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Wirtschaftsausblick | Türkei

Türkei kämpft mit neuer Geldpolitik gegen die Krise

Die Regierung vollzieht eine Kehrtwende in der Wirtschafts- und Geldpolitik. Wie beständig diese ist, bleibt abzuwarten.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Wirtschaftsentwicklung: Ende der Niedrigzinspolitik

Die Türkei vollzog nach der Mai-Wahl 2023 einen Kurswechsel hin zu einer restriktiveren Geldpolitik. Der Leitzins wurde bis März 2024 schrittweise von 8,5 Prozent auf 50 Prozent erhöht. Das Wirtschaftswachstum könnte sich im Jahr 2024 infolge der strafferen Geldpolitik laut Internationalem Währungsfonds auf 3 Prozent abschwächen. Weitere Herausforderungen sind eine hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende geo- und innenpolitische Spannungen.

So verfolgte Staatspräsident Erdoğan bis zu seiner Wiederwahl im Mai trotz horrender Inflation eine Niedrigzinspolitik, die kurzfristig die Exporte und den Konsum anregte. Dies befeuerte die Inflation und den Abwertungsdruck auf die türkische Lira. Die Nettoreserven der Zentralbank sind gesunken, die Auslandsverschuldung und Abhängigkeit von ausländischen Finanzhilfen ist hoch. Instabile Rahmenbedingungen haben das Vertrauen der Investoren erschüttert.

Erdoğan hat Mehmet Şimşek zum neuen Finanzminister ernannt, der als Vertreter einer orthodoxen Finanz- und Wirtschaftspolitik gilt. Zusammen mit Hafize Erkan, einer neuen Zentralbank-Gouverneurin, arbeitete er daran, die Inflation zu bekämpfen und die Investitionen durch eine restriktive, vorhersehbare Geldpolitik zu stärken. Das Duo fuhr die staatliche Stützung für die türkische Lira zurück, weshalb diese seit Juni gegenüber dem US-Dollar (US$) deutlich an Wert verloren hat und weiter abwerten könnte. Erkan trat am 2. Februar 2024 zurück und ihr bisheriger Stellvertreter Fatih Karahan wurde neuer Zentralbankchef. Şimşek versicherte, die Wirtschaftspolitik würde fortgesetzt.

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Trotz schwacher Lira stagnieren die Ausfuhren

Die Exporteure in der Türkei profitieren eigentlich von der schwachen Lira und den Nearshoring-Bestrebungen europäischer Unternehmen. Doch gesunkene Preise und ein Konjunkturrückgang in wichtigen Absatzmärkten dämpfen die türkischen Ausfuhren und ließen sie 2023 in etwa auf dem Vorjahresniveau stagnieren. Die Importe stiegen in dieser Zeit lediglich um 1 Prozent. Aufgrund der schwachen Lira ist der Einkauf von Vorprodukten für die importabhängige Industrie teuer. 

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Konsumieren statt Sparen

Die Inflation hat die reale Kaufkraft der Haushalte geschmälert. Gehaltserhöhungen federn die Einbußen meist nur ab. Die Leitzinserhöhungen könnten mittelfristig den Konsum dämpfen. Aber noch treibt die Inflation den Konsum an, und Sparen lohnt sich kaum. Die Bevölkerung flüchtet wegen der schwachen Lira in Gold, Devisen, Aktien, Kryptowährung, Grundstücke oder Immobilien.

Neue Investoren bleiben skeptisch

Besonders kleine und mittelständische türkische Unternehmen haben es momentan schwer, da

  • Leitzinserhöhungen die Finanzierungsschwierigkeiten verschärfen

  • die schwache Lira die Aufnahme und Bedienung ausländischer Kredite verteuert

  • die hohe Wechselkursvolatilität langfristige Planungen und Kostenkalkulationen verkompliziert

  • die Lohnkosten stark gestiegen sind

Trotz dieser Herausforderungen bleiben viele im Land ansässige Unternehmen optimistisch und planen neue Projekte, insbesondere exportorientierte Firmen. Neue ausländische Investoren zögern jedoch.

Von Januar bis Oktober 2023 belief sich der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen in die Türkei auf rund 4,1 Milliarden US$. Die höchsten Zuflüsse stammen aus den Niederlanden, gefolgt von Deutschland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland.

Top-Thema: Die nächste Kehrtwende könnte bevorstehen

Der geldpolitische Kurswechsel wird von der Wirtschaft überwiegend positiv bewertet. Die bisher getroffenen Entscheidungen lassen auf eine verlässlichere Wirtschafts- und Geldpolitik hoffen, jedoch ist der Rücktritt Erkans eine erneute Turbulenz. 

Viele Unternehmen sind noch skeptisch und befürchten weitere Kehrtwenden Erdoğans. Noch zeigt die neue Geldpolitik keine positiven Auswirkungen für die Bevölkerung. Die Inflation verharrt weiterhin bei rund 65 Prozent. Zudem stoßen viele der jüngsten Maßnahmen, wie die Erhöhungen der Leitzinsen und Mehrwertsteuer, beim Volk auf Unmut.

Deutsche Perspektive: Gute Geschäfte in der Türkei

Die deutschen Lieferungen in die Türkei stiegen nach Angaben der türkischen Statistik 2023 um beachtliche 19 Prozent im Vorjahresvergleich auf 29 Milliarden US$. Damit bleibt Deutschland zwar weiter auf Rang 3 der wichtigsten Lieferländer hinter dem Gaslieferanten Russland (-23 Prozent; 46 Milliarden US$) und China (+9 Prozent; 45 Milliarden US$), hat aber Marktanteile zurückerobert. Die wichtigsten deutschen Exportgüter sind Kfz und Kfz-Teile, Maschinen sowie Airbus-Flugzeuglieferungen.

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Trotz herausfordernder Bedingungen ist auch die Stimmung unter den deutschen Unternehmen in der Türkei größtenteils positiv. Laut der AHK-Umfrage im Oktober 2023 bewerten 67 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung ihre Geschäftslage als gut. Knapp die Hälfte erwartete in den kommenden zwölf Monaten eine Verbesserung und nur 11 Prozent gingen von einer Verschlechterung aus. Der Wechselkurs bleibt der größte Risikofaktor, gefolgt von wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Als weitere Risiken werden Finanzierung und Arbeitskosten genannt. 

Deutschland ist ein bedeutender Investor in der Türkei. Ende August 2023 waren 8.041 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in der Türkei registriert. Im Jahr 2023 flossen Direktinvestitionen in Höhe von 687 Millionen US$ aus Deutschland in die Türkei (2022: 972 Millionen US$).

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