Branchen | Türkei | Automobilsektor
Türkischer Kfz-Markt in Wartestellung
Hersteller planen Investitionen in Elektrofahrzeuge und Teile dafür. Die Lieferkettenengpässe bremsen weiterhin Produktion und Absatz von Autos.
30.09.2022
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
- Der Präsident setzt jetzt die Sondersteuer auf Fahrzeuge fest
- Regierung will Spekulation mit Neu- und Gebrauchtwagen ausbremsen
- Inlandsabsatz: Bilanz der Autohersteller ist sehr unterschiedlich
- E-Mobility: Hohe Investitionen in den Ausbau des Ladenetzes geplant
- Kfz-Produktion: Lieferengpässe schränken weiter die Fertigung ein
- Importe von Kfz-Teilen aus Deutschland ziehen kräftig an
- Investitionen in Produktion von Elektrofahrzeugen geplant
Der Neuwagenmarkt gewinnt an Dynamik, allerdings schränken Lieferkettenengpässe weiterhin das Angebot und den Absatz ein. Der Autoverkauf in der Türkei ging in den ersten sieben Monaten 2022 im Vorjahresvergleich um 8 Prozent zurück. Die Juli-Daten zeigen jedoch einen Aufwärtstrend: Der Verkauf von Pkw legte im Vergleich zu Juli 2021 um 13 Prozent zu.
Die Pkw-Nachfrage wird voraussichtlich diesen Sommer durch die Autovermietungen steigen. Gleichzeitig gibt es nachfragedämpfende Faktoren: Die Autopreise steigen und auch die Finanzierung ist schwieriger und teurer geworden. Die Banken haben kürzlich die Zinsen erhöht und sind Berichten zufolge zögerlicher bei der Vergabe von Krediten. Außerdem warten Käufer auf eine Reduktion der Sondersteuer für Fahrzeuge und schieben Käufe auf. Zudem sind Autos zum Spekulationsobjekt geworden, was die Preise zusätzlich antreibt. Wenn die Produktion in Zukunft wieder anzieht, wird dies voraussichtlich die Preise von Neuwagen und in der Folge auch von Gebrauchtwagen senken.
Der Präsident setzt jetzt die Sondersteuer auf Fahrzeuge fest
Per Regierungs-Kommuniqué wurde am 26. Juli 2022 verkündet, dass der Präsident, nicht mehr das Kabinett, ermächtigt ist, die Sondersteuer Özel Tüketim Vergisi (ÖTV) auf Fahrzeuge festzusetzen. Er kann die ÖTV um das bis zu dreifache erhöhen, senken oder auch streichen. Die Steuern beim Pkw-Neukauf sind generell hoch und die Regierung ändert die Sondersteuer häufig.
Typ | 2020 | 2021 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 |
---|---|---|---|---|
Pkw | 610.109 | 561.853 | 278.282 | -10,3 |
Leichte Nutzfahrzeuge | 162.679 | 175.497 | 79.622 | -5,6 |
Lastwagen (bis 12 t) | 21.004 | 32.740 | 15.962 | -0,1 |
Lastwagen (über 12 t) | 23.412 | 35.372 | 17.779 | 3,0 |
Midibusse | 1.320 | 1.493 | 1.023 | 65,3 |
Omnibusse | 1.038 | 1.214 | 794 | 4,1 |
Insgesamt | 819.562 | 808.169 | 393.462 | -8,4 |
Regierung will Spekulation mit Neu- und Gebrauchtwagen ausbremsen
Ab dem 15. September dürfen laut Amtsblatt professionelle Verkäufer wie sogenannte Auto-Galerien (Dritthändler) oder Autovermietungen Fahrzeuge erst nach sechs Monaten oder 6.000 Kilometern Nutzung verkaufen. Dies gilt zunächst bis 1. Juli 2023.
Der Gebrauchtwagenmarkt in der Türkei hat bald die Marke von 8 Millionen Verkäufen pro Jahr erreicht, prognostiziert 2plan, einer der großen Gebrauchtwagenhändler im Land. Im 1. Halbjahr 2022 seien im Vorjahresvergleich 30 Prozent mehr Autos verkauft worden. Meist dienten die Käufe jedoch als Anlage. Nur 30 Prozent hätten im 1. Quartal ein Auto aus Notwendigkeit gekauft. Engpässe bei der Verfügbarkeit von Neuwagen und die hohe Inflation haben den Gebrauchtwagenmarkt angeheizt. |
Inlandsabsatz: Bilanz der Autohersteller ist sehr unterschiedlich
Der Inlandsabsatz von Pkw hat sich bei den einzelnen Herstellern sehr unterschiedlich entwickelt. Hyundai sticht mit einem hohen Absatzanstieg hervor. Dies dürfte an einem neuen Fahrzeugmodell liegen, dem Hyundai Tucson, das dieses Jahr auf den Markt kam und direkt vom türkischen Journalistenverband der Autofachmagazine OGD zum "Auto des Jahres" gekürt wurde. In der Türkei produzieren Fiat, Renault, Hyundai und Toyota. Sie haben mit Ausnahme von Toyota tendenziell beim Inlandsabsatz besser abgeschnitten. Toyota fertig in der Türkei nur zwei Modelle (Corolla, CHR) und importiert die anderen im Markt angebotenen Fahrzeuge.
Hersteller | 2021 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 | Marktanteil 1. Halbjahr 2022 |
---|---|---|---|---|
Insgesamt | 561.853 | 278.282 | -10,3 | 100 |
Renault | 75.561 | 43.813 | 14,5 | 16 |
Fiat | 73.081 | 41.151 | 0,1 | 15 |
Volkswagen | 53.523 | 25.463 | -26,6 | 9 |
Hyundai | 36.935 | 22.365 | 47,4 | 8 |
Toyota | 45.899 | 18.746 | -32,1 | 7 |
Dacia | 27.672 | 17.919 | 29,4 | 6 |
Opel | 20.754 | 14.544 | 13,7 | 5 |
Peugeot | 28.998 | 11.006 | -30,2 | 4 |
E-Mobility: Hohe Investitionen in den Ausbau des Ladenetzes geplant
Das Ladenetz für Elektrofahrzeuge wird ausgebaut. Schätzungen zufolge wird es in der Türkei 2023 etwa 54.000 Ladestationen geben, in 2030 sollen es bereits 1,1 Millionen sein und bis 2030 rund 4,8 Millionen. Einige türkische Anbieter wie Eşarj, Zorlu Energy und Sharz.net bauen ihre Netze aus oder steigen neu in den Markt ein, wie die zur Koc Gruppe gehörende WAT Mobility.
Dem türkischen Verband der Automobilvertriebsfirmen Otomotiv Distribütörleri Dernegi zufolge wurden von Januar bis Juli 2022 insgesamt 2.532 Elektro- (+149 Prozent) und 30.417 Hybridautos (+2 Prozent) verkauft. Ende Mai 2022 waren laut türkischem Statistikamt Türkiye İstatistik Kurumu landesweit 116.933 Elektro- und Hybridautos zugelassen. Ende 2021 gab es landesweit fast 3.500 Ladestationen, meldet die türkische Energiemarktregulierungsbehörde Enerji Piyasası Düzenleme Kurumu. Die meisten davon in der Metropole Istanbul, aber auch viele in Izmir und Ankara.
Kfz-Produktion: Lieferengpässe schränken weiter die Fertigung ein
Die Chipkrise und Lieferkettenprobleme dämpfen immer noch die Produktion. Negativ wirken sich auch die gestiegenen Preise für Rohmaterialien und die hohe Inflation aus. Während die Fertigung von Pkw im 1. Halbjahr zurückgegangen ist, konnte sie bei Nutzfahrzeugen wieder zulegen.
Typ | 2020 | 2021 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 |
---|---|---|---|---|
Pkw | 855.043 | 782.835 | 382.947 | -7,9 |
Nutzfahrzeuge | 442.835 | 493.305 | 266.364 | 19,1 |
Minibusse | 51.464 | 46.870 | 25.287 | 28,6 |
Midibusse | 2.043 | 2.216 | 1.477 | 69,8 |
Omnibusse | 7.896 | 5.567 | 3.302 | 26,4 |
Kleintransporter, Pick-up | 358.182 | 400.078 | 213.977 | 17,3 |
Lastwagen (bis 12 t) | 2.081 | 3.922 | 2.437 | 28,3 |
Lastwagen (über 12 t) | 21.169 | 34.652 | 19.884 | 23,3 |
Insgesamt | 1.297.878 | 1.276.140 | 649.311 | 1,5 |
In der Türkei werden Fahrzeuge im großen Stil für den Export gefertigt. Dabei ist die Europäischen Union der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. Innerhalb dieser Ländergruppe sticht Deutschland hervor. Im Jahr 2021 hatte die Nachfrage aus dem Ausland infolge der Coronapandemie nachgelassen. Jetzt zieht sie wieder an.
Der Anteil der Ausfuhren an der Produktion betrug im Vor-Coronajahr 2019 bei Pkw 85 Prozent und im 1. Halbjahr 2022 nur rund 71 Prozent. Bei Nutzfahrzeugen waren es zuvor 90 Prozent und in den ersten sechs Monaten 2022 rund 74 Prozent.
Typ | 2020 | 2021 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 |
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Pkw | 596.616 | 565.370 | 271.054 | -8,8 |
Nfz | 319.922 | 371.645 | 195.941 | 19,2 |
Minibusse | 38.296 | 37.741 | 18.412 | 11,8 |
Midi-Busse | 640 | 987 | 416 | 32,5 |
Busse | 6.886 | 4.750 | 2.372 | 23,9 |
Kleintransporter, Pick-ups | 263.767 | 310.874 | 165.017 | 19,6 |
Lkw | 10.333 | 17.293 | 9.724 | 26,9 |
Insgesamt | 916.538 | 937.015 | 466.995 | 1,2 |
Importe von Kfz-Teilen aus Deutschland ziehen kräftig an
Die türkische Einfuhr von Kfz-Teilen weltweit ging im 1. Halbjahr 2022 um 6 Prozent zurück. Die Importe aus Deutschland expandierten hingegen um knapp 8 Prozent. Gleichzeitig zogen die türkischen Exporte von Kfz-Teilen um 4 Prozent an.
2021 | Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 | aus Deutschland 2021 | aus Deutschland Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 647 | -7,2 | 54 | -13,1 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 5.683 | -3,9 | 1.251 | 11,1 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 405 | -2,4 | 4 | 46,2 |
SITC 713.2 Motoren | 3.385 | -9,4 | 468 | 0,8 |
Kfz-Teile insgesamt | 10.120 | -5,9 | 1.777 | 7,7 |
Warengruppe | 2021 | 1. Halbjahr 2022 | Veränderung 1. Halbjahr 2022/1. Halbjahr 2021 |
---|---|---|---|
Reifen | 1.630,4 | 911,8 | 16,2 |
Sicherheitsglas | 140,3 | 119,8 | 23,5 |
Motoren | 296,7 | 141,7 | -17,6 |
Batterien | 509,4 | 256,6 | 14,5 |
Kfz-Teile insgesamt | 18.050,0 | 9.051,6 | 4,3 |
Investitionen in Produktion von Elektrofahrzeugen geplant
In der Türkei hat sich eine breit aufgestellte Kfz-Zulieferindustrie entwickelt. Zuletzt wurde zunehmend in Produktionsstätten für Elektrofahrzeuge und Teile dafür investiert. Signalwirkung hatte die Grundsteinlegung für das erste türkische Elektroauto-Werk TOGG in Gemlik im Juli 2020. Für das 1. Quartal 2023 kündigte TOGG an, den ersten Elektro-Stadtgeländewagen auf den Markt zu bringen. Das Werk soll eine Kapazität von bis zu 175.000 Autos haben. Bis 2030 möchte TOGG insgesamt 1 Million Fahrzeuge von fünf verschiedenen Modellen produzieren.
Der brasilianische Unternehmen WEG hat ein neues Elektromotorenwerk in Kocaeli gebaut. Ford Otosan hat mit der Produktion des Elektromodells des Ford Transit begonnen. Ford plant mit der Koc-Holding und dem Batterieproduzenten SK eine Batteriefabrik für Nutzfahrzeuge in der Türkei.
Der türkische Zulieferer Ege Endüstri will 509 Millionen US$ in den Bau eines neuen Werks in Izmir investieren.
Drei neue Fiat-Modelle sollen Pressemeldungen zufolge ab 2025 von Tofaş Türk Otomobil Fabrikası in Bursa produziert werden, darunter auch Hybrid- und Elektromodelle. Darauf hätten sich Stellantis und die Koç Holding geeinigt.
Bezeichnung | Anmerkung |
---|---|
Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Ministerium für Industrie und Technologie | |
Handelsministerium | |
Staatliches Normeninstitut | |
Türkische Statistikbehörde | |
Verband der Automobilindustrie | |
Verband der Automobilvertriebsfirmen | |
Verband der Kfz-Zulieferindustrie | |
Verband für Elektro- und Hybridfahrzeuge | |
Ableger der deutschen Veranstaltung, Istanbul, zweijährlich (geplant 8. bis 11.6.23) | |
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