Special | Afrika | US-Zollpolitik
Neue US-Zölle in Afrika könnten EU und China nutzen
Auch in Afrika ist man sich nicht sicher, ob die USA noch ein verlässlicher Partner sind. Der Kontinent könnte sich anderen Handelspartnern zuwenden.
22.10.2025
Von Corinna Päffgen, Jenny Tala, Marcus Knupp, Peter Schmitz, Ullrich Umann, Carsten Ehlers | Accra, Johannesburg, Kairo, Tunis, Casablanca, Nairobi
"Glück gehabt, Afrika" dachten sich viele Beobachter, als die US-Regierung im August 2025 die neuen reziproken Zölle veröffentlichte. Immerhin erhielten von den 54 afrikanischen Staaten 32 den niedrigsten US-Zusatzzollsatz von 10 Prozent.
Eine ganze Reihe weiterer Länder landete bei immer noch moderaten 15 Prozent. Darunter auch Länder, die in der ersten Runde im April 2025 noch mit sehr hohen Zusatzzöllen von zwischen 32 und 50 Prozent bedacht worden waren, wie Angola, Botswana, Lesotho, Madagaskar und Mauritius. Mit Südafrika, Algerien und Libyen (alle 30 Prozent) sowie Tunesien (25 Prozent) gibt es vier "Härtefälle".
Südafrika trifft es aktuell am härtesten
Insbesondere für die südafrikanische Wirtschaft stellt der Zusatzzoll von 30 Prozent eine Bedrohung dar, denn die USA sind Südafrikas zweitwichtigster Absatzmarkt. Im Jahr 2024 gingen Waren im Wert von knapp 15 Milliarden US-Dollar (US$) über den Atlantik. Im Kapland hängen tausende Arbeitsplätze am US-Geschäft, unter anderem in der Produktion von Fahrzeugen, Stahl- und Aluminiumprodukten sowie Agrarprodukten wie Wein.
Die südafrikanische Regierung bemüht sich um ein neues Handelsabkommen mit den USA, was letztere bislang ablehnen. Südafrika verfügt mit seinen großen Rohstoffvorkommen zwar über keine schlechte Verhandlungsposition. Gründe für den hohen Zollsatz dürften neben dem großen US-Handelsbilanzdefizit aber auch politisch bedingte Faktoren sein.
Mit Tunesien gibt es einen weiteren großen Markt, der von hohen US-Zöllen betroffen ist. Dort erwirtschaften die USA ein Handelsdefizit. Anders als bei Südafrika ist die Abhängigkeit Tunesiens von Exporten in die USA aber gering. Betroffen sein werden aber einzelne Produkte wie Olivenöl und Dünger.
Ägypten, Marokko, Kenia und Nigeria kamen davon
Beispiele für US-Handelspartner mit geringen Zöllen sind Ägypten, Kenia und Marokko. Gerade in Ägypten erwirtschaften die USA seit Jahren einen großen Handelsüberschuss, bei Kenia ist das Verhältnis in etwa ausgeglichen. In beiden Ländern gibt es Stimmen, die in den 10 Prozent sogar einen relativen Vorteil sehen gegenüber asiatischen Wettbewerbern in der Textilindustrie, die mit höheren Zöllen konfrontiert sind. Insbesondere Ägypten ist für die USA von politisch strategischer Bedeutung, da das Land als Ruhepol in einer unruhigen Region gilt.
Mit Kenia verhandeln die USA seit dem Jahr 2020 über ein Freihandelsabkommen, das den Marktzugang von US-Firmen in Kenia mit einbeziehen soll. Marokko gilt als wichtiger Absatzmarkt und unterliegt derzeit einem US-Zusatzzoll von 10 Prozent – obwohl bereits seit 2006 ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA besteht. Die zusätzlichen Zölle kommen dennoch zur Anwendung.
Nigeria wurde ein Zusatzzollsatz von 15 Prozent auferlegt. Dieser kommt jedoch kaum zur Anwendung, da es sich bei nahezu allen Ausfuhren um zollbefreite Erdölexporte handelt. Ähnlich sieht es bei den Ölexporteuren Algerien und Libyen aus, die daher auch die hohen US-Zölle verschmerzen können.
Was passiert nach AGOA?
Bislang galt für die meisten Länder Subsahara-Afrikas der African Growth and Opportunity Act (AGOA). AGOA bestand seit dem Jahr 2000 und gewährte einen zoll- und quotenfreien Zugang zum US-Markt. In zahlreichen Ländern etablierte sich deshalb eine Textilindustrie, in Südafrika profitierte insbesondere der Automobilsektor. Aktuell sieht es so aus, als würde das Ende September 2025 ausgelaufene AGOA nicht mehr verlängert werden.
Die Ungewissheit, welche Regelungen nun gelten, sorgt seit Monaten für rückläufige Lieferungen an die USA. Aus Afrika sind davon vor allem verarbeitete Güter wie Kraftfahrzeuge, Textilien und Rohstoffe wie Kakao, Cashewnüsse, Sheabutter, Tee und Kaffee betroffen. Logistiker berichten von Abfertigungsstaus an den US-Häfen und Flughäfen.
Fast zeitgleich reduzieren die USA auch die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika durch die Einstellung der Hilfsprogramme seitens der US-Entwicklungshilfeagentur USAID. Betroffen sind gerade sehr armen Länder wie Malawi, Mosambik, die Zentralafrikanische Republik, Burundi, Madagaskar und Tschad. Hier spielt diese Hilfe eine wichtigere Rolle als die Zölle.
Was wollen die USA?
Afrikanische Märkte zählen für die USA nicht zu den Hauptexportzielen wie Mexiko, Kanada oder China, jedoch sind die US-Ausfuhren nach Afrika in den letzten Jahren stetig angestiegen. Im Güterhandel erwirtschaften die USA ein Defizit, im Plus liegen sie hingegen bei Dienstleistungen. Groß ist das Interesse an Afrikas Rohstoffen wie Platin, Gold, Mangan, Kupfer, Kobalt, Lithium und anderen kritischen Mineralien. Für die US-Regierung steht die Sicherung kritischer Rohstoffketten im Fokus, zum Beispiel über Abbaukonzessionen für US-Minengesellschaften oder über die angestrebte strategische Partnerschaft (Minerals Security Partnership) mit der DR Kongo.
Größere Märkte wie Südafrika, Ägypten, Nigeria oder Kenia sind zudem attraktiv für IT-Dienstleister. Und auch der Zugang für US-Technologielieferanten bei Infrastrukturvorhaben, wie dem Bau von Kraftwerken, ist von großem Interesse für die USA.
Was bedeutet das für Afrika?
Es ist zu erwarten, dass sich bei den US-Zollsätzen noch Veränderungen ergeben. Insbesondere Länder mit bedeutenden Rohstoffvorkommen dürften über eine gewisse Verhandlungsmacht verfügen. Staaten hingegen, die von den USA als weniger strategisch relevant eingestuft werden, könnten durch einen möglichen Wegfall der AGOA-Vorzüge Nachteile erleiden.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass Mahmoud Ali Youssouf, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union (AU), afrikanische Staaten dazu aufrief, in den Verhandlungen "mit einer Stimme" zu sprechen. Allerdings bleibt der politische Zusammenhalt innerhalb des Kontinents weiterhin schwach ausgeprägt.
Hoffnungen, dass stärkerer Handel innerhalb Afrikas das eventuell geringere US-Geschäft ausgleichen könnte, sind kurzfristig unrealistisch. Die Fortschritte bei der Weiterentwicklung der Afrikanischen Freihandelszone AfCFTA seit ihrer Einführung im Jahr 2020 gelten als schleppend.
Der innerafrikanische Warenhandel bleibt vergleichsweise gering: Er lag im Jahr 2024 bei 220 Milliarden US$, das sind nur etwa 14 Prozent des Gesamthandel Afrikas. Afrikas Hauptexporte sind Rohstoffe, die vor allem in den Industrieländern nachgefragt werden. Für die zunehmende Produktion von Industriegütern für afrikanische Märkte wären riesige Investitionen nötig – bei gleichzeitig hohem Wettbewerb durch die Billigimporte aus Fernost.
Afrika wird nach anderen Partnern Ausschau halten
Realistischer erscheint es, dass sich afrikanische Staaten verstärkt anderen Absatzmärkten zuwenden, darunter China, der EU, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. China verkündete im Juni 2025, dass es 53 afrikanischen Nationen einen zollfreien Zugang zum chinesischen Markt gewährt. Was wie eine großzügige Geste erschien, ist längst überfällig. Denn im Handel mit Afrika erwirtschaftet China einen riesigen Exportüberschuss und verhindert damit indirekt die Entwicklung von Industrien in Afrika.
Profitieren könnte die EU, die mit Afrika eine weitgehend ausgeglichene Handelsbilanz hat und der größte Handelspartner Afrikas ist. Sie gewährt den ärmeren Least Developed Countries (LDC) in Subsahara-Afrika über "Everything But Arms" seit 2001 einen zollfreien Zugang zum EU-Markt. Mit einigen wichtigen "Nicht-LDC"-Ländern wie Südafrika, Ghana, Côte d’Ivoire und Kenia bestehen Economic Partnership Agreements (EPA), die den Afrikanern ebenfalls weitgehend freien Marktzugang gewähren.
Die EU bleibt ein zentraler Geber für Afrika. Zwar dürfte die Entwicklungszusammenarbeit aus den EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren insgesamt zurückgehen – nicht zuletzt, weil erhebliche Mittel in die Ukraine fließen. Gleichzeitig zeigt sich die EU über ihre Global-Gateway-Initiative in Afrika deutlich sichtbarer als noch vor wenigen Jahren und will sich damit als Partner auf Augenhöhe präsentieren. Gerade bei der Sicherung strategischer Rohstoffe könnte ihr diese stärkere Präsenz zugutekommen.