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Kanada forciert Klimaschutz und Handelsdiversifizierung
Mit Fokus auf Wasserstoff, Batterien und kritische Rohstoffe stärkt Kanada seine Wirtschaft – und bietet deutschen Zulieferern gute Perspektiven.
01.07.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
Kanada hat sich einer grüneren, emissionsarmen Wirtschaft verschrieben. Der Klimaschutzplan setzt dafür klare Vorgaben, etwa das Ziel für Netto-Null-Emissionen bis 2050. Öffentliche Investitionen fließen in den nächsten Jahren verstärkt in grüne Technologien.
Der Aufbau einer eigenen Wasserstoffwirtschaft sowie der Ausbau von Elektromobilität und Batterietechnik mit regionalen Wertschöpfungsketten und die allgemeine Förderung von Umwelttechnologien sind wichtige Regierungsziele. Die Klimaschutzpolitik spielt damit unter der liberalen Regierung eine zentrale Rolle und bietet Unternehmen eine breite Palette an staatlichen Förderungen.
Infolge der US-Handelspolitik hat Kanada zudem angekündigt, seine Kfz-Industrie gegen wirtschaftliche Bedrohungen aus den USA zu schützen. Ziel ist es, die Abhängigkeit von grenzüberschreitenden Lieferketten, insbesondere mit den USA, zu reduzieren. Mehr Autoteile und Fahrzeuge sollen vollständig in Kanada produziert werden.
Zusammenarbeit mit Deutschland soll weiter vertieft werden
Deutschland verfolgt ähnliche Ziele wie Kanada. Beide Länder kooperieren bereits eng. Sie pflegen eine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit – etwa bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Ebenso verlässlich sind die Handelsbeziehungen. Durch CETA, das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU, sind bereits 99 Prozent der bilateralen Zölle abgeschafft. Zudem erleichtert CETA Unternehmen aus der EU den Einstieg in das kanadische Projektgeschäft.
Kanada will seine Abhängigkeit von der US-Wirtschaft reduzieren
Die Bedeutung des Landes als Absatz- und Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen steigt. Die Zölle der Trump-Regierung dürften Kanadas Außenhandel mit der EU und Asien stärken, insbesondere bei Rohstoffen und Batteriematerialien, während sie den Austausch mit den USA dämpfen.
Kanadas Außenhandelsquote ist hoch. Sie liegt bei knapp zwei Dritteln der Wirtschaftsleistung – ein sehr hoher Wert unter den G7-Staaten. Wichtigster Handelspartner sind die USA, die knapp 50 Prozent aller Importe liefern und 75 Prozent der Exporte abnehmen.
Kanada will seine Handelsbeziehungen neu ausrichten, insbesondere in technologieintensiven und nachhaltigen Sektoren. 15 Freihandelsabkommen, darunter CETA und CPTPP (Asien-Pazifik), sollen den Unternehmen den Schritt in Überseemärkte erleichtern. Mit Inkrafttreten des NAFTA-Nachfolgeabkommens USCMA im Jahr 2020 haben viele kanadische Firmen aber ihre Lieferketten noch stärker in Nordamerika verankert.
Da das Ansehen der USA in Kanada wegen der jüngsten Zollpolitik erheblich gelitten hat, können deutsche Unternehmen durch gezielte Investitionen und Lieferangebote ihre Position als verlässlicher Partner stärken – und damit langfristig profitieren. Neue Zulieferchancen können sich für deutsche Firmen zum Beispiel in den Bereichen Maschinenbau und Industrieanlagen ergeben, als Ersatz für US-Zulieferer.
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Rohstoffe treiben Kanadas Export und Konjunktur
Kanada ist auf dem Papier eine Dienstleistungsökonomie. Sektoren wie Handel, Finanzen, Gesundheitswesen, Bildung und Tourismus stehen für drei Viertel der Wirtschaftsleistung.
Gleichzeitig beschäftigen das produzierende Gewerbe, das Bauwesen sowie Transport und Lagerhaltung noch immer gut ein Fünftel aller Arbeitnehmer. Im verarbeitenden Gewerbe sind vor allem der Fahrzeugbau und die Luftfahrtbranche international bedeutend. Die Kfz-Industrie ist eng mit den USA verflochten.
Auch das Baugewerbe sowie der Primärsektor inklusive Bergbau sowie Öl- und Gasindustrie sind wichtige Wirtschaftszweige. Letztere geben – aufgrund ihrer Bedeutung für den Export – oft den Puls der kanadischen Konjunktur wieder.
Der Abbau kritischer Mineralien für die Energiewende soll forciert werden
Die im Dezember 2022 veröffentlichte Strategie für kritische Mineralien bildet die Grundlage für den Ausbau einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft. Kanada will sich als führender Produzent und sicherer Lieferant kritischer Mineralien positionieren – insbesondere als Alternative zu China. Die Strategie adressiert die gesamte Wertschöpfungskette: von der Exploration über den Bergbau und die Aufbereitung bis hin zur fortgeschrittenen Fertigung und dem Recycling.
Seit 2024 wurden konkrete Maßnahmen eingeleitet. Dazu zählen:
- staatliche Investitionen in Infrastruktur
- Förderprogramme für Recyclingtechnologien
- gesetzliche Reformen in Ontario (schnellere Genehmigungsverfahren, weniger regulatorische Hürden)
Die Bundesregierung will künftig stärker mit der Privatwirtschaft kooperieren, um gemeinsam Finanzierungsrisiken zu tragen. Im Fokus stehen dabei strategische Regionen wie Timmins (Ontario) mit seinen großen Nickelsulfid-Vorkommen.
Für deutsche Ausrüster ergeben sich entlang der Wertschöpfungskette vielfältige Chancen – insbesondere bei umweltfreundlichen Bergbautechnologien. Dazu zählen energieeffiziente Maschinen, emissionsarme Raffinationsprozesse sowie Lösungen für die autarke Energieversorgung entlegener Minenstandorte.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2024 | Anteil an den Beschäftigten 2024 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 1,8 | 0,2 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 5,1 | 1,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | 9,2 | 8,8 |
Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung) | 2,0 | 0,8 |
Baugewerbe | 7,3 | 6,6 |
Dienstleistungen | 74,6 | 82,5 |
Großraum Toronto führt Kanadas Finanz- und Techsektor an
Die wirtschaftlich stärkste Region des Landes ist die Greater Toronto Area (GTA) in der Provinz Ontario. Sie ist ein Zentrum für Finanzdienstleistungen und verarbeitendes Gewerbe (insbesondere Automobil- und Maschinenbau) und verfügt über eine wachsende Technologie- und Start-up-Szene.
Die Provinz Québec überzeugt mit einer starken Pharma- und Luftfahrtindustrie sowie einem bedeutenden Bergbau- und Aluminiumsektor.
Die Prärieprovinzen Alberta, Saskatchewan und Manitoba sind geprägt von Landwirtschaft, fossiler Energiegewinnung (vor allem Öl und Gas in Alberta) und Bergbau.
Im Westen wartet British Columbia mit einer diversifizierten Rohstoffwirtschaft auf, darunter Forstwirtschaft, Bergbau und Wasserkraft. Die Region um Vancouver entwickelt sich zudem zu einem Technologiestandort mit florierendem Start-up-Ökosystem.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in US$) 1) | Bevölkerung (in Mio.) 2) |
---|---|---|---|
Ontario | 38,7 | 39.572 | 16,2 |
Québec | 19,5 | 35.527 | 9,1 |
Alberta | 15,6 | 52.299 | 4,9 |
British Columbia | 13,8 | 39.968 | 5,7 |
Saskatchewan | 3,6 | 47.150 | 1,2 |
Manitoba | 3,1 | 34.688 | 1,5 |
Nova Scotia | 2,0 | 30.863 | 1,1 |
New Brunswick | 1,6 | 30.513 | 0,8 |
Newfoundland and Labrador | 1,3 | 39.646 | 0,5 |
Prince Edward Island | 0,3 | 30.963 | 0,2 |