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Close up of artificial intellig Artificial intelligence brain | © Yuichiro Chino - gettyimages.de

Special | Südkorea | KI-Strategie

Südkorea will bei KI zum Vorreiter aufsteigen

Noch mangelt es an Rechenleistung und der Einsatz in der Industrie hakt. Die Regierung will mit einer ambitionierten nationalen Strategie und starker Förderung KI voranbringen.

Von Katharina Viklenko | Seoul

Als Standort überzeugt Südkorea durch eine hervorragende IT-Infrastruktur. Im Global Innovation Index 2025 der World Intellectual Property Organization kletterte das Land noch vor Singapur erstmals auf den 1. Platz in Asien, weltweit verbesserte es sich um zwei Plätze und belegt Rang 4. Zahlreiche einheimische Großkonzerne sind im Bereich künstliche Intelligenz (KI) aktiv, darunter Samsung Electronics, Hyundai Motor Group und LG sowie führende IKT-Unternehmen wie SK, KT, Naver und Kakao. Auch bei der digitalen Verwaltung ist Südkorea international führend: Im Digital Government Index (e-Government) zählt es zur Weltspitze. So können amtliche Dokumente umfassend und bequem online beantragt werden. Generell ist die Bevölkerung gegenüber neuen Technologien aufgeschlossen.

Südkorea liegt bei KI-Rankings vorne

Laut Angaben des Stanford AI Index Report 2025 war Südkorea 2023 das Land mit den meisten erteilten KI-Patenten pro Einwohner. Im Global AI Index 2024 des britischen Medienunternehmens Tortoise Media liegt Südkorea knapp vor Deutschland auf Rang 6 von 83 untersuchten Volkswirtschaften. Zu den Stärken des Landes zählen laut der Aufstellung die Bereiche Entwicklung (Rang 3), Regierungsstrategie (Rang 4) sowie Infrastruktur (Rang 6). Am schlechtesten bewertet wird mit Platz 35 hingegen das operative Umfeld.

Südkorea will bis 2027 in Top 3 aufsteigen

Bei der KI-Strategie setzt die Regierung auf eine Mischung aus staatlicher Steuerung, privaten Investitionen und internationaler Kooperation. Dabei sieht Südkorea KI und Digitalisierung als Schlüssel zur globalen Wettbewerbsfähigkeit. Auch strukturellen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel und dem Rückgang der Erwerbsbevölkerung will Südkorea mit KI-Lösungen begegnen.

7,2 Mrd. US$

will die südkoreanische Regierung 2026 in KI investieren.

Die Regierung um Präsident Lee Jae-myung will das KI-Budget für 2026 auf rund 7,2 Milliarden US-Dollar (US$) gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifachen. Ein Großteil der Finanzmittel soll in die Integration von KI-Technologien in Industrien wie Robotik, Kfz, Schiffbau und Produktion fließen, denn im industriellen Sektor besteht bei der KI-Nutzung noch Nachholbedarf. 

"So offen südkoreanische Konsumenten neuen Technologien oder der Datenerfassung im öffentlichen Raum gegenüberstehen, so zurückhaltend erfolgt noch die Anwendung von KI im industriellen Bereich", bewertet Tino Hildebrand Executive, Vice President bei Siemens Korea und Head of Siemens Digital Industries Korea, die Situation (siehe Kurzinterview am Ende des Artikels).

Einsatz von KI in Industrie ist noch ausbaufähig

Bislang fehlt es an international führenden einheimischen Anbietern. Aufgrund von Sicherheitsbedenken entwickeln und nutzen große Informations- und Kommunikationsfirmen primär eigene Datenplattformen. Vielen Firmen mangelt es zudem an digitalen Grundlagen. Teil der Strategie der Regierung ist auch, die KI-Nutzungsquote von kleinen und mittelständischen Unternehmen bis 2027 auf 50 Prozent zu erhöhen. Im Jahr 2024 lag sie bei 28 Prozent.

In den nächsten fünf Jahren will Südkorea zudem 30 KI-Projekte über einen öffentlich-privaten Investitionsfonds im Wert von 71,6 Milliarden US$ umsetzen. Die Regierung will Start-ups im Bereich KI-Dienste und -Lösungen fördern und fünf globale KI-Unicorns heranziehen. Insgesamt sind die Ziele der Regierung ambitioniert, doch die Fundamentaldaten für eine globale Vorreiterrolle im KI-Bereich sind solide. 

Schwächen der digitalen Infrastruktur legte ein Großbrand im wichtigsten staatlichen Rechenzentrum National Information Resources Service (NIRS) in Daejeon Ende September 2025 offen. Der Brand führte zu flächendeckenden Ausfällen von über 600 staatlichen IT-Diensten, deren Wiederherstellung geraume Zeit in Anspruch nehmen wird. Zentralisierte Serverstrukturen und unzureichende Backup-Systeme verdeutlichen die Verwundbarkeit gegenüber technischen Störungen.

SWOT-Analyse zu Künstlicher Intelligenz in Südkorea

S

Stärken Strengths

  • Hervorragende IT-Infrastruktur
  • Hohes Bildungsniveau und digitales Know-how
  • Umfangreiche staatliche Förderung
  • Starkes Start-up-Ökosystem
W

Schwächen Weaknesses

  • Geringer KI-Einsatz in Industrie und fragmentierte Datenlandschaft
  • Fehlende globale Software-Champions
  • Fokus von Branchenplayern auf Hardware
  • Begrenzte Rechenkapazitäten
O

Chancen Opportunities

  • Breites Anwendungsfeld mit verarbeitendem Gewerbe als Rückgrat der Wirtschaft
  • Nationale Strategie zur Stärkung digitaler Technologien und KI
  • Projekte zur internationalen Kooperation
T

Risiken Threats

  • Nähe zu Nordkorea und Gefahr von Cyberangriffen
  • Fachkräftemangel und Braindrain
  • Riesiger Strombedarf
  • Technologische Abhängigkeit bei Cloud-Infrastruktur

Frühe Ausrichtung auf Digitalisierung und KI

Südkorea formulierte 2019 die erste Nationale Strategie für KI. Mit der Digitalstrategie von 2022 sowie dem Digital New Deal während der Coronapandemie wurde der Schwerpunkt auf die sechs Felder KI, KI-Halbleiter, die Mobilfunkstandards 5G und 6G, Quantencomputing, Metaverse und Cybersicherheit gelegt.

Im Dezember 2024 verabschiedete Südkorea das KI-Gesetz "Framework Act on AI", das ab Januar 2026 in Kraft treten soll. Damit ist es das erste Land in Asien und eines der ersten weltweit mit einem eigenen KI-Rahmengesetz. Der Fokus liegt auf der Förderung und Entwicklung von KI-Industrien und -Technologien, deren Fortschritt alle drei Jahre evaluiert und in einem angepassten KI-Masterplan neu ausgerichtet werden soll. 

Neben der systematischen Förderung des nationalen KI-Ökosystems und dem Aufbau von KI-Clustern will das Land leistungsfähige Rechenzentren aufbauen. Mit dem Digital Inclusion Act (Dezember 2024) will Südkorea die gesellschaftlichen Auswirkungen mitdenken, digitale Barrieren abbauen und den Zugang zu digitalen Technologien für alle Bürger gewährleisten.

Aufbau von Rechenzentren ist ein weiterer Fokus

Darüber hinaus sieht Südkoreas KI-Strategie die Entwicklung einer koreanischen Version von ChatGPT, den Bau eines National AI Computing Center sowie steuerliche Anreize für Investitionen vor. Vor allem will Südkorea die begrenzten Rechenkapazitäten ausbauen: Bis 2028 soll für bis zu 35 Milliarden US$ das weltweit größte KI-Datenzentrum mit bis zu 3 Gigawatt Leistung entstehen. Die SK-Gruppe und Amazon Web Services haben zudem im August 2025 mit dem Bau eines KI-Rechenzentrums für rund 5,1 Milliarden US$ in Ulsan begonnen. Bis 2029 soll mit dem Einsatz von 60.000 Graphics Processor Units (GPU) eine Rechenleistung von über 100 Megawatt bereitstehen.

Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU

Im Jahr 2022 wurde der Deutsch-Koreanische Digitaldialog zwischen dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und dem südkoreanischen Ministerium für Wissenschaft und IKT (MSIT) initiiert. Ziel ist es, die digitale Souveränität beider Länder zu stärken und Innovationen grenzüberschreitend zu fördern. Der Anfang 2025 unterzeichnete Arbeitsplan sieht eine intensivierte bilaterale Zusammenarbeit in den Kerntechnologien KI, Smart Cities und Digital Twins, Cloud, Quantencomputing und 6G vor. Fast zeitgleich vereinbarte Südkorea im November 2022 mit der EU den Aufbau einer digitalen Partnerschaft, die eine engere Kooperation bei KI vorsieht. Ferner unterstützen etwa Siemens und SAP südkoreanische Firmen bei der Integration von KI-Software und Cloudlösungen in der Industrie.

"Südkorea muss KI als ganzheitliche Lösung denken"

Tino Hildebrand, Executive Vice President, Siemens Korea and Head of Siemens Digital Industries Korea Tino Hildebrand, Executive Vice President, Siemens Korea and Head of Siemens Digital Industries Korea | © Siemens Digital Industries Korea

Tino Hildebrand ist seit 2022 Executive Vice President bei Siemens Korea und zugleich Head of Siemens Digital Industries Korea. Das deutsche Unternehmen ist zentraler Akteur bei der industriellen KI-Transformation in Südkorea. Es unterstützt Firmen bei der Digitalisierung von Fertigung, Infrastruktur und Logistik.

Wo sehen Sie Herausforderungen bei der KI-Anwendung in Südkorea?

So offen südkoreanische Konsumenten neuen Technologien oder der Datenerfassung im öffentlichen Raum gegenüberstehen, so zurückhaltend erfolgt noch die Anwendung von KI im industriellen Bereich. Fast alle südkoreanischen Firmen verfügen über eigene Rechenzentren. Viele Unternehmen bevorzugen lokale und hausintern entwickelte Lösungen, wobei Daten buchstäblich nicht den Firmenzaun verlassen sollen. Infolgedessen verfügen Firmen in Südkorea über Einzellösungen, die isolierten Datensilos ähneln, oder sie nutzen teils überholte Systeme. Diese Strukturen sind jedoch eine Herausforderung für die Implementierung von KI-Lösungen, die auf Datenaustausch und Cloudlösungen angewiesen sind.

Wo sehen Sie Potenzial?

Südkorea verfügt bereits über eine solide Grundlage: Die hohe technologische Affinität, das breite Fachwissen sowie der ausgeprägte Grad an Automatisierung und Standardisierung bilden eine starke Basis. In den kommenden Jahren erwarte ich einen Wandel im Mindset hin zu einem verstärkten Einsatz externer, cloudbasierter Lösungen in der Industrie – auch wenn das Vertrauen in interne, isolierte Systeme in Südkoreas Geschäftswelt derzeit noch ausgeprägt ist. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass Südkorea eines der ersten Länder weltweit sein wird, das auf vollständig autonome Fertigung in seinen Fabriken umstellt.

Welche Empfehlungen würden Sie Südkorea geben?

Zentral ist, dass die Regierung weiterhin gezielt in die Ausbildung im KI-Bereich sowie in die Förderung von Talenten investiert. Ebenso wichtig ist es, konkrete Anwendungsfälle im industriellen Umfeld durch Pilotprojekte sichtbar zu machen. Unternehmen sollten verstärkt auf praxisnahe Beispiele setzen und weniger auf rein laborbasierte Konzepte.

Künstliche Intelligenz sollte zudem nicht als isolierte Technologie betrachtet werden, sondern als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Strategie zur digitalen Transformation. Unternehmen müssen zunächst klare Geschäftsziele formulieren und ihre KI-Initiativen gezielt daran ausrichten. Dann kann KI nicht nur einzelne Probleme lösen, sondern als Wegbereiter für Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Kosteneinsparungen und weitere strategische Aspekte fungieren.

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