dem Bürokratieabbau sowie dem Infrastrukturbau für priorisierte Vorhaben will der Staat aktiver werden.
Für deutsche Ausrüster sollten sich entlang dieser Wertschöpfungskette in den nächsten Jahren vermehrt Chancen ergeben. Konkret im Bergbausektor werden Unternehmen zunehmend auf Umwelttechnologien setzen müssen, um ihren CO2-Ausstoß zu verringern. Das betrifft alles von der autarken Energieversorgung entlegener Minen bis zu energieeffizienten Bergbaumaschinen und Raffinationsprozessen.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022 | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 2,1 | 0,2 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 7,6 | 1,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | 9,5 | 9,0 |
Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung) | 2,1 | 0,8 |
Baugewerbe | 7,4 | 6,6 |
Dienstleistungen | 71,3 | 82,2 |
Ontario und Québec geben den Ton an
Die wirtschaftlich stärkste Region des Landes ist die Greater Toronto Area (GTA) in der Provinz Ontario. Hier sitzt viel verarbeitendes Gewerbe sowie eine starke Finanzwirtschaft und Technologiebranche. Québec punktet unter anderem mit einer ausgeprägten Pharmaindustrie und Luftfahrtbranche sowie einem großen Bergbausektor. Die Prairieprovinzen Alberta, Saskatchewan und Manitoba sind von Landwirtschaft, Bergbau und fossiler Energiegewinnung geprägt. Im Westen wartet British Columbia mit einer Energie- und Rohstoffwirtschaft auf, zu der auch eine umfangreiche Forstwirtschaft zählt. In und um Vancouver sind viele Technologieunternehmen samt florierendem Start-up Ökosystem ansässig.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in US$) *) | Bevölkerung (in Mio.) |
---|---|---|---|
Ontario | 38,1 | 51.218 | 14,9 |
Québec | 20,1 | 46.631 | 8,6 |
Alberta | 14,9 | 66.893 | 4,5 |
British Columbia | 14,0 | 53.390 | 5,2 |
Saskatchewan | 3,5 | 59.557 | 1,2 |
Manitoba | 3,2 | 45.641 | 1,4 |
Nova Scotia | 2,1 | 41.491 | 1,0 |
New Brunswick | 1,7 | 42.711 | 0,8 |
Newfoundland and Labrador | 1,5 | 57.980 | 0,5 |
Prince Edward Island | 0,3 | 41.341 | 0,2 |