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Metallbearbeitung und Kunststoffbranche bereit für Investitionen
Laut einer Umfrage will fast die Hälfte aller befragten mittelständischen Metallbearbeiter aus Polen 2022 mehr investieren als noch im Jahr zuvor. Andere Branchen zögern.
14.02.2022
Von Christopher Fuß | Warschau
In der Studie Maschinen und Anlagen (Maszyny i Urządzenia, MiU) von Siemens Financial Services gaben 48 Prozent der Metallbearbeitungsfirmen an, 2022 die Ausgaben für den Maschinenpark gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen.
Betriebe scheinen wieder bereit, größere Anschaffungen zu tätigen. Noch 2021 wollten nur 27 Prozent der befragten Unternehmen mehr Geld als im Vorjahr investieren. Die anhaltende Coronapandemie hatte die Firmen verunsichert. Sie hielten umfangreiche Investitionen für ein zu großes Risiko.
Vorrangiges Anliegen bleibt die Automatisierung. Das spiegelt sich auch in den Ausgabeplänen wider. Bei 46 Prozent aller befragten Metallfirmen könnten 2022 die Budgets für Automatisierungsprojekte steigen.
An der Studie Maschinen und Anlagen (Maszyn i Urządzeń, MiU) nehmen insgesamt 400 kleine und mittelgroße Unternehmen aus Polen teil. Jeweils 100 Firmen stammen aus der Metallbranche, der Kunststoffindustrie, dem Druckereiwesen und der Lebensmittelverarbeitung. Die Studie gilt als wichtiger Stimmungsindikator. |
Metallbranche rechnet mit Nachfrage-Plus
Dass die Investitionsvorhaben 2022 ambitionierter sind, hat vor allem einen Grund. Laut MiU-Studie rechnet die Metallbranche mit steigenden Aufträgen. Insbesondere die Inlandsnachfrage soll anziehen. Die Betriebe wollen ihre Kapazitäten an die Nachfrage anpassen. Tatsächlich laufen die Maschinen schon auf Hochtouren. Im Dezember 2021 lag der Produktionsausstoß der Metallverarbeitung um 18,5 Prozent über dem Vorjahreswert.
Nicht alle Beobachter äußern sich optimistisch. In einem Artikel des Wirtschaftsportals bankier.pl warnt Jakub Szkopek von der Bank Erste Group vor steigenden Energiepreisen. Sie könnten die positive Entwicklung der Unternehmen ausbremsen: "Für die Unternehmen wird es schwieriger, die steigenden Preise an ihre Kunden weiterzugeben", meint Szkopek. Wenn die Unternehmen auf den Kosten sitzen bleiben, fehlt Geld für Investitionen.
Der Fachkräftemangel ist zurück
Steigende Energiepreise sind nicht die einzige Herausforderung für die Metallverarbeiter. Der MiU-Studie zufolge klagen 56 Prozent der befragten Unternehmen über fehlende Arbeitskräfte. Monatliche Konjunkturumfragen der polnischen Statistikbehörde (Główny Urząd Statystyczny; GUS) bestätigen diesen Befund. In der ersten Coronawelle stoppten Betriebe die Personalsuche. Im Januar 2022 klagten bei GUS-Umfragen wieder ähnlich viele Unternehmen über Fachkräftemangel wie vor Ausbruch der Pandemie.
Der Geschäftsführer des Metall-Clusters Lubuskie, Włodzimierz Fleischer, kommentiert: "In der gesamten Wirtschaft herrscht Fachkräftemangel. Die Metallindustrie ist leider keine Ausnahme." Vor diesem Hintergrund könnten Mehrausgaben für Maschinenpark und Automatisierung auch ein Mittel sein, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.
Kunststoffverarbeiter zwischen Investitionen und Rohstoffmangel
Auch die Kunststoffbranche nimmt Geld in die Hand. Laut MiU Studie wollen 2022 rund 47 Prozent aller Betriebe mehr in ihren Maschinenpark investieren. Ein Jahr zuvor lag der Anteil bei nur 33 Prozent. Im Unterschied zur Metallindustrie bewerten Kunststoffverarbeiter nicht den Fachkräftemangel, sondern die Rohstoffpreise als größte Herausforderung.
Viele chemische Vorprodukte sind 2021 teurer geworden. Robert Szyman, Geschäftsführer des Polnischen Verbandes der Kunststoffverarbeiter (Polski Związek Przetwórców Tworzyw Sztucznych; PZPTS) sucht nach Lösungen: "Der Anstieg der Rohstoffpreise könnte durch einen breiteren Zugang zu recycelten Materialien abgefedert werden."
Ohnehin müsse Polen mehr recyceltes Material einsetzen: "Die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen wird gemäß EU-Regeln bis 2025 von derzeit 23,5 Prozent auf 50 Prozent steigen", sagt Szyman. Darüber hinaus würden Kunden schon heute großen Wert auf einen hohen Anteil recycelter Materialien in Kunststoffprodukten legen. Polen müsse seine Rohstoffe effektiver verwerten. Bislang erhebe das Land kein Pfand auf Plastikflaschen. Ohne ein solches System seien die Recyclingvorgaben laut Szyman aber kaum einzuhalten.
Tatsächlich hat das polnische Klimaministerium Anfang 2022 ein neues Pfandgesetz vorgestellt. Einweggetränkebehälter aus Kunststoff mit einem Fassungsvermögen von bis zu 3 Litern würden unter die Regelung fallen. Die Höhe des Pfands schreibt der Entwurf nicht vor. Branchenverbände diskutieren den Vorschlag mit dem Ministerium.
Lebensmittelbetriebe investieren seltener
Die Lebensmittelindustrie hält sich mit Ausgaben zurück. Nur 24 Prozent aller Unternehmen wollen 2022 laut MiU mehr Geld für Maschinen bereitstellen als im Vorjahr. Kacper Olejniczak vom Arbeitgeberverband Konfederacja Lewiathan interpretiert die Zahlen mit einem Verweis auf die Coronapandemie: "Die Unternehmen wollten vorrangig Personal halten und Produktionskapazitäten sichern, statt Maschinen zu erneuern oder den Automatisierungsgrad zu erhöhen."
Der Befund ist nicht neu. Polnische Lebensmittelbetriebe arbeiten seit Jahren mit vergleichsweise niedrigen Investitionsbudgets. Gleichzeitig geraten die Firmen stärker unter Druck: 21 Prozent der befragten Lebensmittelfirmen klagen über wachsende Konkurrenz - ein deutlich höherer Anteil als in anderen Branchen der MiU-Studie.
Generell liegen die Anlageninvestitionen in Polen unter dem Durchschnitt der Europäische Union (EU).
Europäische Gelder in Gefahr
Alle Branchen nutzen Förderprogramme der EU, um Projekte zu finanzieren. Polen ist der größte Nettoempfänger von Mitteln aus dem EU-Haushalt. Doch der Geldfluss stockt. Die Europäische Kommission wirft Polen Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien vor und hält Mittel aus dem Wiederaufbaufonds zurück.
Gleichzeitig droht die Kommission, Haushaltsgelder für Polen zu kürzen. Hintergrund ist ein Streit über den Braunkohletagebau in der Grenzregion Turów. Polen hatte die Konzession des Tagebaus verlängert. Das Nachbarland Tschechien klagte über negative Umwelteinflüsse und zog vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Beide Streitparteien konnten sich außergerichtlich auf eine Lösung einigen. Weil Polen für die Dauer des Verfahrens den Tagebau weiter betrieb, muss das Land aber 68,5 Millionen Euro Strafe zahlen. Die polnische Regierung weigert sich. Als Reaktion kündigte die Kommission an, die Strafzahlung von Polens europäischen Haushaltsmitteln abzuziehen.