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Branche kompakt | Polen | Medizintechnik

Luft nach oben für Medizintechnik in Polen

Staat und Privathaushalte geben Jahr um Jahr mehr für die medizinische Versorgung aus. Das hilft den Herstellern von Medizintechnik. Einige strukturelle Probleme bleiben.

Von Christopher Fuß | Warschau

Markttrends

Polens Gesundheitsministerium will die Erstattungsliste für Medizinprodukte erweitern. Laut einem Verordnungsentwurf würden ab 2024 die öffentlichen Zuzahlungen bei verschiedenen Produkten steigen. Patienten müssten für Artikel wie Inkontinenz-Materialien, Katheter und Blutzucker-Messgeräte weniger aus eigener Tasche zahlen. Je umfangreicher die öffentlichen Zuzahlungen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Betroffene ein Rezept einlösen.

Bereits zum Jahresauftakt 2023 hatte das Gesundheitsministerium verschiedene Zuschüsse angehoben, darunter für Hörgeräte und Rollstühle. Branchenvertretern geht das nicht weit genug. Der Verband Polmed kritisiert, dass einige Produkte, wie zum Beispiel Prothesen, seit mehr als 10 Jahren keine Aufstockung erhalten haben. Die Folge sind hohe Zuzahlungen seitens der Patienten. Ähnlich sei die Situation bei verschiedenen Behandlungen, berichtet der amerikanische Hersteller GE Healthcare Polska. Kliniken würden nicht in neue Geräte investieren, weil die staatliche Krankenkasse NFZ (Narodowy Fundusz Zdrowia) den Erstattungssatz eingefroren hat.

Krankenkasse profitiert von Polens wirtschaftlichem Aufschwung

Trotzdem steigen die Ausgaben des NFZ. Laut einem aktualisierten Finanzplan gibt die Einheitskasse 2023 rund 34 Milliarden Euro für die medizinische Versorgung aus – ein Plus von 16,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Krankenhäuser erhalten etwas mehr als die Hälfte aller Gelder. Zuschüsse für Behandlungen beim Facharzt wachsen besonders stark.

Niedrige Arbeitslosenzahlen und steigende Gehälter helfen dem NFZ. Vor diesem Hintergrund schätzt die Agentur Fitch Solutions, dass die Umsätze in Polens Medizintechnikbranche bis 2027 um jährlich über 10 Prozent zulegen könnten. Trotz wachsender Budgets gilt Polens öffentliches Gesundheitssystem als unterfinanziert. Ein Grund: Es gibt keinen Krankenkassenanteil für Arbeitgeber. Polens Regierung hat für den Haushalt 2023 eingeplant, dass die öffentlichen Gesundheitsausgaben einen Betrag in Höhe von 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Bis 2027 soll das Budget auf 7 Prozent steigen, zwei Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt.

Private Dienstleister gewinnen neue Kunden

Die knappen Mittel im öffentlichen Gesundheitswesen führen bei Arztterminen zu langen Wartezeiten. Patienten weichen auf private Anbieter aus. Im März 2023 hatten 4,3 Millionen Menschen in Polen eine Zusatzversicherung - 12,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Privatversicherten können sich in einer Praxis ihres Anbieters behandeln lassen. Branchenprimus Luxmed verfügt über ein Netz von 270 Niederlassungen.

Zu den größten Abnehmern medizinischer Geräte zählen die rund 900 Krankenhäuser in Polen. Viele Einrichtungen schreiben rote Zahlen. Zwischen 2018 und 2022 stiegen die Schulden um 60 Prozent. Universitätskliniken geht es besser, da sie gut bezahlte Spezialbehandlungen anbieten. Einige Gemeinden bauen trotz der insgesamt angespannten Situation neue Krankenhäuser.

Softwarelösungen sollen das Gesundheitswesen effizienter machen und Kosten sparen. Seit 2021 müssen die Krankenhäuser ihre Gesundheitsakten elektronisch führen. Andere Werkzeuge, wie Online-Überweisungen, oder Telemedizin, gehören bereits zum Standard. Die staatliche Agentur Centrum eZdrowia (CeZ) kümmert sich um die Weiterentwicklung von digitalen Produkten. Bis 2027 will CeZ eine Webseite für Terminvereinbarungen, eine Datenbank für Blutreserven, sowie elektronische Geburtsurkunden einführen.

Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen mit sich. Laut Sicherheitsbehörden hat sich die Zahl der Cyberattacken auf Gesundheitseinrichtungen 2022 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Das Gesundheitsministerium wiederum schränkte Online-Rezepte im Juli 2023 ein, nachdem Webseiten-Betreiber Rezepte ohne ärztliche Beratung ausgestellt hatten.

Medizinfonds beendet zwei Ausschreibungen

Neben der Digitalisierung verfolgt Polen weitere Projekte. Eine wichtige Finanzierungsquelle ist der 2020 ins Leben gerufene Medizinfonds. Im Jahr 2022 stellte er über 700 Millionen Euro für den Ausbau von 14 Kinderkrankenhäusern bereit. Bis Mai 2023 konnten sich Notaufnahmestationen und Onkologie-Stationen um insgesamt 700 Millionen Euro für neue Gerätschaften bewerben.

Gesundheitseinrichtungen hoffen auf weitere Unterstützung aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Über 500 Einrichtungen sollen neue Ausrüstung erhalten. Ob die nötigen Gelder wirklich fließen, ist ungewiss. Die Europäische Kommission erwartet eine Justizreform von Polen. Das polnische Parlament hatte ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Staatspräsident Andrzej Duda leitete die Novelle überraschend an das Verfassungsgericht weiter. Solange es kein positives Urteil gibt, bleibt der Wiederaufbaufonds wohl blockiert.

Ausgewählte Investitionsprojekte im Gesundheitssektor in Polen

Akteur/Projekt

Investitionssumme (in Mio. Euro)

Projektstand

Anmerkungen

Krankenhaus in Gliwice

243

Planungsstadium

Neues Krankenhaus mit Platz für 12 Abteilungen mit 356 Betten

Krankenhaus in Wrocław

218

Projektdurchführung

Neues Krankenhaus mit 671 Betten

Krankenhaus in Poznań 

193

Projektdurchführung

Neues Krankenhaus mit rund 500 Betten

Krankenhaus in Szczecin 

180

Projektdurchführung

Ausbau und Modernisierung der Pommerschen Medizinischen Universität und des öffentlichen Krankenhauses Nr. 1

3M

130

Planungsstadium

Bau einer Fabrik für Filtersysteme für die Biopharmaindustrie

Krankenhaus in Szczecin

67

Planungsstadium

Bau eines Chirurgie-Behandlungszentrums für Kinder im öffentlichen Krankenhaus Nr. 1

Krankenhaus in Łódź

59

Planungsstadium

Bau eines Komplexes für Intensivtherapie im Gesundheitszentrum für polnische Mütter

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Laut Fitch Solutions hatte Polens Medizintechnikbranche 2022 ein Volumen von rund 3,3 Milliarden Euro. Importwaren deckten zwischen 50 Prozent und 90 Prozent des Bedarfs. Hochtechnische Produkte stammen oft aus dem Ausland. Polnische Hersteller, wie Balton, Chirmed und Mercator, konzentrieren sich auf Instrumente und Einwegprodukte. Deutschland war 2022 für ein Viertel aller Einfuhren verantwortlich. Allerdings verlieren deutsche Exporteure Marktanteile an China, vor allem bei Verbrauchsmaterialien.

Markteinführung von Medizintechnik

Die Zulassung medizinischer Geräte erfolgt in Polen nach EU-Vorgaben. Die Medical Device Regulation hat das Land 2022 in nationales Recht übersetzt. Laut Branchenverband POLMED geht die nationale Regelung in einigen Punkten, wie zum Beispiel den Marketing-Auflagen, deutlich weiter als die EU-Vorgabe.

Vor der Parlamentswahl, die im Oktober 2023 stattfindet, hat Polens Abgeordnetenhaus einige Gesetze auf den Weg gebracht. Das Gesundheitsministerium wird eine Liste mit Medizinprodukten veröffentlichen, die Personen unter 18 Jahren und Personen über 65 Jahren zuzahlungsfrei erhalten. Polmed kritisiert eine Reform des Erstattungsrechts. Laut Verband kann das Gesundheitsministerium in Zukunft die Preise von Medizinprodukten unter bestimmten Umständen einseitig festlegen. Lob gibt es hingegen für eine Anhebung der Margen von Apotheken und Großhändlern. Eine Reform der Krankenhäuser ist vorerst vom Tisch. Sie hätte verschuldete Einrichtungen unter die Aufsicht einer Agentur gestellt.

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Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkungen

AHK Polen 

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

Gesundheitsministerium Polens

Verantwortung für die öffentliche Gesundheitsversorgung 

Nationaler Gesundheitsfonds

Staatliche Einheitskrankenkasse ist für einen Großteil der Finanzierung der öffentlichen Gesundheitsversorgung verantwortlich

Amt für Registrierung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Biozidprodukten

Staatliche Registrierungsstelle für Medizintechnik

Öffentliches Ausschreibungsportal des Gesundheitsministeriums

Das Portal listet Ausschreibungen in Krankenhäusern und öffentlichen medizinischen Einrichtungen

Amt für öffentliches Auftragswesen

Die Behörde führt eine Datenbank mit allen öffentlichen Ausschreibungen

EU-Sonderseite

Seite informiert über Ausschreibungen im Medizinsektor, die aus dem europäischen Wiederaufbaufonds finanziert werden

Agentur für medizinische Untersuchungen

Staatliches medizinisches Testlabor, das auch Forschungsprogramme ausschreibt

Staatliches Zentrum für Forschung und Entwicklung

Staatliche Förderagentur, die Forschungsprogramme unterstützt

Agentur für Industrie-Entwicklung

Staatliche Industrieagentur, die Unternehmen bei Investitionsprojekten unterstützt

Agentur für die Bewertung von Medizintechnologien und Erstattungsfestlegung

Staatliche Beratungsagentur des Gesundheitsministeriums

E-Health-Zentrum 

Das staatliche Zentrum stellt verschiedene E-Health Lösungen bereit

Polnische Wirtschaftskammer für medizinische Erzeugnisse Polmed 

Interessenverband der Medizinbranche

Technomed - Arbeitgeberverband der medizinischen Industrie 

Interessenverband der Medizinbranche

SALMED - Międzynarodowe Targi Sprzętu i Wyposażenia Medycznego

Internationale Messe für medizinische Geräte und Ausstattung in Poznań 

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