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Rohstoffe: Lateinamerika steht vor Investitionsschub
Von Brasilien bis Chile – in der Region sind Milliardeninvestitionen im Bergbau geplant, mit vielfältigen Zulieferchancen für Deutschland. An eigenen Projekten fehlt es jedoch. (Stand: 15.10.2025)
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Lateinamerika zählt zu den wichtigsten Bergbauregionen der Welt. Bei vielen Vorkommen liegt der Subkontinent auf einem der vorderen Ränge. Das gilt besonders für Kupfer, Silber und Lithium. Interessant sind aber auch die bedeutenden Vorkommen an weiteren Erzen und Mineralien wie Blei, Eisen, Gold, Zink und Zinn sowie an weniger bekannten Rohstoffen wie Grafit, Molybdän, Niob oder Selen.
Lateinamerikas Rohstoffreichtum in großen Teilen noch geologisch unerforscht
Steigen könnte die Bedeutung Lateinamerikas künftig bei der Förderung weiterer kritischer Rohstoffe wie Indium, Germanium oder Tellur sowie seltener Erden. Deren Vorkommen sind vielfach noch nicht ausreichend erforscht, aber nicht nur diese. So ist heute lediglich 35 Prozent der Fläche Brasiliens geologisch erfasst. Dennoch stellt das Land schon heute eine Rohstoffgroßmacht dar. Ähnlich sieht es in Argentinien aus. Lateinamerika wird in Zukunft daher noch für manche Überraschung gut sein.
Lange Projektpipeline
Allein in Brasilien, der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas, befinden sich mindestens 50 Projekte zur Gewinnung von Kupfer, Lithium, Grafit, Nickel, seltenen Erden und Kobalt in der Erschließungsphase. Chile plant Milliardeninvestitionen nur für die weitere Erschließung seiner Kupferlagerstätten. Auch in Peru wird kräftig in den Kupferbergbau investiert.
Neu ins Spiel kommen aktuell Vorhaben in Argentinien, wo im Zuge des Investitionsfördergesetzes RIGI speziell Großprojekte von Sonderkonditionen profitieren, und auch in Ecuador nehmen Bergbauprojekte an Fahrt auf. Wo es hapert, wie in Kolumbien oder in Bolivien, hat dies meist politische Gründe.
Zwar beschäftigen die Branche auch aktuelle Unsicherheitsfaktoren wie die erratische Zollpolitik Donald Trumps oder die schwächelnde Konjunktur in China, einem wichtigen Kunden. Langfristig geht sie jedoch von einer anhaltend hohen Rohstoffnachfrage aus – und damit von einem Fortgang der Projekte. Und von diesen gibt es eine kaum zu überblickende Zahl in den unterschiedlichen Phasen, wie folgende Karte veranschaulicht.
Im Bergbau schlummern viele Geschäftschancen – auch für deutsche Firmen
Der Bergbau in Lateinamerika bietet vielfältige Chancen für deutsche Firmen, sei es als Lieferanten von Technik, als Dienstleister oder als Beschaffungsmarkt. Angesichts der weltweit massiven Investitionen in Stromnetze, erneuerbare Energie und Rechenzentren gehen viele Beobachter künftig von einem Versorgungsdefizit bei verschiedenen Rohstoffen aus, darunter bei Kupfer. Auch vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen, der Neuausrichtung von Lieferketten und der immensen Abhängigkeit von China bei vielen Rohstoffen lohnt sich ein Blick auf Lateinamerika.
Doch Europa ist nicht der einzige Interessent vor Ort – und wenn es um konkrete Vorhaben geht, spielen Deutschland und andere EU-Staaten kaum eine Rolle. Mit Abstand wichtigste Initiatoren für kommende Projekte sind Konzerne aus Kanada und sowie die großen britisch-australischen Multis BHP und Rio Tinto.
Zunehmende Rolle Chinas
Auch die Bedeutung Chinas steigt. Seit über einer Dekade ist die Volksrepublik dabei, sich über Direktinvestitionen gezielt Zugang zu Rohstoffen zu sichern. So übernahm die chinesische Firma CMOC im April 2025 in Ecuador das Gold-Kupfer-Projekt Cangrejos von der kanadischen Lumina Gold. In Peru ist China bereits zum wichtigsten Bergbauinvestor avanciert mit einem Anteil von rund 20 Prozent an den Investitionen.
Wichtige Akteure sind dabei staatliche Unternehmen, die politische Risiken besser abfedern können als private Investoren. Im Zentrum stehen vor allem Länder mit niedrigeren technologischen, Umwelt- und Sozialstandards. Dies sei auch ein Grund, weshalb China zum Beispiel bisher keinen Fuß in die Tür im chilenischen Bergbau bekommen habe, vermuten Branchenkenner.
Wie Deutschland und die EU an Boden gewinnen können
Aus Sicht von Branchenbeobachtern können Deutschland und die EU nur mit einem Gesamtkonzept punkten, das die Partnerländer überzeugt. Deren Interesse liegt – neben Einnahmen aus dem Rohstoffabbau – vor allem an der Weiterverarbeitung der Rohstoffe vor Ort und dem Ausbau der vertikalen Wertschöpfungskette. "Zu sagen, 'wir arbeiten daran', genügt nicht, denn andere Länder tun dies bereits", sagt Bergbauexperte Achim Constantin. Auch die Einhaltung sozialer oder ökologischer Standards sei nicht für alle Staaten ein Mehrwert, selbst wenn sich hier auf Druck verschiedener Seiten einiges tut.
Darüber hinaus fehlt es aus Unternehmenssicht an Möglichkeiten der Risikofinanzierung, speziell in frühen Projektstadien. Doch es gibt Bewegung, allen voran mit dem im Oktober 2024 aufgelegten Rohstofffonds der Bundesregierung.
Sekundärbergbau mit viel Potenzial
Zunehmend interessant ist auch das Thema Sekundärbergbau. In den unzähligen Abraumhalden auf dem Subkontinent lagern ungehobene Schätze, deren Abbau sich zunehmend lohnt. "Heute gibt es bereits alte Halden und Tailings, die einen höheren Kupfergehalt aufweisen als Primärvorkommen, weil die Abbaumethoden damals noch nicht so effizient waren wie heute", sagt Iris Wunderlich, Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile.
Deshalb könne es einfacher und preiswerter sein, Wertstoffe aus Halden zu gewinnen, als eine neue Mine zu eröffnen. "Zugleich tut man etwas Positives für die Umwelt, indem Halden verkleinert oder sogar Schadstoffe entfernt werden", sagt Wunderlich. Besonders in Chile rückt das Thema zunehmend in den Fokus. Doch auch in Peru arbeitet der nationale geologische Dienst INGEMMET an der Kategorisierung der Abraumhalden des Landes nach Umweltgefahren und Wiederaufbereitungspotenzial. Unterstützt wurde er bis 2025 von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
Mehr Sorgfaltspflichten
Chancen für europäische und deutsche Firmen bietet auch die Tatsache, dass im Bergbau soziale und Umweltaspekte an Gewicht gewinnen – von Seiten der Öffentlichkeit, des Staates, der lokalen Bevölkerung sowie der Unternehmen und ihrer Shareholder. Besonders für nicht traditionelle Bergbauländer ist das eine enorme Herausforderung. Druck kommt auch von den Kunden. Sie fordern zunehmend Zertifizierungen wie IRMA oder Copper Mark, um sich wiederum gegenüber den eigenen Kunden und der Öffentlichkeit abzusichern.
Verstärkt wird dieser Trend durch das europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Es verpflichtet Unternehmen, die Einhaltung sozialer und Umweltstandards ihrer Lieferanten sicherzustellen.
Ein Zukunftsthema ist der verantwortungsvolle Umgang mit Minenschließungen. Vorreiter ist Chile. Die Bergbaubehörde Sernageomin ist dabei, die Folgen des Klimawandels auf Minenschließungen zu untersuchen. Große Bergbaufirmen extrapolieren bereits die Zunahme von Extremwetterlagen wie Starkregen auf die kommenden Jahrhunderte, um ihre Operationsrisiken zu minimieren.