Marokkos stabile Windverhältnisse sowie die ambitionierten Ziele der Regierung machen den Sektor für Investoren interessant. Auch im Offshore-Bereich besteht Potenzial.
Nach erfolgreichen Großvorhaben wartet Nachschub
Marktchancen für ausländische Unternehmen im marokkanischen Windsektor ergeben sich vor allem aus den von der Regierung gesteuerten Großprojekten. Als weiterer Meilenstein in Marokkos Windenergiesektor reiht sich das mit einer Kapazität von 210 Megawatt ausgestattete Projekt Midelt in die Liste erfolgreicher Vorhaben ein. Laut ONEE erforderte das Vorhaben innerhalb der zweijährigen Konstruktionsphase Investitionen von rund 280 Millionen US$. Das Projekt ist Teil des integrierten 850-Megwatt-Windenergieprogramms, das vier Standorte umfasst: Boujdour (300 Megawatt), Tiskrad (Tarfaya, 100 Megawatt), Midelt (2 Megawatt) und Jbel Lahdid (Essaouira, 270 Megawatt).
Ausgewählte Windenergieprojekte in MarokkoProjektbezeichnung, Standort | Leistung (in Megawatt) | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen (in Millionen US$) |
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Harmattan Wind Farm, Dhakla | 900 | Bookstone Partners | Studienphase | 2.500 |
Boujdour Wind Farm, Laayoune | 300 | MASEN 2), Nareva Enel Green Power | Durchführung bis Dezember 2023 | 330 |
Jbel al Lahdid Wind Farm, Nähe Essaouira | 270 | ONEE 1), Nareva Enel Green Power | Durchführung bis Dezember 2023 | 230 |
Ausbau Aftissat Wind Farm, Laayoune | 200 | Nareva Holding | Durchführung bis Dezember 2023 | 332 |
Taza Wind Farm, Taza Al-Hoceima | 150 | ONEE 1) | Durchführung bis Mai 2022 | 120 |
Tiskrad Wind Farm, Laayoune | 100 | ONEE 1) | Durchführung bis März 2024 | 115 |
Tanger 2 Wind Farm, Tanger | 70 | ONEE 1) | Durchführung bis Mai 2024 | 80 |
Ausbau Koudia Al Baida Wind Farm, El Koudia El Beida | k.A. | MASEN 2) | Durchführung bis Juli 2024 | 55 |
1) Office National de l’Electricité et de l’Eau; 2) Moroccan Agency for Sustainable EnergyQuelle: Meed Projects; Recherchen von Germany Trade & Invest
Europäischen kleinen und mittelgroßen Unternehmen bieten sich auf der einen Seite Lieferchancen für Komponenten und elektronisches Zubehör. Dabei ist allerdings zu beachten, dass im Bereich der Ausrüstungen ein vielversprechender, lokaler Zuliefermarkt in der Entstehungsphase ist. Dies ist im Sinne der Regierung. Daher ist die Einbeziehung marokkanischer Partner in Konsortien für öffentliche Projektausschreibungen gewünscht.
Auf der anderen Seite sind Unternehmen mit Know-how gefragt, die bei der vollständigen Projektabwicklung beratend zur Seite stehen. Die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte oder Wartung und Reparatur sind ebenso gefragte Geschäftsfelder.
Auf der einen Seite gilt die Atlantikküste des Königreichs als lukrativer Standort. Daneben entstehen auch erfolgreich Vorhaben im Süden oder im Norden (beispielsweise Tanger) des Landes. Das Gebiet der Westsahara gilt besonders als Anlaufstelle. Die Bodenbeschaffenheit sorgt dort für vergleichsweise hohe Windgeschwindigkeiten. Dort entstand beispielsweise der Windpark Tarfaya mit einer Kapazität von 300 Megawatt. Der Windpark Aftissat 1, etwa 50 Kilometer südlich der Stadt Boujdour, verfügt über eine installierte Leistung von 200 Megawatt.
Ein Zukunftsprojekt plant Medienberichten zufolge das im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen Xlinks. Das Megavorhaben ist ein 10,5-Gigawatt Solar-plus-Wind-Projekt und soll in der Region Guelmim Oued Noun entstehen. Mehr als ein Drittel des erzeugten Stroms sollen nach Großbritannien exportiert werden. Gegenwärtig ist noch die Herausforderung, die erforderlichen behördlichen und staatlichen Genehmigungen zu erlangen. Laut Meed Datenbank sollen etwa 3,5 Gigawatt durch Windenergie bereitgestellt werden. Das allein könnte Investitionen von rund 4 Milliarden US$ erfordern.
Auch das Offshore-Segment soll an Relevanz gewinnen
Die Weltbank weist in einer Beurteilung über aufstrebende Windenergiemärkte auf Marokkos schlummerndes Potenzial im Offshore-Bereich hin. Wenn das Potenzial effizient genutzt werde, könnte das Königreich zu einem der wichtigsten Energieexporteure nach Europa avancieren. Die marokkanische Küste entlang des Atlantiks habe optimale Windgeschwindigkeiten in flachen und tiefen Gewässern.
Mehrere Gebiete an der Westküste Marokkos seien für Offshore-Windkraftanlagen mit festem Fundament geeignet. Um das Potenzial ausschöpfen zu können, müsste allerdings in die Infrastruktur investiert werden. So könnte Strom in die Regionen Rabat und Casablanca transportiert werden, die einen hohen Energiebedarf aufweisen.
Schließlich geht es nicht nur darum, das Ausland mit Strom zu versorgen. Auch im Inland wächst die Nachfrage nach grüner Energie. Gutes Beispiel dafür ist die marokkanische Eisenbahngesellschaft ONCF. Seit Januar 2022 bezieht ONCF den Strom für die Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Rabat und Tanger ausschließlich aus Windenergie. ONCF hat mittlerweile ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs auf EE umgestellt. Bis 2023 soll es die Hälfte werden.
Projekte für grünen Wasserstoff
Das Königreich will die Erfolge im Bereich der EE weiter ausbauen. Unter anderem im Rahmen der im Sommer 2020 geschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen Deutschland und Marokko soll grüner Wasserstoff vor Ort produziert und dann exportiert werden. Allgemein, und insbesondere im Bereich der EE, wird deutsches Know-how in Marokko wertgeschätzt. Seit 2012 existiert die Deutsch-Marokkanische Energiepartnerschaft (Parema).
Die Power-to-X-Initiative dürfte eine Vielzahl an ausländischen Energieunternehmen auf den Plan rufen. Langsam nehmen die Investitionen in den Wasserstoffsektor Gestalt an. Speichertechnologien werden im Königreich zunehmend an Bedeutung gewinnen. Beispielsweise plant das schwedische Energiespeicherunternehmen Azelio zusammen mit dem marokkanischen Unternehmen Jet Energy für die kommenden Jahre die Durchführung von Energiespeicherprojekten in Marokko und im frankophonen Afrika.
Abbau der Hürden bei der Netzeinspeisung gewünscht
Marktchancen für kleine und mittelständische Unternehmen dürften sich generell im Bereich der EE durch die allgemeine Liberalisierung für die dezentrale Stromversorgung ergeben. Notwendige regulatorische Rahmenbedingungen dafür sind zum großen Teil geschaffen, auch wenn es an der Umsetzung noch hapert. Treibende Faktoren für gewerbliche Einheiten sowie Industriebetriebe sind der wachsende Energiebedarf sowie steigende Stromkosten.
Das Gesetz 13-09, ergänzt durch das Gesetz 58-15, bietet die Möglichkeit, einen Teil der Eigenproduktion in das Netz einzuspeisen. Sollte die Umsetzung in den kommenden Jahren reibungsloser gestaltet werden, könnten Investoren mit größerer Flexibilität agieren. Dies gilt umso mehr, wenn die geplante Einspeisung ins Niederspannungsnetz realisiert wird. Dies dürfte das Potenzial für Kleinprojekte deutlich erhöhen.
Von Michael Sauermost
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Casablanca